TV-Debatte der US-Demokraten:Der Favorit ist aufgewacht

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Joe Biden gilt als aussichtsreichster Kandidat der Demokraten. (Foto: AP)
  • Die US-Demokraten grenzen unter anderem mit Hilfe mehrerer TV-Debatten ihr Kandidatenfeld für die Präsidentschaftskandidatur ein.
  • Als aussichtsreichster Kandidat gilt Ex-Vizepräsident Joe Biden, er führt in den Umfragen mit großem Abstand.
  • Bei der letzten TV-Debatte blieb er allerdings farblos. Dieses Mal zeigte er sich sehr viel kämpferischer, wurde von seinen Konkurrenten, allen voran Kamala Harris aber auch ziemlich in die Bredouille gebracht.

Von Thorsten Denkler, New York

Kamala Harris lächelt, als sie kurz vor Beginn der TV-Debatte mit ausgestreckter Hand auf Joe Biden zugeht. Es ist so ein Lächeln, das jedem, dem es gilt, sofort klar macht: Jetzt wird es ungemütlich. Biden, Vizepräsident unter Barack Obama und aktuell mit großem Abstand der Führende unter den demokratischen Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur in allen Umfragen, dürfte ahnen, dass Harris es ist, die ihm an diesem Abend besonders zusetzen wird. In den Handschlag hinein sagt er: "Geh nicht zu hart mit mir um, mein Kind." Eine Einlassung, halb freundlich, halb herablassend. Biden hat offenbar nicht vor, noch einmal von Harris in die Ecke gedrängt zu werden.

Es ist die zweite Runde der zweiten TV-Debatte der demokratischen US-Präsidentschaftsbewerber. Am Dienstag hatten sich hier im Fox Theatre in Downtown Detroit im US-Bundesstaat Michigan die ersten zehn Kandidatinnen und Kandidaten zu beweisen, darunter die Stars der Parteilinken, Bernie Sanders und Elizabeth Warren.

Sie haben nicht viel zu befürchten. Aber die beiden Debatten in Detroit sind für die meisten anderen Bewerber im Feld entscheidend. Sie brauchen diese Bühne, um ihren Kampagnen Feuer zu geben. 8,7 Millionen Menschen haben allein die Debatte am Dienstag verfolgt. Im September, wenn in Houston, Texas, die dritte Debattenrunde ansteht, müssen die Kandidaten 130 000 verschiedene Geldgeber nachweisen und auf mindestens zwei Prozent Zustimmung in vier Umfragen kommen. Derzeit schaffen das nur sieben der 25 Kandidaten. Das große Aussieben beginnt nach diesem Abend.

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Biden hat andere Probleme. Ihm dürfte noch die erste Debattenrunde der Demokraten vom Juni in den Knochen stecken, als Harris ihm übel zugesetzt hatte. Als das Thema Rassismus aufkam, hatte sich Harris eingeschaltet. Sie nutzte damals den Moment zu einem Frontal-Angriff auf Joe Biden. Sie warf Biden vor, sich nicht von zwei Senatoren distanziert zu haben, mit denen er in den siebziger Jahren eng zusammengearbeitet hat. Beide waren glühende Verfechter der Rassentrennung.

Bidens Problem war weniger der Vorwurf als solcher. Sondern, dass er Schwierigkeiten hatte, diesen Angriff zu kontern. Bidens großes Wahlversprechen ist, dass er und nur er allein Trump schlagen kann. Nach der ersten Debatte klang das nicht mehr so glaubwürdig. Biden muss nicht erst seitdem mit dem Spitznamen "Sleepy Joe" leben, den ihm Donald Trump verpasst hat. Er schien sich etwas zu sicher zu sein, dass ihn ohnehin keiner schlagen kann. Jetzt ist er offenbar aufgewacht.

Wie schon am Vortag ist zunächst Gesundheitspolitik das bestimmende Thema. Es läuft gut für Biden. Unter Feuer steht vor allem Harris. Sanders und Warren wollen in Zukunft nur noch eine Krankenversicherung für alle. So weit links steht an diesem Abend keiner. Harris will dagegen die privaten Kassen behalten, sie aber entkoppeln von den Arbeitgebern, die heute in der Regel die Krankenversicherung für ihre Angestellten bereitstellen. Das aber finden Linke wie Moderate seltsam. Linke, weil sie die privaten Kassen ganz loswerden wollen. Moderate, weil sie glauben, dass nur starke, private Kassen das Gesundheitssystem finanzieren können. Harris steht bei diesem Thema zwischen allen Stühlen.

