USA: Alarmierender Bericht:Land der begrenzten Mahlzeiten

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Amerika leidet Hunger: Knapp 50 Millionen US-Bürger können sich nicht ausreichend ernähren - es fehlt an Geld. Besserung ist nicht in Sicht.

M. König

"Es gibt keine Hungernden in Amerika, es gibt lediglich Menschen, die nicht wissen, wo sie Hilfe bekommen." So sah es US-Präsident Ronald Reagan Mitte der achtziger Jahre, und ganz verschwunden ist diese Sichtweise noch nicht: In dem neuen Bericht des US-Landwirtschaftministeriums ist von "unsicherer Ernährungsversorgung" und "sehr unsicherer Ernährungsversorgung" die Rede. Das Wort "Hunger" wird nicht genannt.

Leere im Regal einer öffentlichen Lebensmittelausgabe in Connecticut: Knapp 50 Millionen US-Bürger hatten im vergangenen Jahr Schwierigkeiten, sich ausreichend zu ernähren. (Foto: Foto: AFP)

Dabei ist die Zahl derer, deren Magen knurrt, im Jahr 2008 auf einen neuen Rekordstand angestiegen: Knapp 50 Millionen US-Bürger hatten im vergangenen Jahr Schwierigkeiten, sich ausreichend zu ernähren, so die Experten des US-Landwirtschaftsministeriums.

Seit 14 Jahren lässt die US-Regierung die Ernährung ihrer Bürger untersuchen, doch so dramatisch wie 2008 war die Situation noch nie. In knapp 15 Prozent aller US-Haushalte sei eine angemessene Verpflegung nicht sichergestellt, heißt es in der Studie. Das sind fast vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

Mahlzeiten müssen ausfallen

55 Prozent dieser Haushalte gaben an, im vergangenen Monat staatliche Ernährungsprogramme wie Lebensmittelgutscheine in Anspruch genommen zu haben. Ein Fünftel bediente sich im Laufe des Jahres bei öffentlichen Lebensmittelausgaben, knapp drei Prozent suchten öffentliche Suppenküchen auf.

In einem Drittel der betroffenen Haushalte ist so wenig Geld für Essen vorhanden, dass notgedrungen kleinere Portionen auf den Tisch kommen - oder Mahlzeiten komplett ausfallen müssen. Erwachsene gaben zu Protokoll, sie hätten im vergangenen Jahr in mehr als drei Monaten einen oder mehrere Tage gehungert, weil sie kein Geld für Essen hatten.

Auch Kinder sind betroffen: In gut 500.000 Haushalten konnte ihre ausreichende Ernährung nicht sichergestellt werden. Das sind knapp 200.000 Haushalte mehr als im Vorjahr. Präsident Barack Obama hatte angekündigt, die Kinderarmut in den USA bis 2015 auszumerzen.

"Weckruf für die Nation"

Landwirtschaftsminister Tom Vilsack machte die Weltwirtschaftskrise für den Anstieg verantwortlich und nannte das Ergebnis der Studie einen "Weckruf für die Nation". Obama ließ auf seiner Asienreise verlauten, die Zahlen seien "besorgniserregend".

Analysten gehen davon aus, dass sich die Lage 2009 noch verschlimmert haben könnte. Sie sehen einen Zusammenhang mit der Arbeitslosenquote, die im Vorjahr bei 7,2 Prozent lag und derzeit mit 10,2 Prozent angegeben wird.

Das konservative Lager äußerte indes Zweifel an der Methode der Untersuchung, weil die Teilnehmer der Studie unter anderem gefragt wurden, ob sie sich Sorgen gemacht hätten, mit ihrem Geld genügend Lebensmittel kaufen zu können. Und ob sie in der Lage waren, ihren Kindern eine "ausgewogene" Ernährung zu finanzieren.

"Weit entfernt von einer Hungerkrise"

"Sehr wenige dieser Menschen sind wirklich hungrig", sagte Robert Rector, Analyst der konservativen Heritage-Stiftung, der New York Times. "Wenn sie ihre Jobs verlieren, schränken sie sich in der Wahl der Lebensmittel ein. Das ist bedauernswert, aber weit entfernt von einer Hungerkrise."

Landwirtschaftsminister Vilsack sieht das naturgemäß anders: "Der Bericht deutet darauf hin, dass es für Amerika Zeit wird, sich mit Ernährungssicherheit ernsthaft zu beschäftigen." Und Präsident Obama widersprach indirekt sogar Reagan, der einst behauptet hatte, es gebe keinen Hunger in Amerika: "Die Zahl der Hungerleidenden ist im vergangenen Jahr signifikant angestiegen", sagte der US-Präsident. Er nimmt das Wort in den Mund.

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