Dritte TV-Debatte:Biden kommt nicht vom Fleck

Demokraten: TV-Debatte mit Bernie Sanders, Joe Biden und Elisabeth Warren

Bei der Frage der Krankenversicherung liegen Sanders, Biden und Warren noch deutlich auseinander.

(Foto: AFP)
  • Bei der dritten Debatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber treffen zehn Kandidaten aufeinander.
  • Die größte Aufmerksamkeit bekommen einmal mehr die Frontrunner: Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Joe Biden.
  • Favorit Biden kann auch dieses Mal nicht vollständig überzeugen.

Von Thorsten Denkler, New York

Andrew Yang hat seinen Moment schon im Eingangsstatement. Der Unternehmensgründer aus New York, ein Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens, verspricht, aus seinem Kampagnengeld zehn Personen ein Jahr lang 1000 Dollar im Monat zu zahlen. Es dauert etwas, bis das bei allen auf der Bühne der Texas Southern University in Houston ankommt. Was hat der da gerade gesagt? Die moderate Senatorin Amy Klobuchar lacht laut los. Pete Buttigieg, der gerade zu seinem eher ernst angelegten Eingangsstatement über das gespaltene Amerika ansetzen will, scheint für einen Moment keine Ahnung zu haben, wie er mit der Situation umgehen soll. "Originell ist es", sagt er dann etwas hilflos an Yang gerichtet. "Den Punkt lasse ich dir."

Klobuchars Reaktion macht klar, worum es in dieser dritten großen TV-Debatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber geht: Angeblich spinnerte Ideen von links gegen machbare und pragmatische Lösungen für die sozialen Verwerfungen in den USA von den Moderaten. Wobei als links und spinnert schon gilt, eine staatlich geregelte Krankenversicherung für alle anzubieten, wie Bernie Sanders und Elizabeth Warren es wollen.

Vor allem aber geht es den meisten Kandidaten darum, endlich Bewegung in die wie eingefroren wirkenden Umfragen zu bringen. Da hat sich nämlich seit der letzten TV-Debatte Ende Juli wenig getan. Nach wie vor führt der frühere Vizepräsident unter Barack Obama, Joe Biden, das Feld deutlich an - jetzt mit im Schnitt 29 Prozent Zustimmung unter demokratischen Wählern. Das ist immer noch ein zweistelliger Vorsprung. Er hat aber ein paar Prozentpunkte eingebüßt. Warren hat sich inzwischen auf Rang zwei vorgeschoben. Sie liegt jetzt mit 17 Prozent zwei Punkte vor ihrem Senats-Kollegen Sanders. Und ist damit die einzige Kandidatin, die einen bemerkbaren Zugewinn erzielt hat.

Dann kommt lange nichts. Auf Platz vier dann die kalifornische Senatorin Kamala Harris, die Biden in der ersten Debatte ordentlich zugesetzt hat. Danach hatte sie ein kurzes Hoch in den Umfragen, das aber jetzt wieder auf sieben Prozent abgeschmolzen ist. Pete Buttigieg, der von den Medien so gehypte schwule wie tiefgläubige Bürgermeister von South Bend, Indiana, kommt auf fünf Prozent. Was er immer noch als großen Erfolg werten kann. Von den anderen kommt niemand über drei Prozent in den Umfragen.

Wer kann Trump schlagen?

Zehn der verbliebenen 20 Kandidaten haben es auf die Bühne in Houston geschafft. Was dazu führt, dass erstmals die Top drei im Feld, Biden, Warren und Sanders, gemeinsam auf der Bühne stehen. Vier Kandidaten sind seit der vergangenen TV-Debatte Ende Juli aus dem Rennen ausgestiegen. In den Wochen nach dieser Debatte werden weitere Kandidaten aufgeben, wenn sie merken, dass sie nicht aus dem Umfragetief herauskommen.

