USA:Die Demokraten sind heillos zerstritten

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Vertreten beide eine progressive Agenda: Die Demokraten Bernie Sanders und Elizabeth Warren. Aber können sie Trump damit besiegen? (Foto: Lucas Jackson/Reuters)
  • In der Debatte der demokratischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur werden Sanders und Warren, die in den Umfragen gut dastehen, für ihre linke Politik scharf kritisiert.
  • Besonders beim Thema Krankenversicherung sind die Demokraten zerstritten. Sanders und Warren wollen eine staatliche Versicherung für alle Amerikaner.
  • Es ist fraglich, ob sie damit gegen Trump gewinnen können, oder gemäßigte Wähler vergraulen.
  • Am Abend treten Biden und Harris ein zweites Mal gegeneinander an. Für Biden ist es die Chance auf eine Revanche.

Von Thorsten Denkler, New York

Bernie Sanders reißt mal wieder die Arme hoch, wie er es meist macht, wenn er sich aufregt. Das ist nicht gerade vorteilhaft für ihn. Er sieht dann immer aus wie jemand, dem die Kontrolle über seine Gliedmaßen abhandengekommen ist.

An diesem Abend bekommt Sanders reichlich Gelegenheit, seine Arme durch die Luft zu wirbeln. Er steht hier mit neun weiteren demokratischen Präsidentschaftsbewerbern auf der Bühne des historischen Fox Theatre in Downtown Detroit im US-Bundesstaat Michigan. Es ist der erste Teil dieser zweiten großen TV-Debatte der Demokraten. Am Mittwoch findet der zweite Teil mit weiteren zehn Bewerbern statt. Alle haben ein Ziel: Sie wollen im kommenden Jahr die Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump gewinnen. Über den Weg dahin aber sind sie heillos zerstritten.

In der Debatte ist es John Hickenlooper, früherer Gouverneur von Colorado, der Sanders in Rage bringt. Er versucht Sanders gerade zu erklären, dass dessen Ideen leider zu links sind, um die Mitte der US-Gesellschaft zu überzeugen.

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Sanders reißt, wie beschrieben, aus Protest die Arme hoch. Hickenlooper kontert: "Ja, da kannst du ruhig die Arme hochreißen", sagt er und reißt dann selbst seine Arme hoch, um Sanders nachzuäffen. Dieser reagiert und reißt erneut seine Arme nach oben, um Hickenlooper nachzuäffen, wie der ihn nachäfft. Die Szene beschreibt ganz gut die jeweilige Verzweiflung darüber, warum der andere das eigene Argument partout nicht annehmen will.

Die Krankenversicherung ist ein großes Thema. Sie spaltet die Demokraten wie kein anderes. Grob geht es um die Frage, ob es in Zukunft nur noch eine, staatlich kontrollierte Krankenversicherung geben soll. Oder ob die öffentlichen Krankenkassen ausgebaut werden, aber im Kern am Prinzip festgehalten wird, dass die meisten Menschen in den USA mehr oder weniger gut privat über ihren Arbeitgeber versichert sind.

Bei anderen Themen sind sich die Demokraten weitgehend einig. Wenn es um Immigration geht. Oder um Klimaschutz. Wirtschafts- und Steuerpolitik? Schon schwieriger. Aber Krankenversicherung? Da hört die Freundschaft auf.

Kann man so gegen Trump gewinnen?

Sanders und Elizabeth Warren stehen für die "Eine für alle"-Lösung, die Sanders bereits in einen Gesetzentwurf gegossen hat. Es ist eine überaus populäre, aber nicht unbedingt mehrheitsfähige Idee. In Umfragen liegen die beiden Bewerber gleichauf. Zusammen kommen beide auf beachtliche 30 Prozent Zustimmung unter den demokratischen Wählern. Und das gerade, weil sie so einen radikalen Politikwechsel wollen. Aber die Frage ist, ob sie damit eine Präsidentschaftswahl gegen Trump gewinnen können.

Auf der anderen Seite stehen ausgesprochen moderate Kandidaten wie Hickenlooper, Montanas Gouverneur Steve Bullock, der Kongressabgeordnete Tim Ryan oder dessen früherer Kollege John Delaney. Sie sind gegen die Krankenversicherung für alle. Sie befürchten, dass Millionen von Amerikanern ihre private Krankenversicherung verlieren werden. Sie wollen sicherstellen, dass sich die US-Bürger weiter frei entscheiden können, in welchem System sie versichert sein wollen, sagt auch der Bürgermeister von South Bend in Indiana, Pete Buttigieg. Der vermeidet allerdings ansonsten weitgehend, sich auf irgendetwas festzulegen.

Es ist eine intensive Debatte. Es geht an den Kern des Selbstverständnisses der Demokraten. Sanders wird gefragt, ob nicht seine Ideen dafür sorgen werden, dass die Qualität der Gesundheitsversicherung für viele Menschen zurückgehen wird. Sanders sagt, es werde im Gegenteil besser werden für alle. Tom Ryan grätscht dazwischen: "Das können Sie nicht wissen!" Sanders kontert: "Ich weiß es. Ich habe das verdammte Gesetz geschrieben!"

