Süddeutsche Zeitung

Coronavirus in den USA:100 Tage, 100 Millionen Impfdosen

Der designierte US-Präsident Biden verspricht, die Immunisierung der Bevölkerung in den ersten Wochen seiner Amtszeit massiv anzukurbeln.

Von Christian Zaschke, New York

Das größte Problem in den USA ist derzeit nicht die Produktion von genügend Impfstoff, sondern die Verteilung desselben auf die Bundesstaaten, und dort wiederum, das Vakzin an die Frau und an den Mann zu bringen. Anfang Dezember hatte das Ziel der Regierung noch gelautet, bis Ende des Jahres 20 Millionen Menschen zu impfen. Ende Dezember waren allerdings erst gut elf Millionen Dosen ausgeliefert worden, und lediglich gut zwei Millionen Menschen hatten eine Impfung erhalten. Anthony Fauci, führender Immunologe des Landes und wichtigster Berater der Regierung in Pandemiefragen, sagte: "Wir haben sicherlich nicht die Zahlen erreicht, die wir uns vorgenommen haben." Er gab sich jedoch zuversichtlich, dass sich das im Januar ändere.

Der designierte Präsident Joe Biden nahm die Zahlen zum Anlass, den amtierenden Präsidenten Donald Trump zu kritisieren. Wenn die Impfungen in diesem Tempo weitergingen, sagte Biden, dann dauere es Jahre und nicht Monate, bis alle Einwohner der USA geschützt seien.

Im offiziellen Terminplan des Präsidenten, den das Weiße Haus täglich verschickt, stand zwischen Weihnachten und Neujahr stets, der Präsident arbeite unermüdlich, auch wenn er sich in seinem Resort Mar-a-Lago in Florida befinde. Allerdings verging kein Tag, an dem Trump sich nicht zum Golfplatz fahren ließ. Er hat das Regieren nach seiner Wahlniederlage im Wesentlichen eingestellt.

Auf Twitter ließ er verlauten, es sei Sache der Bundesstaaten, für die Impfungen zu sorgen, sobald die Regierung ihnen das Vakzin geliefert habe. Die Bundesstaaten beklagen allerdings, dass ihnen dazu das Geld fehle. Das könnte sich bald ändern, da im jüngst beschlossenen, 900 Milliarden Dollar schweren Corona-Hilfspaket mehr als acht Milliarden Dollar für die Verteilung der Impfstoffe an die Bevölkerung vorgesehen sind. Bisher standen den Bundesstaaten dazu lediglich 340 Millionen Dollar zur Verfügung.

Fast 350 000 Menschen sind in den USA bislang an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Derzeit sterben im Land jeden Tag mehr Menschen an der Erkrankung, als bei den Anschlägen vom 11. September 2001 insgesamt ums Leben kamen. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen liegt bei rund 200 000. Ohne Zweifel wird die Pandemie Joe Bidens größte Herausforderung sein, wenn er am 20. Januar ins Weiße Haus einzieht.

Joe Biden erhielt seine erste Impfdosis kurz vor Weihnachten

Biden sagte, er wolle dafür sorgen, dass in seinen ersten 100 Tagen im Amt 100 Millionen Impfdosen injiziert würden. Das hieße, dass bis Ende März rund 50 Millionen von 330 Millionen Menschen in den USA vor dem Virus geschützt wären. In dieser Woche hat er sein "Covid-19 Response Team", also die Mannschaft, die sich um die Bekämpfung der Pandemie kümmern soll, erneut erweitert.

Zudem hat er angekündigt, dass er vom "Defense Production Act" Gebrauch machen wolle, einem Gesetz aus der Zeit des Koreakriegs in den Fünfzigerjahren, das es der Regierung erlaubt, Unternehmen dazu zu zwingen, bestimmte, für das Land wichtige Materialien mit höchster Priorität zu produzieren. Auch die aktuelle Regierung hatte von diesem Gesetz zuletzt öfter Gebrauch gemacht, zum Beispiel um die Produktion von Ampullen und Spritzen zu beschleunigen.

Das Ziel der Regierung ist es nach eigenen Angaben, bis Ende Juni alle Einwohner der USA impfen zu können, die das wollen. Mit den Firmen Pfizer und Moderna haben die USA die Lieferung von jeweils 200 Millionen Impfdosen bis Ende Juni vereinbart. Jüngst erzielte die Regierung mit Pfizer eine Einigung über eine weitere Lieferung von 100 Millionen Dosen bis Ende Juli. Das hieße, dass in den USA im Idealfall bis zum Sommer bis zu 250 Millionen Menschen die beiden nötigen Dosen bekommen könnten.

Joe Biden, der bald zum obersten Pandemiebekämpfer der Vereinigten Staaten aufsteigt, gehört zu den Amerikanern, die als erste geimpft wurden. Er erhielt seine erste Dosis kurz vor Weihnachten. Biden hatte aus zweierlei Gründen Priorität. Nicht nur ist er der designierte Präsident der USA - im Alter von 78 Jahren gehört er auch zur am stärksten gefährdeten Risikogruppe.

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