Biden dagegen will nur die Gesundheitsreformen von Barack Obama wiederherstellen, die Trump ganz schön geschliffen hat. Das ist leicht verständlich, überaus populär, klingt plausibel, macht keinem Angst. Und kostet nicht die Welt.

Was die anderen wollen, das sei "ein Haufen Nonsens", sagt Biden. Und unbezahlbar. Harris hat - wie am Vorabend Warren und Sanders - Schwierigkeiten zu erklären, wo die Billionen von Dollar herkommen sollen, die ihr Systemwechsel kosten könnte. Biden schürt die Sorge, dass die Steuern für die Mittelklasse steigen könnten und viele eine Krankenversicherung verlieren könnten, mit der sie ganz zufrieden sind. Diese Runde geht an ihn.

Danach aber geht es für ihn bergab. Biden hat einen langen politischen Lebenslauf. Da hat sich einiges angesammelt. Sein Ja zum Irakkrieg. Sein Nein zu Bundesgeld für die Finanzierung von Abtreibungen. Reichlich misogyne Meinungsäußerungen zur Rolle der Frau. Es gibt kaum etwas, was ihm nicht vorgehalten wird von seinen Mitbewerbern.

Das Thema illegale Immigration wird aufgerufen, das wichtigste Wahlkampfthema für Donald Trump. Die Demokraten sind sich im Grundsatz einig: Immigranten sind willkommen, wenn sie sich an Regeln halten. Manche Kandidaten aber wollen die Regeln ändern. Der illegale Grenzübertritt etwa soll nicht länger kriminalisiert werden, damit es keinen rechtlichen Grund mehr geben kann, Familien einzusperren und Kinder von ihren Familien zu trennen, findet Kandidat Julián Castro. Harris findet das richtig. Biden nicht.

Bidens Problem aber ist, dass die Obama-Administration so viele Immigranten abgeschoben hat wie kaum eine Regierung vor ihm. Gegen diesen Vorwurf kann Biden sich kaum wehren. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio fragt ihn, ob Biden seinen Einfluss genutzt hat, Obama zu stoppen. Biden antwortet kleinlaut. "Ich war Vizepräsident", sagt er. "Nicht der Präsident." Er behalte seine Empfehlungen an Obama für sich. Klingt wie: Mir waren die Hände gebunden.

Konkurrent Cory Booker reicht das nicht. Biden berufe sich auf Obama wie kein anderer Kandidat. "Sie können das nicht nur machen, wenn es ihnen gerade passt. Und sich wegducken, wenn es unangenehm ist."

Kritik muss sich Biden deswegen auch von Castro anhören. Der war Wohnungsminister in der Obama-Regierung, erreicht in Umfragen unter Demokraten derzeit aber kaum zwei Prozent Zustimmung. Biden kommt auf 28 Prozent. Biden denkt, er hat leichtes Spiel: "Als er noch Minister war, habe ich ihn darüber nie sprechen gehört." Castro: "Es sieht aus, als hätte einer aus der Vergangenheit gelernt. Und einer nicht."

Harris legt in Sachen Rassentrennung nach

Noch schwieriger wird es für Biden, als es um das Justizwesen geht. Wieder ist es Cory Booker, der Biden stellt. Er macht Biden persönlich für die üblen Zustände in den US-Gefängnissen mitverantwortlich. Jedes Justizgesetz seit den siebziger Jahren trage seine Unterschrift. Die Politik von Biden sei es immer gewesen, "Leute einzusperren, statt ihnen aufzuhelfen".

Dann bekommt auch Kamala Harris die Gelegenheit, Biden noch einmal wegen seiner beiden Senatoren-Freunde anzugehen, die Rassentrennung für eine gute Idee hielten. "Hätten die sich durchgesetzt, dann wäre ich nicht Mitglied des Senats der Vereinigten Staaten, dann wäre Cory Booker nicht Mitglied des Senats und Barack Obama wäre nie in die Position gekommen, für das Amt zu kandidieren, in das er gewählt worden ist."

Am Ende hat Biden sich gut geschlagen, aber es ist klar: Er ist nicht unangreifbar. Und er ist nicht die einzige Hoffnung der Demokraten, für die er sich ausgibt. Sein Glück an diesem Abend ist: So schlecht es für ihn lief, kein anderer Kandidat kann für sich reklamieren, den einen goldenen Moment gehabt zu haben. Den Moment, der ihn abhebt vom Feld, der den Menschen zeigt: Der oder die muss es sein und kein anderer. Nach diesen beiden Abenden wird Joe Biden wohl erst mal der Favorit bleiben. Nicht, weil er so überzeugend war. Sondern weil es keinen Kandidaten gab, der deutlich besser gewesen wäre.

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