Süddeutsche Zeitung

Waffenlieferungen:Die USA wollen offenbar 30 Kampfpanzer in die Ukraine schicken

Nachdem europäische Staaten der Ukraine "Leopard"-Panzer überlassen wollen, zieht auch das Weiße Haus mit. Offen ist, wie lange es dauern wird, bis die "Abrams"-Panzer bereitstehen.

Von Fabian Fellmann, Washington

Rund 30 schwere M1-Abrams-Kampfpanzer werden die USA für die Verteidigung der Ukraine bereitstellen. Das bestätigten am Dienstagabend US-Beamte in diversen amerikanischen Medien. Zuvor hatte das Wall Street Journal berichtet, dass das Weiße Haus eine entsprechende Lieferung in Erwägung ziehe.

Die formelle Entscheidung hat Präsident Joe Biden den ungenannten Beamten zufolge noch nicht gefällt. Diese dürfte jedoch demnächst folgen - andernfalls wäre die Information kaum in dieser Form an die Medien durchgedrungen. Möglicherweise wird die Biden-Regierung noch am Mittwoch über die Entscheidung informieren.

Offensichtlich geht das Weiße Haus damit nun im Gleichschritt mit der Bundesregierung vor: Von Bundeskanzler Olaf Scholz wird am Mittwoch eine Erklärung erwartet, wonach Deutschland der Ukraine eine Kompanie schwerer Kampfpanzer des Typs Leopard 2 liefern wird, also rund 14 Stück. Darüber hinaus dürfte die Bundesregierung Ländern wie Polen, Finnland und Schweden den Export von in Deutschland hergestellten Leopard-Panzern erlauben. Polen hat bereits um eine Bewilligung für die Ausfuhr von 14 Panzern ersucht.

Von Spezialtreibstoff ist keine Rede mehr

Biden hatte sich lange dagegen gesträubt, der Ukraine schwere Kampfpanzer zu schicken, während Deutschland dies zur Voraussetzung für die Lieferung der Leopard-Panzer machte. Die diplomatische Verstimmung, die damit einherging, scheint nunmehr ausgeräumt. Die Amerikaner hatten unter anderem geltend gemacht, der Abrams-Panzer, der in den USA als der stärkste der Welt beschrieben wird, sei für die Ukraine nicht geeignet. Hauptargument war dabei jeweils die besondere Antriebsturbine des Abrams, die Flugzeugtreibstoff benötige, sowie die aufwändige Logistikkette, die für Betrieb und Unterhalt des Panzers nötig sei.

Die Auseinandersetzung mit Deutschland sowie der Druck aus dem Kongress, der Ukraine weitere Unterstützung zukommen zu lassen, haben bei Biden nun offenbar zu einem Umdenken geführt. Von Problemen mit Spezialtreibstoff ist keine Rede mehr: Die 1500 PS starke Turbine des Abrams lasse sich durchaus auch mit Diesel betreiben, wusste die New York Times am Dienstag zu berichten.

Weitere Hürden lassen sich nun offenbar ebenfalls überwinden. Unter anderem ist der Abrams mit 70 Tonnen deutlich schwerer als der T-72 sowjetischer Bauart, den die Ukraine bisher benutzte; die meisten Brücken in dem Land hielten dem Gewicht des Abrams nicht stand. Allerdings ist der Abrams laut Militärexperten bereits in sechs anderen Ländern im Einsatz, darunter solche mit schlechterer Infrastruktur als die Ukraine, etwa Ägypten oder Irak.

Bis die US-Panzer geliefert werden, kann es noch dauern

Offen ist indes, wie schnell die amerikanischen Panzer in der Ukraine ankommen werden. Während die Leopard-Panzer ziemlich bald zur Verfügung stehen könnten, sind für die M1 Abrams möglicherweise mehrere Jahre nötig, wie die New York Times mit Verweis auf ungenannte Beamte schreibt.

Die US-Verbände halten zwar 3500 Abrams auf Lager. Die Lieferung an die Ukraine soll jedoch nicht aus diesen Beständen kommen. Vielmehr würden sie mit dem sogenannten Ukraine Security Assistance Program finanziert, berichtete Politico. Das Programm stellt der US-Regierung finanzielle Mittel zur Verfügung, um direkt bei Rüstungsfirmen Bestellungen für die Ukraine zu tätigen.

Wie schnell die einzige Produktionsstätte für Abrams-Panzer in Lima, Ohio, die Fahrzeuge liefern kann, ist offen. Erst im vergangenen Jahr hatte das Pentagon seine eigenen Bestellungen bei General Dynamics zurückgeschraubt; dafür erhielt Polen erst vor einem Monat grünes Licht für den Kauf von 116 Abrams der neusten Ausführung M1A2 SEPv3. Bisher ist nicht klar, welche Version des seit 1978 produzierten Panzers für die Ukraine vorgesehen ist.

Bei US-Politikern lösten die anstehenden Entscheidungen der Bundesregierung und des Weißen Hauses mehrheitlich positive Reaktionen aus. Ein Abgeordneter der Demokraten, Seth Moulton aus Massachusetts, begrüßte die Entwicklung als "gut". Wohl hätten die westlichen Verbündeten viel rascher handeln sollen, weil die Ukraine Panzer benötige. "Aber wir können die verlorene Zeit wettmachen, wenn wir unsere Pläne jetzt möglichst schnell durchziehen und die Ukrainer so bald wie möglich ausbilden."

Tucker Carlson ruft nach Kampfpanzern an den US-Grenzen

Auch Lindsey Graham, der sonst auf Trump-Kurs politisierende Senator aus South Carolina, begrüßte die anstehenden Lieferungen. "Mit den Panzern hat die Ukraine gute Chancen, Russland auf dem Schlachtfeld zu schlagen und aus der Ukraine zu werfen", sagte Graham, der erst am Wochenende in die Ukraine gereist war. Vom rechten Fernsehsender Fox News wurde Graham indes umgehend zerrissen.

"Keine Panzer an unseren Grenzen, dafür Panzer an den Grenzen der Ukraine. Die müssen sich keine Sorgen machen", sagte Talkhost Tucker Carlson und mahnte sein Publikum, dass es für die Kosten aufkommen müsse: "Lindsey Graham will, dass Sie diesen Krieg zahlen." Die Ukrainer könnten die Panzer gar nicht bedienen und warten, sie seien dafür auf die Hilfe von Amerikanern angewiesen, weshalb Amerikaner in diesem Krieg sterben würden, behauptete Carlson.

Einige Republikaner stürzten sich überdies auf Nachrichten aus Kiew, wonach Präsident Wolodimir Selenskij mehrere korrupte Behördenmitarbeiter feuern will. Trump-Unterstützer Matt Gaetz aus Florida etwa versprach auf Twitter, Hilfsgeldern für die Ukraine niemals zuzustimmen. Und Brian Mast drohte, "die Tage der Blankoschecks sind vorbei". Er werde Rechenschaft über jeden Penny verlangen.

Die Mehrheit der US-Abgeordneten kommentierten die Panzerlieferung jedoch gar nicht erst. Sie hatten am Dienstag alle Hände voll mit ganz anderen Ränkespielen zu tun: Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses, verweigerte den Demokraten Adam Schiff und Eric Swalwell ihre Sitze im Geheimdienstausschuss. Damit revanchierte sich McCarthy offenbar dafür, dass die Demokraten in der vergangenen Legislatur die Trump-Freunde Marjorie Taylor Greene und Paul Gosar aus ihren jeweiligen Ausschüssen entfernt hatten.

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