USA:1 900 000 000 000 Dollar gegen die Krise

Joe Biden

Joe Biden will anpacken und Milliarden investieren. Doch für viele Schritte wird er die Hilfe der Republikaner benötigen.

(Foto: JIM WATSON/AFP)

Donald Trump hoffte auf ein "Wunder". Sein Nachfolger Joe Biden will die Corona-Pandemie und deren wirtschaftliche Folgen nun mit einem gigantischen Hilfspaket in den Griff bekommen.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

"Hilfe ist auf dem Weg", das war die Botschaft, die Joe Biden bei der Vorstellung seines Wirtschaftsteams Anfang Dezember an die Amerikaner sandte, und tatsächlich: Der Demokrat, der am Mittwoch als 46. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt werden wird, ist offenkundig gewillt, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Mit einem Paket im Umfang von 1,9 Billionen Dollar will Biden die laufenden Impfungen gegen das Coronavirus beschleunigen, die sozialen Folgen von Arbeitslosigkeit und Ladenschließungen mildern, Bundesstaaten und Städte entlasten sowie Wachstum und Beschäftigung wieder in Schwung bringen. Dabei benötigt er im Kongress die Mithilfe auch einiger republikanischer Mitglieder - der erste Test für seine Präsidentschaft wird also schon kurz nach der Amtsübernahme anstehen.

Wie dramatisch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind, hatte erst am Donnerstag der jüngste Arbeitsmarktbericht wieder gezeigt: Demnach stellten allein vergangene Woche rund eine Million Bürger einen Erstantrag auf Erwerbslosenhilfe. Biden sagte in der Nacht zu Freitag in einer Ansprache, angesichts der Schwere der Krise müssten die USA sofort handeln. "Die Gesundheit unserer gesamten Nation steht auf dem Spiel", erklärte er. Der künftige Präsident räumte ein, dass die Kosten des rein kreditfinanzierten Pakets immens seien. Nichts zu tun, würde aber noch teurer werden, warnte er.

Seine Ankündigung ist auch eine Abkehr vom Schlingerkurs des scheidenden Präsidenten Donald Trump, der im letzten März das erste Hilfspaket des Kongresses im Umfang von zwei Billionen Dollar unterstützt hatte, danach aber meist darauf setzte, dass das Virus "wie durch ein Wunder von allein wieder verschwinden wird". Das Gegenteil war der Fall: 23 Millionen Amerikaner haben sich bisher infiziert, die Zahl der Toten bewegt sich in großen Schritten auf die Marke von 400 000 zu.

Bidens Plan sieht unter anderem direkte Hilfen an die privaten Haushalte im Volumen von etwa einer Billion Dollar (820 Milliarden Euro) vor. So soll jeder Bürger eine Einmalzahlung von 1400 Dollar erhalten, wer arbeitslos ist und staatliche Unterstützung bezieht, hat zudem Anspruch auf 400 Dollar pro Woche an zusätzlicher Bundeshilfe. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird ausgeweitet, gleiches gilt für die Zuzahlung zu Miete und Kinderbetreuungskosten. Zwangsräumungen und -versteigerungen von Häusern und Wohnungen sollen bis September verboten bleiben. Um zu verhindern, dass Menschen in Not geraten, die Arbeit haben, will Biden den gesetzlichen Mindestlohn von 7,25 auf 15 Dollar pro Stunde anheben.

Bundesstaaten fühlen sich im Stich gelassen, Städte haben leere Kassen

160 Milliarden Dollar sollen in den Auf- und Ausbau von Test- und Impfzentren fließen oder an anderer Stelle für die direkte Bekämpfung der Pandemie eingesetzt werden. Biden hat angekündigt, dass in seinen ersten 100 Tagen im Amt mindestens 100 Millionen Menschen geimpft werden sollen. Um das zu erreichen, sollen landesweit in jedem größeren Wohnviertel Impfzentren eingerichtet werden, etwa in Sporthallen, die bei Personalmangel von der Nationalgarde betrieben werden könnten. Zudem sollen im öffentlichen Dienst 100 000 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden, die bei der Verteilung und Verabreichung von Impfdosen helfen. Das bisherige Impfprogramm bezeichnete Biden als großen Misserfolg. Tatsächlich klagen viele Bundesstaaten seit Wochen, sie würden von Trumps Regierung alleingelassen, wüssten nicht, wann wie viele Dosen Impfstoff geliefert würden, sie blieben auf hohen Ausgaben sitzen.

Ein noch größeres Problem haben viele Städte, deren Kassen wegen der Corona-Kosten leer sind und die teils schon damit begonnen haben, Dienste für die Bürger zu streichen und Mitarbeiter zu entlassen. Zusammen mit den Bundesstaaten sollen die Kommunen deshalb 350 Milliarden Dollar an Bundeshilfen erhalten - ein Vorschlag, den Trump und die Republikaner bei den Verhandlungen über ein zweites Hilfspaket im Dezember noch strikt abgelehnt hatten. Ihr Argument: Staatshilfen dürften nicht "in schlecht regierte demokratische Kommunen fließen".

Immerhin: Bidens Pläne für Direktzahlungen, eine Beschleunigung der Impfungen und die Öffnung von Schulen könnte im Kongress durchaus auf breitere Zustimmung stoßen. Dennoch kann von einer grundlegenden Annäherung beider Parteien noch keine Rede sein. Das zeigt etwa die Aussage des republikanischen Abgeordneten Jason Smith, der dem künftigen Präsidenten übertriebenen Staatsinterventionismus vorwarf. Biden habe "kein Covid-Paket vorgeschlagen - er hat eine linksliberale Übernahme der gesamten US-Wirtschaft vorgeschlagen".

Im Februar soll ein zweites Programm folgen, mehr auf die Zukunft ausgerichtet

Die Demokraten verfügen zwar von der kommenden Woche an in beiden Parlamentskammern über knappe Mehrheiten, im Senat bedarf ein Teil der Maßnahmen jedoch der Zustimmung von 60 der insgesamt 100 Mitglieder. In Bidens Übergangsteam wird deshalb auch erwogen, das Paket im Notfall zu splitten: Der weniger strittige Teil könnte mit den Stimmen einiger Republikaner auf normalem Wege in ein Gesetz gegossen werden, die übrigen Maßnahmen sind womöglich über ein im Haushaltsrecht vorgesehenes beschleunigtes Verfahren umsetzbar, für das im Senat nur 51 Stimmen notwendig sind.

Bereits im Februar will Biden ein zweites Programm auflegen, das dann weniger auf Nothilfen und stärker auf Zukunftsinvestitionen setzt. Ziel ist es, die Krise zu nutzen, um den ohnehin notwendigen Umbau der US-Wirtschaft hin zu klimafreundlicheren Produkten und Produktionsweisen voranzutreiben. Zudem sollen Hunderte Milliarden Dollar in die Verbesserung der Gesundheitsversorgung, in Kindergärten, Schulen und Universitäten sowie den Ausbau von Straßen, Schienenwegen und Digitalnetzen fließen. Anders als das jetzige, rein kreditfinanzierte Paket soll das Investitionsprogramm dann auch mit Mehrerlösen aus Steuererhöhungen für reiche Bürger und Großkonzerne bezahlt werden.

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