USA:Auf Amerikas Farmen geht die Angst um

USA: Latino-Arbeiter auf US-Feldern: Sie arbeiten für weniger Geld als amerikanische Arbeitskräfte.

Latino-Arbeiter auf US-Feldern: Sie arbeiten für weniger Geld als amerikanische Arbeitskräfte.

(Foto: AFP)
  • Etwa 11,1 Millionen illegale Einwanderer leben in den USA.
  • Viele Betriebe, etwa in der Landwirtschaft, sind auf ihre Arbeitskraft angewiesen.
  • Wegen Trump fürchten viele Einwanderer nun, abgeschoben zu werden.

Von Beate Wild, New Orleans

Es könnte sie überall erwischen - am Arbeitsplatz, im Supermarkt oder an jeder beliebigen Straßenkreuzung: Illegale Migranten in den USA leben derzeit in großer Angst vor Abschiebung. Die Sorge: Auf einmal könnte vor ihnen ein Mitarbeiter der US-Einwanderungsbehörde (ICE) stehen und ihr persönlicher amerikanischer Traum wäre auf einmal aus und vorbei. "Viele verlassen nicht mehr ihre Häuser, weil sie panische Angst davor haben, abgeschoben zu werden", sagt Paola Calva von der Organisation Florida Immigrant.

Verstecken sich die Migranten vor den Behörden?

Ja, in Städten und Gegenden mit vielen Einwanderern ist das deutlich zu spüren. Viele erscheinen nicht mehr regelmäßig zur Arbeit, lassen Arzttermine ausfallen, gehen nicht mehr ins Restaurant. "Selbst die Kinder zur Schule zu bringen, ist für viele ein zu großes Risiko", erzählt Calva. In einigen Gemeinden in Florida hätten die Klassenzimmer seit neuestem viele leere Stühle.

In Texas ist ähnliches zu beobachten. "Seit den Razzien vor zwei Wochen ziehen sich die Menschen zurück. In Austin gibt es etwa Flohmärkte, die normalerweise stark von Migranten frequentiert werden, die sind zur Zeit wie leer gefegt", sagt Bob Libal von der Grassroot Leadership Organisation in Austin.

Warum herrscht gerade in Florida so große Angst?

Vor allem in Zentral- und Südflorida, wo viele undokumentierte Einwanderer als Erntehelfer auf den Feldern der großen Gemüsefarmen arbeiten, ist die Nervosität enorm. "Sie fühlen sich nicht mehr sicher, selbst die mit Aufenthaltsgenehmigung", sagt Calva. Sie befürchten, dass die Beamten der Einwanderungsbehörde verstärkt in Gebieten Ausschau halten, von denen bekannt ist, dass dort viele Illegale leben und arbeiten.

Was hat den Aufruhr verursacht?

Donald Trump hat seinen Wählern versprochen, Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, aufzuspüren und abzuschieben. Bei Razzien Mitte Februar wurden 680 Undokumentierte aufgegriffen - darunter jedoch plötzlich auch Einwanderer, die bislang nicht kriminell auffällig waren. Unter US-Präsident Obama wurden mehr als zwei Millionen Menschen abgeschoben; der Fokus lag jedoch stärker auf Einwanderern, die Straftaten begangen hatten. Unter Trump könnte möglicherweise eine Ordnungswidrigkeit ausreichen.

Einwanderer sowie Hilfsorganisationen befürchten, dass diese Razzien erst der Anfang waren. Laut Washington Post hat die Einwanderungsbehörde in diesem Jahr bereits mehr als 42 000 Haftbefehle ausgestellt, das sind 35 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Was sagen die Bauern zu den Razzien?

Die Farmer sind auf die Einwanderer als billige Erntehelfer angewiesen. Seit Jahren kämpfen deshalb Lobby-Gruppen der Bauern für eine Lockerung der Restriktionen für ausländische Landarbeiter. Dass die Migranten den amerikanischen Arbeitern Jobs wegnehmen, wie die Trump-Regierung stets behauptet, streiten die Farmer vehement ab. Ein Großbauer aus Florida sagte der Washington Post, dass US-Bürger zur harten Arbeit auf den Feldern nicht bereit seien - obwohl dort auch Stundenlöhne von 15 oder 20 Dollar möglich seien.

Hätten Abschiebungen konkrete Folgen?

Alleine auf den US-Milchfarmen sind die Hälfte der Arbeiter Einwanderer, wie eine Umfrage der Texas A&M Agrilife Research unter US-Milchbetrieben herausgefunden hat. Würden die Betriebe durch eine große Abschiebewelle die illegalen Arbeiter verlieren, könnte Schätzungen zufolge der Milchpreis um bis zu 90 Prozent steigen. Es ist davon auszugehen, dass sich auch bei Gemüse und Obst die Preise deutlich erhöhen würden.

Auf die Abschiebung vorbereiten

Wo leben die meisten illegalen Einwanderer?

Laut Schätzungen des Pew Research Centers aus dem Jahr 2014 leben fast zwei Drittel der 11,1 Millionen Migranten in Kalifornien, Texas, Florida, New Jersey, New York und Illinois.

Die beiden Städte mit den meisten Illegalen sind New York City mit 1,15 Millionen, dicht gefolgt von Los Angeles mit einer Million. Danach kommen die Ballungsräume um die Städte Houston mit 575 000, Dallas mit 475 000, Miami mit 450 000, Chicago mit 425 000 und sowie der Großraum rund um die US-Hauptstadt Washington mit 400 000.

Wie sollen sich die Einwanderer verhalten?

"Was soll ich tun, wenn mich die Polizei aufhält? Muss ich mich ausweisen? Muss ich die Tür öffnen? Die Migranten haben im Moment viele Fragen", sagt Libal. Deshalb bietet seine Organisation sowie viele andere seit einigen Wochen verstärkt Kurse an, bei denen sie die Einwanderer über ihre Rechte aufklären und ihnen für den Ernstfall Verhaltensregeln ans Herz legen. Eine Hauptregel ist: Man muss nicht mit dem Beamten sprechen und kann sofort seinen Anwalt verlangen. Auch die Haustür muss man nicht öffnen, wenn die Migrationsbehörede anklopft. Die Nachfrage nach den Kursen ist in Gegenden mit vielen Illegalen enorm.

Bereiten sich Illegale auf eine mögliche Abschiebung vor?

"Es ist leider schon öfter passiert, dass Kinder nach Hause kamen und die Eltern waren weg. Man muss auf das Schlimmste vorbereitet sein", sagt Calva. Viele Eltern ohne Papiere überlegen deshalb, wer das Sorgerecht für ihre Kinder übernehmen könnte, sollten sie abgeschoben werden und treffen entsprechende Maßnahmen.

In der katholischen Kirche St. Clement in Plant City, Florida, hat sogar das mexikanische Konsulat ein paar Vertreter abgestellt. Wenn die mexikanischen Einwanderer hier sonntags zur Kirche kommen, können sie sich beraten lassen, wie ihre in den Vereinigten Staaten geborenen Kinder, die von Geburt an US-Bürger sind, an mexikanische Pässe kommen. Sollten die Eltern abgeschoben werden, können die Kinder ihnen nach Mexiko folgen, wenn sie die doppelte Staatsbürgerschaft haben.

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