Viele Demokraten glauben immer noch, Frontrunner Biden sei der einzige Kandidat, der Donald Trump sicher schlagen kann. Aber Biden ist nicht unumstritten, Warren und Sanders kommen zusammen auf mehr Zustimmung als Biden alleine. Was Biden braucht, ist ein Befreiungsschlag, der ihn zur unangefochtenen Führungsfigur macht. Es soll ihm an diesem Abend wieder nicht gelingen. Was so langsam zu einem Problem wird. Um Donald Trump zu schlagen, stellen die Demokraten im besten Fall einen über jeden Zweifel erhabenen Kandidaten. So ein Kandidat ist Biden bisher zumindest nicht.

Das Thema Gesundheit spaltet die Bewerber

Er versucht sich zu Beginn der Debatte immerhin als durchaus angriffslustige Stimme der Vernunft zu profilieren. Es geht um Gesundheitspolitik. Und Biden rechnet vor, wo Sanders und Warren in seinen Augen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Viele Milliarden Dollar würden in deren Rechnung fehlen. Er will lieber die von Obama eingeführten Gesundheitsreformen ausbauen. Das System habe sich bewährt. Auch seine Ausbaupläne kosten Geld. Aber längst nicht so viel, wie das, was Warren und Sanders wollen, sagt er.

Er steht nicht alleine da. Klobuchar, Senatorin aus Minnesota, hilft ihm. Sie gehört wie Biden zu den Moderaten. 149 Millionen Menschen würden ihre aktuelle private Krankenversicherung verlieren, wenn sich Warren und Sanders durchsetzen, sagt sie. Pete Buttigieg will die privaten Krankenversicherungen ebenso in Ruhe lassen. Er vertraue den Menschen, dass sie die richtige Wahl treffen. Darum soll jeder, der will, in eine öffentliche Kasse gehen können. Und wer nicht will, der behält eben seine private.

Gesundheitspolitik mobilisiert die Wähler

Warren sagt, darum gehe es nicht. Die Leute liebten ihre Krankenversicherung nicht. Sie wollten nur einen guten und kostengünstigen Zugang zum Gesundheitssystem. Sanders, dessen vom Dauerwahlkampf ermüdete Stimme kurz davor ist, komplett zu versagen, röchelt hinein, dass mit seinem Vorschlag ("Ich habe das verdammte Gesetz geschrieben!") sich jeder jeden Arzt und jedes Krankenhaus aussuchen könne. Alles andere: Luxusprobleme in einem Land, in dem fast 30 Millionen Menschen keine Krankenversicherung haben, trotz Obamacare. Und jedes Jahr 500 000 Menschen pleitegehen, weil eine Krankheit wie Krebs nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Finanzen ruiniert.

Es geht hin und her. Das Thema Gesundheit ist das am stärksten umstrittene unter den Demokraten, auch weil es offenbar Wähler mobilisiert. Bei den Zwischenwahlen 2018 haben die Demokraten auch deshalb das Repräsentantenhaus zurückerobern können, weil viele Leute Angst bekommen haben, Donald Trump könnte ihnen ihre Krankenversicherung rauben.

Sanders und Warren bekommen Rückendeckung von Julián Castro, dem früheren Bauminister unter Obama. Er habe unter Obama und Biden gedient, sagt er. Das Problem mit Bidens Vorschlägen sei, dass auch dessen Plan am Ende Millionen von Amerikanern ohne Krankenversicherung dastehen lassen würde. Unter anderem deshalb, weil jemand, der seine Arbeit verliert, nicht automatisch in die staatlich organisierte Krankenkasse aufgenommen werden würde.

Buhrufe für Castro

Biden widerspricht, natürlich werde jeder aufgenommen. Castro schaut, als habe er sich verhört: "Haben Sie vergessen, was Sie vor zwei Minuten gesagt haben?" Er wiederholt die Frage, einmal, zweimal. Damit jedem klar wird: Castro bezweifelt gerade, ob Biden, 76 Jahre, geistig in der Lage ist, das Amt des US-Präsidenten auszufüllen. Buhrufe aus dem Publikum. Castro hört nicht auf. Wenn einer in der Lage sei, Obamas Erbe zu erfüllen, dann sei er das, Castro. Aber nicht Biden. Dieser murmelt hilflos in sein Mikrofon: "Das würde Barack aber sehr wundern." Die Debatte droht für einen Moment zu entgleiten.

