US-Geheimdienst nach 9/11:CIA bauschte angebliche Folter-Erfolge auf

Die CIA verkaufte ihre Foltermethoden nach dem 11. September 2001 als großen Erfolg. Doch US-Parlamentarier kritisieren die Gewalt in einem 6000-Seiten-Bericht als überflüssig bis kontraproduktiv. Bisher ist die brisante Untersuchung unter Verschluss - freigeben kann sie nur Präsident Obama.

Von Nicolas Richter, Washington

Der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA hat die Öffentlichkeit und die US-Regierung nach dem 11. September 2001 offenbar systematisch über sein umstrittenes Verhörprogramm in die Irre geführt. In einer vertraulichen Untersuchung des US-Parlaments heißt es, die CIA habe besonders heikle Einzelheiten ihrer "verbesserten Verhörmethoden" verheimlicht und Erfolge dieser brutalen Techniken übertrieben positiv dargestellt oder gleich ganz erfunden.

"Die CIA hat dem Justizministerium und dem Kongress wieder und wieder berichtet, dass ihr Programm einzigartige, ansonsten unzugängliche Informationen hervorbringt, die Anschläge verhindern und Tausende Leben retten", zitiert die Washington Post einen Mitarbeiter der US-Regierung, der die Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchung kennt. "Aber stimmte das auch? Die Antwort ist Nein."

Der Zeitung zufolge hat das Parlament neue Fälle von Missbrauch entdeckt. So soll ein Terrorverdächtiger in Afghanistan wiederholt in eine Wanne mit eiskaltem Wasser getaucht worden sein. Verantwortliche in der CIA-Zentrale sollen auch dann noch Folter angeordnet haben, wenn selbst ihre eigenen Agenten glaubten, dass ein Verdächtiger nichts mehr verheimlichte. Zuweilen haben diese Methoden, die nach verbreiteter Ansicht Folter gleichkommen, die CIA selbst gespalten: Mehrere Agenten sollen aus Abscheu vor der Brutalität in einem Geheimgefängnis in Thailand die Einrichtung verlassen haben. Die Washington Post beruft sich auf mehrere Quellen in Regierungskreisen.

Der Parlamentsbericht ist mehr als 6000 Seiten lang und beschreibt eine der umstrittensten Phasen in der Geschichte der Central Intelligence Agency in bisher unbekannten Einzelheiten. Die Untersuchung hat mehrere Jahre gedauert und ist in Washington ebenso lange ein Politikum, weil sie das abschließende Urteil beeinflussen dürfte, das die amerikanische Öffentlichkeit über Amerikas Terrorabwehr nach dem 11. September fällt. Im Mittelpunkt steht schlicht die Frage, ob Folter in Krisenzeiten zulässig ist, weil sie Menschenleben rettet. Die CIA hat dies beteuert, aber der Senat scheint es nunmehr in Kenntnis aller Details widerlegt zu haben.

Die besonders verstörenden Abschnitte im Untersuchungsbericht beschreiben offenbar die Diskrepanz zwischen dem, was die CIA-Verantwortlichen in Washington behaupteten und dem, was Agenten auf der sogenannten Arbeitsebene berichteten. Die politisch geduldete oder gar gewünschte Brutalität der CIA erwies sich demnach in den Geheimgefängnissen als überflüssig bis kontraproduktiv.

Streit um Deutungshoheit der Folterjahre entbrannt

Manche Experten haben die widersprüchlichen Erfolgsmeldungen auch mit Inkompetenz, Überforderung und fehlendem Überblick im CIA-Apparat erklärt. In den Jahren nach 2001 hatte die CIA praktisch ihre kompletten Ressourcen auf das Ziel gerichtet, einen neuen Terroranschlag in den Vereinigten Staaten zu verhindern.

Als Beispiel für die Unehrlichkeit der CIA gilt das mutmaßliche Al-Qaida-Mitglied Abu Subeida. Sein Wissen über Pläne der Terrorgruppe soll er 2002 im Krankenhaus einem Ermittler der US-Polizei FBI verraten haben. Erst später setzte ihn die CIA Dutzende Male dem simulierten Ertränken ("Waterboarding") aus. In ihren Berichten an Regierung und Kongress aber erweckte die CIA den Eindruck, Abu Subeida habe erst unter Zwang geredet. Auch schrieb sie ihm eine übertriebene Bedeutung in der Struktur al-Qaidas zu.

Im Ergebnis war das CIA-Folterprogramm für die Gefahrenabwehr offenbar deutlich weniger relevant als vom Geheimdienst immer behauptet. Das gilt auch für die Ergreifung und Tötung des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden durch eine US-Eliteeinheit im Jahr 2011. Die CIA hatte Bin Laden in Pakistan entdeckt, indem sie seinem Boten gefolgt war. Die Informationen über den Boten stammten zwar von einem Häftling der CIA, der auch misshandelt wurde. Doch habe er die relevanten Erkenntnisse zum Boten Bin Ladens preisgegeben, bevor die CIA ihn überhaupt gefoltert habe, erklärte im vergangenen Jahr die Senatorin Dianne Feinstein, die den Geheimdienstausschuss leitet.

Der Streit über die Deutungshoheit der Folterjahre hat zu einer bitteren Auseinandersetzung zwischen Feinstein und der CIA geführt. Zuletzt warfen beide Seiten einander vor, sich illegal Informationen verschafft zu haben. Die CIA beklagt außerdem, dass der Abschlussbericht voller sachlicher Fehler und falscher Schlussfolgerungen sei. Feinsteins Ausschuss soll in dieser Woche darüber abstimmen, ob er Teile seines CIA-Berichts zur Veröffentlichung freigibt.

Der demokratische Senator Mark Udall sagt, nur eine Veröffentlichung könne die Fehlvorstellung in Teilen der Öffentlichkeit korrigieren, wonach Folter überlebenswichtig sein könne. Das letzte Wort über die Freigabe hat dann US-Präsident Barack Obama. Er hat die Foltermethoden der CIA immer abgelehnt, sich andererseits aber geweigert, strafrechtliche Ermittlungen gegen die beteiligten Agenten einzuleiten.

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