Süddeutsche Zeitung

USA:Einsteigen, bitte

In einem Interview am Rande der Auto-Show in Detroit erklärt Präsident Joe Biden die Pandemie für beendet - und demonstriert auch bei anderen Themen Zuversicht.

Von Peter Burghardt, Washington

Der Fernsehreporter und der US-Präsident spazieren durch die Auto-Show in Detroit, da hat der Reporter, Scott Pelley von CBS, diese Frage: Dies sei ja die erste Auto-Show in drei Jahren - "ist die Pandemie vorbei?" Joe Biden antwortet dies: "Die Pandemie ist vorbei", sagt er. Man habe immer noch ein Problem mit Covid, es gebe viel zu tun, doch die Pandemie sei vorüber.

Das sorgt dann, wenige Wochen vor den US-Zwischenwahlen, nicht nur für Erleichterung beim Publikum, das sich am Sonntag die Sendung "60 Minutes" ansah, sondern vor allem für Verblüffung. Corona, erledigt? Gut, die Aufmerksamkeit für die Krankheit lässt spürbar nach. Man sehe doch, niemand trage Masken, sagt Biden dem Interviewer, der ihn durch die Messe begleitet. "Jeder scheint in ziemlich guter Verfassung zu sein. Ich denke also, dass sich das ändert."

Tatsache allerdings ist, dass jeden Tag allein in den USA noch ungefähr 400 Menschen der Seuche erliegen, wenn auch nicht mehr täglich Tausende. Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärt, die Todeszahlen seien auf dem niedrigsten Niveau seit Frühling 2020, das Ende der Pandemie sei "in Sicht".

Biden hatte den Kongress um weitere Milliarden Dollar für die Vorbereitung auf eine mögliche Welle im Herbst gebeten. Er selbst verbrachte mehr als zwei Wochen in Isolation im Weißen Haus, seine Frau Jill ereilte das Virus in diesem August. Später in dem Gespräch mit CBS erinnert Biden daran, dass die USA eine Million Menschen an Covid verloren hätten, "eine Million!" Als er gewählt worden sei und sein Amt angetreten habe, da seien nur zwei Millionen Amerikaner geimpft gewesen, jetzt seien es 220 Millionen.

Möglicherweise ist Bidens Stab gelegentlich zusammengezuckt

Das zur Primetime ausgestrahlte Interview hielt weitere Überraschungen bereit. Möglicherweise ist Bidens Stab im Weißen Haus gelegentlich zusammengezuckt, spontane Äußerungen des Chefs entsprechen nicht immer dem Drehbuch. So gab er im Mai bekannt, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nicht an der Macht bleiben könne, das kassierte er nachher.

Diesmal geht es auch um Russland. Putin, ein Kriegsverbrecher? "Es ist barbarisch, was er tut." Die Energiekrise, mit der Putin spiele? Putin werde es nicht schaffen, verspricht Biden, zumindest die US-Benzinpreise sinken wieder, und die Inflation steigt nicht mehr. Wie weit werde Washington die Ukraine unterstützen (die USA schicken Kiew Waffen, Informationen und Geld)? So lange wie nötig, erwidert Biden. Was, wenn Putin, in die Ecke gedrängt, chemische Waffen oder taktische Atomwaffen einsetze? Biden: "Don't. Don't. Don't." Tu es nicht.

Nach Putin ist man gleich bei China, da könnten Bidens Aufpasser wieder nervös geworden sein. Was Xi Jinping über die Verpflichtung gegenüber Taiwan wissen müsse, erkundigt sich Pelley. Es sei so wie vor langer Zeit unterzeichnet: Es gebe eine Ein-China-Politik, und Taiwan treffe seine eigenen Urteile über seine Unabhängigkeit. Würden die USA, also amerikanische Männer und Frauen, Taiwan im Falle einer chinesischen Invasion verteidigen? "Yes."

Ja? Die US-Politik gegenüber China habe sich nicht geändert, zitierte CBS anschließend das Weiße Haus. Anfang September hatte das US-Außenministerium ein Rüstungspaket für 1,1 Milliarden Dollar angekündigt, was Peking wütend kommentierte. Zuvor war die demokratische Kongresssprecherin Nancy Pelosi nach Taipeh geflogen, und das chinesische Militär begann ein riesiges Manöver.

Bei "60 Minutes" auf CBS wird Joe Biden (kurz vor seiner Reise zur Beisetzung der Queen) auch gefragt, ob er bei den Präsidentschaftswahlen 2024 antrete. Es sei zu früh, so Biden. Es gebe die Absicht. "Aber ist das eine feste Entscheidung, dass ich wieder kandidiere?" Man werde sehen.

Die Midterms sind am 8. November, es geht für Biden und seine Demokraten um Repräsentantenhaus und Senat. Dem Präsidenten gelingt derzeit manches, darunter ein Infrastrukturprogramm, flächendeckend populär ist er nicht. Und am 20. November wird er 80, seit 50 Jahren bekleidet Biden Spitzenämter. Was halte ihn in der Arena? Biden spricht vom Tod seiner ersten Frau und zweier Kinder und dem, was sein verstorbener Sohn Beau wolle. Er holt im Oval Office einen Rosenkranz aus seiner Hosentasche und zeigt einen Cartoon, den ihm sein Vater gerahmt habe, als Reaktion auf die Schicksalsschläge. "Steh' auf, ich habe noch viel mehr zu geben."

Sei er fit genug? Über sein Alter wird immer wieder spekuliert. "Ziemlich gut in Form, was?", kontert Biden. "Schauen Sie mich an." In Detroit steigt er in ein Elektroauto. Wer nach Washington wolle, der solle hineinspringen.

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