Blöd für Castro: Es stellt sich heraus, dass er Unrecht hatte. Biden hat deutlich gesagt, dass jeder, der sich eine private Versicherung nicht leisten kann, automatisch in die staatliche Kasse aufgenommen werden würde.

Cory Booker, Senator aus New Jersey, erinnert seine Mitdiskutanten, dass sie nicht aus dem Auge verlieren sollten, wen es 2020 zu schlagen gilt. "Wir können den Fortschritt nicht auf dem Altar der reinen Lehre opfern", sagt er. "Die Leute in meiner Nachbarschaft, die brauchen jetzt Hilfe."

Der in den Umfragen weit abgeschlagene Booker ist jetzt die Stimme der Vernunft, nicht Biden. Er zeigt, was 2020 passieren kann, wenn sich die Demokraten im Kampf um diese reine Lehre verlieren. Sie könnten einen mit den Händen greifbaren Wahlsieg verspielen.

Das Problem der Demokraten: keiner überrascht

Die Gefahr sich zu verlieren, besteht auch, wenn es um das Waffenrecht geht. Warren und Sanders tun sich zwar schwer, klare Vorschläge zu machen. Außer natürlich, dass auch sie finden, dass das Waffenproblem angegangen werden muss. Sie haben aber wohl schon genug damit zu tun, ihre als sozialistisch gebrandmarkten Gesundheitspläne zu verteidigen.

Es ist dann der Texaner Beto O'Rourke, der sich an die Spitze der Anti-Waffen-Bewegung setzt. Gefragt, ob er Besitzern von Sturmgewehren nach AR-15-Bauart, die von vielen Amokläufern und Massenmördern benutzt wurden, diese Waffen wegnehmen wolle, sagt er: "Zur Hölle, natürlich werden wir euch eure AR-15 wegnehmen!" Und: "Wir werden nicht zulassen, das solche Waffen noch einmal gegen Amerikaner eingesetzt werden!" Es sind die am meisten umjubelten Sätze an diesem Abend. Da wird der Mut des Verzweifelten belohnt. O'Rourke liegt wie Booker ganz am Ende der Umfrage-Tabelle.

Erst Trump schlagen oder erst Inhalte ausmachen?

O'Rourke will ein verpflichtendes Rückkaufprogramm für solche Waffen auflegen. Die moderate Klobuchar wiederum will höchstens ein freiwilliges Rückkaufprogramm. Sie will in die richtige Richtung gehen. Aber bitte ohne jemandem wehzutun, dessen Stimme 2020 womöglich gebraucht wird. Unter den wenigen aber umso wichtigeren Wechselwählern soll es ja auch Waffennarren geben.

Klobuchar will wie Biden zuerst und vor allem Trump schlagen. Und dann mal sehen. Warren und Sanders wollen erst sehen, mit welchen Inhalte die Demokraten gewonnen werden können. Erst dann wollen sie Trump schlagen.

Was sich die Kandidaten aber wohl am meisten von diesem Abend erhofft haben dürften, dass es klare Sieger und Verlierer geben würde, das hat sich nicht eingestellt. Kein Kandidat stach besonders heraus. Keiner überraschte. Die inhaltliche Richtungsfrage ist damit immer noch nicht geklärt.

Das wird auch noch etwas dauern. Die nächste, vierte TV-Debatte, steht Mitte Oktober an. Womöglich wird die Debatte wegen der Größe der Runde wieder auf zwei Abende verteilt stattfinden. Es ist unwahrscheinlich, dass das irgendwie helfen könnte, den Erkenntnisgewinn noch weiter zu steigern.

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