Als im Sommer des Jahres 2021 in Washington durchsickerte, dass Präsident Joe Biden die Akademikerin Amy Gutmann zur Botschafterin in Berlin machen wolle, galt das als Signal der Wertschätzung für Deutschland. Unter Donald Trump hatte das Verhältnis über den Atlantik stark gelitten, Gutmanns Vorgänger in der Botschaft am Pariser Platz beim Brandenburger Tor, Richard "Rick" Grenell, hatte seinen Anteil daran. Nun schickte Biden eine Vertraute und Freundin, deren Familiengeschichte zudem aufs Engste mit der ihres Gastlandes verwoben ist.
Gutmann war vorher Präsidentin der University of Pennsylvania. Ihr jüdischer Vater Kurt musste 1934 vor den Nazis aus seiner Geburtsstadt Feuchtwangen nach Indien fliehen, von wo er später in die USA auswanderte. Gutmann hat die Heimat ihrer Vorfahren besucht, sie hat der Verlegung der Stolpersteine aus Messing beigewohnt, die vor dem früheren Wohnhaus jetzt an ihre Familie erinnern. Gutmann, die als erste Frau den Berliner Posten bekleidete, hat ihre Regierung in für Deutschland schwierigen Zeiten vertreten: Ihr Beglaubigungsschreiben überreichte sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 17. Februar 2022 - eine Woche bevor Russlands Präsident Wladimir Putin den groß angelegten neuerlichen Überfall auf die Ukraine befahl.
Ob noch vor der Präsidentenwahl die Nachfolge bestimmt wird, ist offen
Jetzt hat die 74-Jährige ihren Mitarbeitern, dem Weißen Haus und auch der Bundesregierung mitgeteilt, dass sie "entschieden hat, im Sommer in die Vereinigten Staaten zurückzukehren und sich ihrem Mann anzuschließen, dessen berufliche Verpflichtungen eine Rückkehr nötig machten", wie eine Sprecherin der Botschaft mitteilte. Ihr Mann, der Politikwissenschaftler Michael Doyle, 75, ist Professor für internationale Beziehungen an der Columbia University in New York. Gutmann ließ mitteilen, sie sei stolz auf die Arbeit, die sie und ihr Team zur Unterstützung der deutsch-amerikanischen Beziehungen geleistet hätten. Sie habe vor, bis zu ihrer Abreise einen vollen Terminkalender mit zahlreichen Verpflichtungen zu erfüllen.
Dem Vernehmen nach wird sie den Independence Day am 4. Juli auf jeden Fall noch in Berlin begehen. Ob Präsident Biden noch vor der Präsidentenwahl im November eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger nominiert, ist offen. Der Posten in Berlin wird normalerweise im Zuge politischer Benennungen besetzt und nicht mit Berufsdiplomaten des Außenministeriums, so auch bei Gutmann und ihren Vorgängern. Auf jeden Fall müsste die entsprechende Person vom Senat bestätigt werden. Ernennungen sind dort immer wieder Teil des politischen Kräftemessens geworden. Auch ist unklar, ob sich geeignete Bewerber finden, die bereit sind, das Risiko einzugehen, nur wenige Monate zu amtieren, sollte Donald Trump im kommenden Jahr ins Weiße Haus zurückkehren.
Die Beziehungen zwischen den wichtigsten Regierungsstellen sind ohnehin eng, und die Botschaft ist mit dem Gesandten Clark Price, einem Diplomaten mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung und vorherigen Verwendungen in Berlin, weiter voll funktionsfähig. Mit Beeinträchtigungen im bilateralen Verhältnis rechnet daher keine der Seiten, auch wenn die Bundesregierung wohl kein Interesse daran hat, dass sich noch einmal ein Interregnum von 20 Monaten ergibt - wie nach der Rückkehr Grenells in die USA, den Trump im Februar kommissarisch zum Koordinator der US-Geheimdienste berufen hatte.
Von Deutschland verlangte sie eine "größere Führungsrolle"
Amy Gutmann gilt in Berlin als bestens verdrahtet, pflegte aber im Unterschied zu ihrem Vorgänger eine zurückhaltende öffentliche Kommunikation. Kurz nach Amtsantritt sagte sie in ihrem ersten Fernsehinterview in Deutschland, sie "begrüße und bewundere" zwar, was Deutschland im Ukraine-Krieg leiste, aber "meine Erwartungen sind noch höher". Sie erwarte, dass Deutschland eine "größere Führungsrolle" übernehme.
Da ging es noch um die Lieferung von schweren Waffen und Panzern. In den vergangenen Monaten warnte die "stolze Jüdin", wie sie sich einmal selbst bezeichnete, verstärkt vor dem zunehmenden Antisemitismus und den Gefahren für die Demokratie - eines ihrer zentralen Bücher widmet sich dem Zusammenhang zwischen Erziehung und Demokratie und der Verantwortung des Staates dafür.