US-Finanzministerin Janet Yellen verteidigte bei ihrem Besuch in Peking am Freitag amerikanische Exportbeschränkungen China gegenüber und kritisierte das Vorgehen chinesischer Sicherheitsbehörden gegen einige US-Firmen in den letzten Monaten. Gleichzeitig demonstrierte sie Kooperationsbereitschaft und erklärte, es brauche ein besseres Verhältnis zwischen den USA und China.
Yellen betonte im Gespräch mit Chinas Premierminister Li Qiang, dass die Vereinigten Staaten es nicht auf einen wirtschaftlichen Machtkampf anlegten: "Wir streben einen gesunden wirtschaftlichen Wettbewerb an, bei dem der Gewinner nicht alles einstreicht." Ein Wettbewerb mit fairen Regeln könne "langfristig beiden Ländern zugute kommen", sagte sie Li in der Großen Halle des Volkes in Peking. Yellens viertägiger Besuch wird von beiden Seiten als Versuch gesehen, die konfliktreichen Beziehungen zwischen China und den USA in Zeiten wachsender Spannungen wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu lenken.
Yellens Besuch ist ein Balanceakt
Die chinesische Seite verbindet mit dem Besuch der in China als pragmatisch gesehenen Yellen auch die Hoffnung auf Entgegenkommen in wirtschaftlichen Fragen. Yellen sei "eine Stimme der Mäßigung" in der Biden-Regierung, schrieb das Pekinger Propagandablatt Global Times kurz vor Yellens Ankunft. Vielleicht könne ihre Reise "die Kommunikationskanäle auf hoher Ebene offen halten" und so "den bilateralen Beziehungen helfen, aus ihrer Abwärtsspirale herauszukommen".
Einer Entkoppelung der beiden Volkswirtschaften wie sie in Washington die radikaleren Teile des republikanischen Lagers mittlerweile fordern, erteilte Yellen schon nach ihrer Ankunft am Freitag eine Absage: Ein solches "De-Coupling" sei erstens nicht machbar und zweitens destabilisierend für die Weltwirtschaft.
Die Visite ist für Janet Yellen allerdings ein Balanceakt. Im vergangenen Oktober erst hatte US-Präsident Joe Biden neue Regeln unterzeichnet, die Chinas Zugang zu Hochleistungschips abschneiden sollen, wie sie in den neuesten Computern und in der Militärtechnik Einsatz finden. Ebenfalls auf Druck Washingtons führte am letzten Freitag erst die Regierung der Niederlande Exportbeschränkungen für den Verkauf von Maschinen ein, die in der Lage sind, fortschrittlichste Halbleiter zu produzieren. Der niederländische Konzern ASML ist weltweit führend in der Produktion solcher Maschinen. Kurz vor der Reise Yellens nach Peking meldete das Wall Street Journal, Washington plane nun zudem, den Zugang chinesischer Firmen zu Cloud-Speicherdiensten amerikanischer Anbieter einzuschränken.
Peking seinerseits verkündete Anfang der Woche Exportrestriktionen für die Ausfuhr von Gallium und Germanium, zweier seltener Rohstoffe, die bei Halbleiter-Herstellung eingesetzt werden. "Das ist erst der Beginn von Chinas Gegenmaßnahmen", sagte der frühere Vizehandelsminister Wei Jianguo der Zeitung China Daily.
In Washington herrscht eine lagerübergreifende China-Skepsis
"Die Vereinigten Staaten werden unter bestimmten Umständen gezielte Maßnahmen ergreifen müssen, um ihre nationale Sicherheit zu schützen", versuchte Yellen am Freitag die Haltung der USA zu erklären. "Und wir können in diesen Fällen unterschiedlicher Meinung sein". Yellen hat sich in der Vergangenheit nicht nur regelmäßig gegen ein mögliches De-coupling gestellt. Sie kritisierte auch mehrfach die vom damaligen US-Präsident Donald Trump eingeführten Strafzölle auf chinesische Produkte. "Zölle sind Steuern für die Konsumenten", sagte sie 2021.
Allerdings scheint ein Abbau dieser Strafzölle vorerst nicht in Sicht. In den USA steht der Präsidentschaftswahlkampf bevor. Und in Washington herrscht eine lagerübergreifende China-Skepsis, die in Teilen des rechten Flügels der Republikanischen Partei oft auch in Hysterie umschlägt. Der Republikaner Mike Gallagher, der den Sonderausschuss des Repräsentantenhauses zur Kommunistischen Partei Chinas leitet, warf der Biden-Regierung vor, der KP in Peking gegenüber ein "Zombie-Engagement" zu führen. Yellens Peking-Besuch wird von vielen in Washington kritisch beäugt.
Die Finanzministerin sparte gleich zu Beginn ihrer Visite nicht mit kritischen Tönen. Bei einem Treffen mit amerikanischen Unternehmensführern am Freitag in Peking beklagte Yellen unfaire Marktpraktiken Chinas und sagte, sie sei "besonders beunruhigt über die Strafmaßnahmen, die in den letzten Monaten gegen US-Firmen ergriffen wurden". Im März und April hatten chinesische Sicherheitsbehörden die Büros amerikanischer Consultingfirmen in Shanghai und Peking gestürmt und die Beschäftigten verhört oder gar festgenommen. Die Firmen hatten sich auf sogenannte "Due-diligence"-Prozesse spezialisiert, also auf die Prüfung möglicher Risiken für ausländische Investoren und Unternehmen.