Reaktionen auf das Urteil:"Heute ist ein wirklich düsterer Tag für die Frauen in den USA"

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Die US-amerikanische Singer-Songwriterin Billie Eilish äußerte sich beim Glastonbury Music Festival zum Urteil des Supreme Courts. (Foto: Kate Green/Getty Images)

Zahlreiche Prominente zeigen sich erschüttert über das Anti-Abtreibungs-Urteil des Obersten Gerichtshofes in den USA. Die Republikaner und andere Abtreibungsgegner hingegen feiern die Entscheidung.

Gut zwei Stunden war die historische Entscheidung des Supreme Courts gegen das liberale Abtreibungsrecht erst alt, da sagte ihr der Präsident der USA bereits den Kampf an. Das Urteil sei "die Verwirklichung einer extremen Ideologie" und "ein tragischer Fehler des Obersten Gerichtshofs", sagte Joe Biden. "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diesen zutiefst unamerikanischen Angriff zu bekämpfen." Der US-Kongress müsse jetzt handeln, um in der Sache das letzte Wort zu haben. "Es ist nicht vorbei", gab sich Biden kämpferisch. Vor dem Gerichtsgebäude in Washington kam es zu Protesten, dort hatten sich schon vor der Entscheidung Gegner und Befürworter versammelt.

Bidens Partei, die Demokraten, wollen das Abtreibungsrecht nun offenbar zum Thema im Kongress-Wahlkampf machen - zumindest sagt das die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Die Beschränkung von Abtreibung sei erst der Anfang, warnte sie am Freitag. "Das ist todernst." Im November stehe das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, auf dem Wahlzettel. Das Urteil nämlich sei "empörend und herzzerreißend" und ein "Schlag ins Gesicht für Frauen". Der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, schrieb auf Twitter: "Heute ist einer der dunkelsten Tage, die unser Land je gesehen hat." Amerikanischen Frauen sei ihr Grundrecht auf Abtreibung von Trump-nahen Richtern "gestohlen" worden.

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Prominente nutzten den Kurznachrichtendienst ebenfalls, um ihren Unmut über das Urteil auszudrücken. "Es ist wirklich unergründlich und entmutigend, meiner 11-jährigen Tochter erklären zu müssen, warum wir in einer Welt leben, in der die Rechte der Frau vor unseren Augen zerfallen", schrieb zum Beispiel die Sängerin Mariah Carey. "Ich bin absolut geschockt, dass wir hier sind", postete Kollegin Taylor Swift. "Dass nach so vielen Jahrzehnten, in denen Menschen für das Recht der Frauen auf ihren eigenen Körper gekämpft haben, die heutige Entscheidung uns dessen beraubt hat." Die Schauspielerin Viola Davis rief via Twitter zum Protest auf: "Jetzt müssen wir mehr denn je unsere Stimme und Macht einsetzen! Wir die Leute......"

Michelle Obama spricht von einem Weckruf für junge Menschen

Ex-Präsident Barack Obama rief ebenfalls zum Widerstand auf: "Heute hat der Oberste Gerichtshof nicht nur fast 50 Jahre Präzedenzfälle rückgängig gemacht, er hat die persönlichste Entscheidung, die jemand treffen kann, den Launen von Politikern und Ideologen überlassen - und die grundlegenden Freiheiten von Millionen von Amerikanern angegriffen", schrieb er bei Twitter. Und er forderte dazu auf, zu protestieren und sich in Pro-Abtreibungs-Initiativen zu engagieren. Seine Frau Michelle Obama schrieb: "Ich bin untröstlich für die Menschen in diesem Land, die gerade das Grundrecht verloren haben, fundierte Entscheidungen über ihren eigenen Körper zu treffen." Der Richterspruch müsse ein Weckruf vor allem für junge Menschen sein.

Auch bei öffentlichen Auftritten zeigten sich Prominente erschüttert. Die US-amerikanische Singer-Songwriterin Billie Eilish sagte beim Glastonbury Music Festival: "Heute ist ein wirklich düsterer Tag für die Frauen in den USA. Ich sage es nur, weil ich es in diesem Moment nicht mehr aushalte, daran zu denken." Tief betroffen zeigte sich die Kapitänin Frauennationalmannschaft der USA, Megan Rapinoe. Vor dem Spiel der US-Frauen gegen Kolumbien hielt sie eine emotionale Rede über das Urteil des Supreme Courts und nannte es "traurig und grausam".

Gemeinsam mit den vielen Gruppen von Abtreibungsgegnern in den USA bejubelten hingegen die Republikaner das Urteil: "Wir begrüßen diese historische Entscheidung, die unzählige unschuldige Leben retten wird", schrieben ihre führenden Kongress-Vertreter Kevin McCarthy, Steve Scalise und Elise Stefanik. Der republikanische Ex-Präsident Donald Trump schrieb, die Entscheidung sei nur möglich gewesen, weil er drei konservative Richter an das Oberste Gericht berufen habe. "Es war mir eine große Ehre, das zu tun." Trotz der "radikalen Linken" bestehe noch Hoffnung, das Land zu retten. Trump hatte während seiner Amtszeit die Richter Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett ernannt. Damit verschob er die Mehrheit im Gericht deutlich nach rechts: auf sechs der neun Sitze.

Die katholische Bischofskonferenz begrüßt die Entscheidung

Auch die katholische Bischofskonferenz der USA zeigte sich erfreut: Seit fast 50 Jahren gelte in Amerika ein "ungerechtes Gesetz", das es einigen ermöglichte zu entscheiden, "ob andere leben oder sterben können"; diese Politik habe zum Tod von zig Millionen Ungeborenen geführt. Generationen sei das Recht verweigert worden, überhaupt geboren zu werden, heißt es in einer Erklärung. "Wir danken Gott heute, dass das Gericht diese Entscheidung nun aufgehoben hat." Und man bete dafür, dass die gewählten Amtsträger nun Gesetze und Richtlinien erlassen, "die die Schwächsten unter uns fördern und schützen".

Während die Abtreibungsgegner von " National Right to Life" das Urteil als "großartig für noch nicht geborene Kinder und ihre Mütter" feierten, verurteilten Menschenrechtsorganisationen es: "Der Zugang zu Abtreibung ist entscheidend, um fundamentale Menschenrechte zu gewährleisten, inklusive des Rechts auf Leben und persönlicher Sicherheit, Privatsphäre, Nicht-Diskriminierung und die Freiheit von grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung", erklärte Human Rights Watch. Alle diese Rechte würden in internationalen Vereinbarungen anerkannt, die die USA ratifiziert haben. Amnesty International nannte das Urteil einen düsteren Meilenstein in der Geschichte der USA.

Auch international schlug es Wellen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) zeigte sich "fassungslos": "Ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen sorgt erwiesenermaßen nicht für weniger Abbrüche, es sorgt für eine Gefährdung der Schwangeren, denn ihnen wird ein sicherer und medizinisch begleiteter Abbruch verwehrt."

Kanadas liberaler Premier Justin Trudeau schrieb auf Twitter: "Keine Regierung, kein Politiker oder Mann sollte einer Frau sagen, was sie mit ihrem Körper machen kann und was nicht". Die Nachrichten aus dem Nachbarland USA seien "erschreckend". Der britische Premierminister Boris Johnson nannte die Entscheidung einen "großen Rückschritt". Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen wies darauf hin: "Daten zeigen, dass die Einschränkung des Zugangs zur Abtreibung die Menschen nicht davon abhält, eine Abtreibung durchzuführen - sie macht sie nur tödlicher."

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