Irgendwann wird die Anti-Stimmung, die die anderen Kandidaten verbreiten, auch Warren zu viel. "Wir sollten aufhören, hier die Argumente der Republikaner zu wiederholen." Und was sie auch nicht versteht: Wieso sich jemand die Mühe macht, "für das Amt des US-Präsidenten zu kandidieren, wenn er nur erklärt, was alles nicht geht?". Sie meint speziell Delaney. Aber es darf sich jeder angesprochen fühlen, der einfach nur weitermachen will wie bisher. Punkt für Warren.

Hinter der hitzigen Debatte steht die große Frage, wie links ein demokratischer Kandidat sein darf. Sanders hat kein Problem damit, Sozialist genannt zu werden. Obwohl das in den Ohren vieler Amerikaner immer noch wie ein Schimpfwort klingt. Er fordert eine "politische Revolution", damit Reiche und Konzerne stärker besteuert werden können.

Kostenlose Universitäten und Colleges

Warren, die mit einem fast identischen Programm antritt, bezeichnet sich dagegen als Kapitalistin, die für Regeln eintritt. Beide aber wollen das Land von Grund auf reformieren. Und genau das treibt den Moderaten die Sorgenfalten ins Gesicht.

Sie fürchten, dass eine zu linke Politik all jene Mitte-Wähler vergraulen könnte, die es dringend braucht, um 2020 Trump zu schlagen. Delaney sagt: "Wir können es so machen wie Sanders und Warren, mit einer Krankenversicherung und alles kostenlos." Oder eben wie er: "Echte Lösungen statt unmöglicher Versprechen." Zu den linken Spinnereien zählen Delaney und die meisten anderen auch den Vorschlag von Sanders und Warren, alle Studienkredite zu erlassen und Colleges wie Universitäten für alle kostenlos anzubieten.

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Der eigentliche Gegner von Warren und Sanders aber ist noch gar nicht dabei. Joe Biden, Barack Obamas Vizepräsident und Frontrunner in den Umfragen, tritt erst an diesem Mittwoch auf, im zweiten Teil der Debatte.

Dann wird es zum Showdown kommen, zum Rematch zwischen Biden und der kalifornischen Senatorin Kamala Harris. Harris stand schon im Juni mit Biden auf der Bühne. Und hat ihre Chance mit einem Frontalangriff genutzt.

Der große Favorit hatte Schwierigkeiten, zu kontern. Was Zweifel an seiner Kernaussage nährte, nur er sei in der Lage, Trump zu schlagen. Biden verlor nach der Debatte in Umfragen massiv an Zustimmung. Inzwischen hat er sich davon wieder erholt. Und kommt im Mittel auf gute 28 Prozent, etwa 13 Prozentpunkte vor Warren und Sanders. Und gut 18 Punkte vor Harris.

Die beiden Debatten in Detroit werden entscheidend sein für die meisten Kandidaten im Feld. Die Bewerber mussten von mindestens 65 000 Personen Spenden eingesammelt haben oder wenigstens ein Prozent Zustimmung in drei seriösen Umfragen gehabt haben, um sich für einen Platz auf der Bühne zu qualifizieren. Von derzeit 25 Kandidaten haben es 20 geschafft. Für die nächste Debatte Mitte September in Houston, Texas, aber sind die Regeln deutlich strenger: 130 000 verschiedene Spender und mindestens zwei Prozent in vier Umfragen.

Es wird erwartet, dass gut die Hälfte des Bewerberfeldes diese Hürde nicht wird nehmen können. Derzeit schaffen das nur sieben der Kandidaten. Für alle anderen sind die Debattentage in Detroit die letzte große Chance, sich vor einem Millionenpublikum bemerkbar zu machen. Den zweiten Debatten-Abend im Juni haben bis zu 20 Millionen Menschen gesehen.

Unter denen, die im September nicht wieder auf der Bühne stehen werden - und vermutlich auch das Rennen um die Kandidatur aufgegeben haben - sind ziemlich wahrscheinlich jene Demokraten, die an diesem Abend versucht haben, Warren und Sanders das Leben schwer zu machen.

Delaney hatte einen guten Auftritt, aber keinen, der sich besonders abgehoben hätte von seinem Auftritt im Juni. Hickenlooper, Ryan und Bullock müssten schon ziemlich realitätsfern sein, wenn sie glauben, dass sie nach diesem Abend einen Riesensprung in den Umfragen und Zehntausende neue Spender gewinnen können.

Im September dann werden wohl erstmals Sanders, Biden und Warren im Vorwahlkampf gemeinsam auf der Bühne stehen. Es sieht so aus, dass diese drei das Rennen unter sich ausmachen werden.

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