US-Zwischenwahlen:Stimmabgabe auf Distanz

Lesezeit: 3 Min.

Ein Wähler in Las Vegas gibt am vergangenen Samstag vorzeitig seine Stimmen ab. (Foto: David Becker/AFP)

Die Amerikaner wählen neuerdings verstärkt per Post. Für die Demokraten ist das zunächst eine gute Nachricht. Doch wer von dem Trend wirklich profitiert, ist noch unklar.

Von Fabian Fellmann, Washington

Der Ausnahmezustand scheint die neue Normalität zu werden beim Wählen in den USA: Die Amerikanerinnen und Amerikaner stimmen nicht persönlich am Super Tuesday ab, dem Wahltag, sondern schicken ihren Wahlzettel per Post oder werfen ihn frühzeitig in die Urne. In anderen Ländern ist das gang und gäbe, in den USA hingegen war es bis zur Covid-Pandemie eine Minderheit der Stimmberechtigten, die davon Gebrauch machte. Als wegen der Seuche viele Bundesstaaten die Vorschriften lockerten, nutzten mehr als zwei Drittel der Amerikaner die Briefwahl.

Nun, bei diesen Zwischenwahlen, scheint die Tendenz zur frühzeitigen Stimmabgabe anzuhalten. Seit einer Woche ist das möglich, und bis Montag haben bereits 7,5 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht in jenen 46 Staaten, in denen sie die Möglichkeit dazu haben. Direkt vergleichbar sind die Werte der Zwischenwahlen nicht mit jenen der Präsidentschaftswahl 2020. Wegen der Covid-Pandemie stieg der Anteil der Briefwähler damals auf fast 70 Prozent; vier Jahre zuvor waren es mit 40 Prozent noch deutlich weniger gewesen.

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Eindrücklich sind Vergleiche mit den letzten Zwischenwahlen 2018: In North Carolina etwa haben in diesem Jahr mehr als doppelt so viele Wähler ihre Unterlagen zur brieflichen Stimmabgabe angefordert, in Florida ist der Anteil der Briefwähler bis dato um 50 Prozent gestiegen, und in Georgia haben sich die Zahlen der frühzeitig eingegangenen Stimmen fast verdoppelt.

In Georgia ist es jetzt verboten, vor Wahllokalen Getränke zu verteilen

Die Entwicklung in Georgia ist besonders bemerkenswert. Dort hat die republikanische Mehrheit im Parlament das Wahlgesetz verschärft. Sie haben unter anderem die Anforderungen an die Ausweise, die zur Wahl berechtigen, erhöht. Sie haben es aber etwa auch untersagt, Getränke oder Essen zu verteilen, wenn Wählerinnen und Wähler in der Schlange vor den Wahllokalen warten. Erwartet wurde, dass solche Einschränkungen die Beteiligung senken, vor allem unter den Demokraten. Bisher deutet jedoch Vieles darauf hin, dass es den Demokraten in Georgia trotzdem gelingt, ihre Unterstützer zu mobilisieren.

Wer von dem Trend profitiert, ist dennoch nicht klar. In Florida etwa sind die Demokraten bei den brieflichen Stimmen bisher klar im Vorteil. Doch das waren sie auch 2018, und diesmal haben sie den Abstand ein bisschen verringert. Bekannt ist, dass die Wählerschaft der Demokraten die Briefwahl häufiger nutzt als jene der Republikaner, doppelt so oft zum Beispiel 2020 - kein Wunder, nachdem Donald Trump die Briefwahl als fälschungsanfällig verteufelte. Unter seiner Gefolgschaft kursieren Verschwörungstheorien, wonach die Demokraten die Briefwahlen angeblich einfacher manipulieren könnten. Langfristig dürfte aber auch Trumps Wählerschaft den Komfort der frühen Stimmabgabe entdecken; in jenen Staaten, aus denen Daten vorliegen, steigt ihr Gebrauch auch bei den Republikanern.

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Klar ist schon jetzt, dass eine hohe Stimmbeteiligung zu erwarten ist. Bei Zwischenwahlen liegt sie in der Regel deutlich niedriger als im Jahr von Präsidentschaftswahlen. Diesmal aber elektrisieren gleich mehrere Themen den Wahlkampf. Die Demokraten etwa erreichen mehr Frauen, weil das konservative Oberste Gericht das Recht auf Abtreibung abgeschafft hat. Nach den Sommerferien war das ein dominierendes Thema und verlieh den Demokraten in Umfragen Auftrieb.

Nun aber beherrschen wieder die Teuerung, besonders der Benzinpreis, und wirtschaftliche Sorgen die Schlagzeilen. Die Republikaner haben davon gemäß den jüngsten Umfragen profitiert: Sie dürften ziemlich sicher die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobern. Und in mehreren Senatsrennen, in denen Demokraten als Favoriten galten, holen die Republikaner in den Umfragen auf.

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Es zeichnet sich bereits ab, dass mit der hohen Wahlbeteiligung und der vielen Poststimmen am Wahltag vom 8. November ein Chaos zu erwarten ist: Die Behörden benötigen mehr Zeit, um sie zu zählen, als für die persönlich abgegebenen Wahlzettel. Einige Staaten wie Wisconsin und Pennsylvania haben sogar verboten, die brieflichen Stimmen vor dem eigentlichen Wahltag zu zählen. Das soll Manipulationen verhindern, bedingt aber eine längere Wartefrist, bis das Resultat schließlich vorliegt. 2020 führte das dazu, dass im Verlauf des Wahltags Trump in Führung lag, weil mehr Republikaner zu den Urnen gingen und ihre Stimmen sofort gezählt wurden. Als jedoch im Verlauf des Wahlabends auch die brieflichen Stimmen hinzukamen, holte Biden rasant auf - was es Trump erleichterte, seine Lügen über Wahlfälschungen zu verbreiten. Auch die Auszählung mehrerer knapper Rennen verzögerte sich tagelang.

Diesmal sind ähnliche Szenarien zu erwarten; in Wisconsin zum Beispiel haben bisher fast doppelt so viele Wähler bereits ihre Stimme eingesandt als bei den letzten Zwischenwahlen. Das Trump-Lager wird die Verzögerung auch diesmal zu nutzen versuchen. Es hat gezielt Kandidaten aufgebaut für Ämter, die mit der Überwachung der Wahlen betraut sind - und nun dafür sorgen sollen, dass Trumps Kandidaten auf jeden Fall gewinnen.

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