USA:Auf der Suche nach Inspiration

Bernie Sanders Campaigns In SF Bay Area One Day Before California Primary

Bilder aus vergangenen Zeiten: "Fühl den Bern" steht auf den Handgelenken eines Fans des demokratischen Präsidentschaftsanwärters Sanders.

(Foto: Andrew Burton/AFP)

Seit dem Ausscheiden des linken Demokraten Bernie Sanders lässt der US-Wahlkampf die jungen Wähler kalt. Ihre Themen kommen nicht mehr vor.

Von Sacha Batthyany, Washington

Als Barack Obama vor acht Jahren als US-Präsident kandidierte, sah man sie überall. Junge Menschen unter dreißig mit ihren "Yes, we can"-Transparenten, die jubelten und dem damaligen Senator aus Illinois an den Lippen hingen. Tausende haben damals ehrenamtlich für Obama gearbeitet. Sie wollten mithelfen, Geschichte zu schreiben. Am Ende stimmten 66 Prozent der unter Dreißigjährigen für Obama. Der erste schwarze Präsident in der Geschichte des Landes wurde auf jungen Händen ins Weiße Haus getragen.

Vier Jahre später, 2012, als Obama gegen Mitt Romney antrat, war der Jubel verhaltener, eine Ernüchterung machte sich breit. Die Wahlbeteiligung bei jungen Wählern sank, doch Obama konnte noch immer auf sie zählen und gewann in wichtigen Swing States bis zu 70 Prozent ihrer Stimmen.

Im aktuellen Wahlkampf ist bekanntlich alles anders. Der linke Demokrat Bernie Sanders löste wie einst Obama Begeisterung aus, und versetzte Hunderttausende der 18- bis 34-jährigen Wähler, die sogenannten Millennials, ins Bernie-Fieber. Die Bilder des jugendlichen Publikums, das sich um den 75-jährigen Senator aus Vermont scharte, erinnerten an 2008. Doch seitdem Sanders gegen Clinton verloren hat, scheint es, als seien die Millennials verschwunden.

Auf die Frage, was sie sich von einem Präsidenten erhoffen, antwortete der Großteil der unter Dreißigjährigen in einer Umfrage des Pew-Institutes: Inspiration. Sieht man sich an, worüber Clinton und Trump in der zweiten Fernsehdebatte diskutierten, kann man gut verstehen, wieso sie beiden Kandidaten den Rücken zukehren. Die erste Hälfte des TV-Duells drehte sich um die sexuellen Übergriffe von Donald Trump und Bill Clinton, zweier älterer Männer. Die Affäre um Monica Lewinsky geschah 1995, da waren die jüngeren Millennials noch nicht einmal geboren. In der zweiten Hälfte der Debatte wurde über Clintons Nähe zur Wallstreet diskutiert, kein Thema, mit dem man Jugendliche zum Träumen bringt. Trump wiederum sprach davon, die Kohleindustrie retten zu wollen. Kohle! In den Ohren der Millennials muss das klingen wie das Wort Pferdekutsche für die Generation der Babyboomer.

Dass zum ersten Mal eine Frau ins Weiße Haus ziehen könnte, spielt für die Jungen keine Rolle

Donald Trump ist 70 Jahre alt, Clinton 68. Die beiden waren Kinder, als Richard Nixon und John F. Kennedy im ersten Fernsehduell der Geschichte aufeinander trafen. Auch die Wahlkampfmanager beider Kandidaten sind nicht gerade das, was man jugendlich nennt. Clintons rechte Hand, John Podesta, dessen E-Mails gehackt wurden und von Wikileaks gerade veröffentlicht werden, ist 67. Roger Ailes, der Trump helfen soll, Clinton zu schwächen, ist 77. Ailes hat eine lange Karriere in den Medien hinter sich, er hat den rechtskonservativen Sender Fox News gegründet, musste aber in diesem Sommer zurücktreten, weil es hieß, er habe seine Moderatorinnen sexuell belästigt - auch er. Inspiration sieht wahrlich anders aus.

Für die Themen, für die sich amerikanische Millennials gemäß Umfragen interessieren, Umweltschutz, Studiengebühren, Mutterschaft, Abtreibung, war in diesem Wahlkampf wenig Platz. Die Washington Post spricht bereits von einer "Müdigkeit " der Millennials, weil sie nicht wüssten, wem sie ihre Stimme geben sollen - und deshalb am Wahltag lieber auf der Couch liegen blieben. Vor allem Donald Trump hat miserable Umfragewerte. Etwa 60 Prozent der Millennials sagen, er sei unqualifiziert als Präsident.

Den Republikanern fiel es in der Vergangenheit immer schwer, junge Wähler für sich zu gewinnen. Trumps Werte aber sind im Vergleich zu Romney 2012 noch einmal in den Keller gesackt. "Dabei sind Millennials keine heterogene Gruppe, die alles, was als liberal und progressiv gilt, blind unterstützt", sagt die Politikprofessorin Heather Yates. Im Gegenteil. Sie seien sehr kritisch, so Yates, und fordern von Politikern "Transparenz und eine gewisse Geradlinigkeit", nicht gerade Tugenden, für die Clinton und Trump besonders bekannt sind. In der Frage Waffenbesitz versus mehr Waffenkontrolle seien Millennials ebenso gespalten wie bei Abtreibung. "Für konservative Politiker gibt es bei jungen Menschen durchaus Möglichkeiten, anzudocken", sagt Yates, "nur wurde das oft sträflich vernachlässigt."

Clinton ist etwas populärer als Trump, aber im Vergleich zu Obama sind ihre Umfragewerte geradezu miserabel. Regelmäßig kommt sie kaum über 30 Prozent Zustimmung hinaus, auch wenn sie alles tut, um die Gunst junger Wähler zu gewinnen. So erzählte sie in jüngster Zeit viel über ihre Zeit als Aktivistin während des Vietnamkriegs und rief den Studenten der Universität in Philadelphia zu: "Ich brauche euch. Nicht nur, um die Wahl zu gewinnen. Sondern um das Land zu verändern." Am 8. November zu Hause zu bleiben und aus Faulheit nicht abzustimmen, sagte sie, "spielt Donald Trump in die Hände".

Dass Hillary Clinton die erste Präsidentin des Landes werden könnte, spielt bei jüngeren Wählern offenbar keine große Rolle. Anders als bei Barack Obama 2008, wird die Wahl nicht als historisch angesehen, was doch überrascht. Die allermeisten fänden zwar gut, wenn eine Frau das Land anführe, heißt es in einer CNN-Umfrage, aber es müsse ja nicht unbedingt Clinton sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: