USA: 9/11-Prozesse:Guantanamo statt Manhattan

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Khalid Scheich Mohammed und seine Helfer müssen doch vors Militärtribunal: Die Republikaner verhindern Barack Obamas Vorhaben, die mutmaßlichen 9/11-Drahtzieher in New York vor Gericht zu stellen.

Reymer Klüver, Washington

Die Absicht der US-Regierung, den mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001, Khalid Scheich Mohammed, und vier seiner Helfer nun doch nicht vor ein ziviles Schwurgericht in New York zu stellen, sondern vor ein Militärtribunal im Internierungslager in Guantanamo, hat heftige Kontroversen in Washington ausgelöst. Die Republikaner werteten die am Montag von Justizminister Eric Holder verkündete Entscheidung als späte Bestätigung der Anti-Terror-Politik von Präsident George W. Bush. Menschenrechtsorganisationen dagegen kritisierten den Entschluss, der nur mit ausdrücklicher Billigung durch Präsident Barack Obama gefallen sein dürfte, als "verheerend für den Rechtsstaat".

Khalid Scheich Mohammed nach seiner Festnahme in Pakistan 2003. Die USA verdächtigen ihn, hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 zu stecken. Er wird sich vor einem Militärtribunal im Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba verantworten müssen. (Foto: dpa)

Justizminister Holder selbst bedauerte den Schritt, sagte aber, dass er sich durch den Kongress dazu gezwungen sehe. Holder hatte Ende 2009 zunächst verkündet, dass den mutmaßlichen Verschwörern in Manhattan der Prozess gemacht werden solle, unweit der Anschlagsstätte Ground Zero.

Tatsächlich hatte sich binnen Wochen nach Holders Ankündigung eine gewaltige Welle des Widerstands aufgebaut. Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg und sein Polizeichef Raymond Kelly, die der Idee zunächst aufgeschlossen gegenübergestanden hatten, zogen daraufhin ihre Zustimmung wieder zurück. Sie führten Sicherheitsbedenken und enorme Kosten für den Schutz des Mammutverfahrens als wichtigste Argumente an. Von mehr als 200 Millionen Dollar pro Jahr war die Rede.

Tatsächlich aber hatten Republikaner im Kongress den Widerstand aus prinzipiellen Erwägungen organisiert. Sie wollten die von Bush eingeführte Klassifizierung der Gefangenen von Guantanamo als feindliche Kämpfer erhalten und somit deren mögliche Verurteilung als Kriegsverbrecher durch ein Militärtribunal. Obama hatte ursprünglich diese Sondergerichte abschaffen wollen und die mutmaßlichen Terroristen als normale Kriminelle vor ein ziviles Strafgericht stellen wollen.

Demokratische Abgeordnete und Senatoren, unter ihnen der prominente New Yorker Senator Charles Schumer, waren den Republikanern zu Hilfe gekommen und stimmten für eine Streichung der Gelder für die Verlegung der Gefangenen aus dem Internierungslager Guantanamo auf das US-Festland - was einen Prozess in Manhattan praktisch unmöglich machte. Holder sagte am Montag, er sei nach wie vor der Meinung, dass ein Verfahren dort der bessere Weg sei. Doch die "unklugen und ungerechtfertigten Auflagen" des Kongresses ließen ihm keine andere Wahl.

Die Entscheidung beendet indes nicht nur Bemühungen Holders, die prominentesten Gefangenen von Guantanamo vor ein ziviles Strafgericht zu stellen. Tatsächlich bedeutet sie auch das Ende der Bestrebungen der Obama-Regierung, das Lager in Guantanamo zu schließen. Es dürfte nun noch für Jahre bestehen bleiben. Obama selbst hatte an seinem zweiten Tag im Weißen Haus ein Dekret mit der Anordnung unterzeichnet, das Lager binnen Jahresfrist zu schließen. Die Frist war ohne Ergebnis verstrichen.

Offiziell ist Obama aber nicht von seinem Versprechen abgerückt. Indes hatte er in den vergangenen Monaten Prozesse vor den Militärtribunalen wieder zugelassen, allerdings mit neuen Verfahrensregeln, die den Angeklagten deutlich mehr Rechte gewähren als bisher.

"Gute Nachricht für die Angehörigen der Opfer von 9/11"

Die Republikaner begrüßten die Entscheidung, kritisierten Justizminister Holder und das Weiße Haus aber dafür, damit so lange gezögert zu haben. Die Kurskorrektur sei überfällig, sagte der Vorsitzende des Heimatschutzausschusses im Kongress, Peter King. "Aber es ist eine gute Nachricht für die Angehörigen der Opfer von 9/11, die endlich auf lang erwartete Gerechtigkeit" hoffen könnten. Der Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation Aclu, Anthony Romero, bezeichnete die Militärverfahren als "unglaubwürdig", den zu erwartenden Urteilen werde es an Legitimität fehlen.

Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Anklage in dem Verfahren, dessen Beteiligte ausschließlich aus Angehörigen der US-Streitkräfte bestehen, die Todesstrafe für die Angeklagten fordern werden. Khalid Scheich Mohammed und seine mutmaßlichen Mittäter Ramsi bin al-Shibh, Walid Muhammad Salih bin Attash, Ali Abdul-Asis Ali und Mustafa Ahmed al-Hawsawi waren ursprünglich bereits am Ende der Amtszeit Bushs vor einem Militärtribunal angeklagt worden. Die Verfahren waren aber von Präsident Obama unmittelbar nach seinem Amtsantritt ausgesetzt worden.

Alle fünf hatten angekündigt, sich schuldig bekennen zu wollen - offenkundig, um so möglichst schnell zum Tode verurteilt und zum Märtyrer für die Sache der Islamisten zu werden. Allerdings bestanden damals juristische Zweifel, ob die Todesstrafe nach einem Schuldbekenntnis ohne Verfahren überhaupt verhängt werden kann.

© SZ vom 06.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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