USA:24 Millionen Amerikaner könnten ihre Krankenversicherung verlieren

Paul Ryan

Paul Ryan, Sprecher der Repräsentantenhauses, bei der Präsentation der Krankenversicherungspläne der Republikaner.

(Foto: AP)
  • Der US-Rechnungshof hat Schätzungen zur geplanten Krankenversicherungsreform der Republikaner vorgelegt.
  • Demnach würden bereits 2018 etwa 14 Millionen Amerikaner ihre Versicherung verlieren.
  • Bis zum Jahr 2026 wären demnach 24 Millionen nicht krankenversichert.
  • Der Staat würde dafür in den kommenden zehn Jahren insgesamt 337 Milliarden Dollar (316 Milliarden Euro) einsparen.
  • Amerikaner mit mehr als 200 000 Dollar Einkommen erhalten Steuersenkungen.

Von Beate Wild, New Orleans

Wenn die Pläne der Republikaner Wirklichkeit werden, könnten 24 Millionen Amerikaner bis zum Jahr 2026 ihre Krankenversicherung verlieren. Bereits im kommenden Jahr würde die Zahl der Unversicherten um 14 Millionen Menschen steigen, sollte Obamas Krankenversicherung wie geplant abgewickelt werden.

Die Berechnung stammt vom parteiunabhängigen Kongress-Rechnungshof (CBO), der am Montag ein mit Spannung erwartetes Gutachten vorlegte. Die Experten stellten eine Modellrechnung vor, die einen direkten Vergleich zwischen "Obamacare" und "Trumpcare" erlaubt. Demnach wären im Jahr 2026 nach dem Vorschlag der Republikaner im Repräsentantenhaus insgesamt 52 Millionen US-Bürger unversichert, mit Obamas Versicherungsmodell wären es nur 28 Millionen.

Die Reform der Republikaner würde allerdings den Haushalt entlasten: Das staatliche Defizit könnte nach den Berechnungen des CBO in den kommenden zehn Jahren um 337 Milliarden US-Dollar (316 Milliarden Euro) reduziert werden.

Nach dem neuen Entwurf würden die Versicherungsprämien im ersten Jahr um 15 bis 20 Prozent höher ausfallen als mit Obamacare, dafür könnte man nach dem Jahr 2026 mit einer Senkung um zehn Prozent rechnen. Der Bericht sagt außerdem, dass ältere Amerikaner "substanziell" mehr zahlen müssten und jüngere dafür weniger.

Abschaffung der Versicherungspflicht

Ein zentraler Aspekt des Vorschlags ist die Abschaffung der flächendeckenden Versicherungspflicht. Bürger, die sich nicht versichern, sollen künftig nicht mehr mit Strafsteuern belegt werden. Gleichzeitig wollen die Republikaner die staatlichen Zuschüsse kürzen. Hiervon betroffen wäre unter anderem Medicaid, der Fürsorgeplan für ältere Menschen, Bedürftige, Kinder und Behinderte, über den bislang insgesamt 75 Millionen Amerikaner krankenversichert sind.

Ärmere Bundesstaaten bekommen nach dem Medicaid-System von Obama höhere Zuschüsse, um ihre Bürger genauso gut versorgen zu können wie reiche Bundesstaaten - sie konnten dadurch die Gesundheitsversorgung oft ausbauen. Die Republikaner wollen diesen Finanzausgleich jedoch spätestens 2020 streichen und an alle Bundesstaaten nur noch den gleichen Pauschalbetrag überweisen.

Ärmere Staaten wie Mississippi oder Missouri wären gezwungen, die Versorgung ihrer Alten, Armen und Behinderten stark einzuschränken. Zugleich müssen US-Bürger mit einem Jahreseinkommen von 200 000 US-Dollar nicht mehr die 3,8-Prozent-Steuer auf Investitionsgewinne bezahlen, über die "Obamacare" mitfinanziert wurde.

Moderate Republikaner sind auch besorgt

Die Demokraten sehen sich in ihrer Kritik bestätigt. Unter anderem äußerte sich Chuck Schumer, der Minority Leader - Minderheitsführer - der Demokraten im Senat, via Twitter: Der Rechnungshof-Report beweise, wie leer die Versprechungen von Präsident Trump seien, dass jeder Amerikaner krankenversichert werde und die Kosten sinken würden.

Die Berechnungen bewiesen, dass vor allem ältere Menschen mehr für eine Krankenversorgung bezahlen müssten. Im Wahlkampf hatte Trump noch eine "Krankenversicherung für alle" versprochen und war auch wegen solcher Aussagen von vielen Amerikanern gewählt worden.

Doch auch moderate Republikaner im US-Senat, die sich teilweise für einen Erhalt großer Teile von Obamacare ausgesprochen hatten, äußern sich besorgt. "Diese Schätzungen werden eine Überarbeitung des Entwurfs zur Folge haben, das ist so gut wie sicher", sagte etwa die republikanische Senatorin Susan Collins aus Maine der Washington Post.

Die Stimmen der skeptischen Republikaner werden allerdings benötigt, um den Gesetzentwurf durch die Abstimmungen im Repräsentantenhaus und im Senat zu bekommen. Vor allem im Senat ist die republikanische Mehrheit mit 52 zu 48 Sitzen dünn.

Weißes Haus: Bericht "einfach absurd"

Das Weiße Haus bewertet den Report naturgemäß kritisch. Trumps Finanzchef Mick Mulvaney sagte, dass der Bericht "einfach absurd" sei. Gesundheitsminister Tom Price bezeichnete die Rechnungshof-Kalkulationen als falsch und fügte hinzu: "Wir widersprechen ausdrücklich." Der Nachrichtenseite Politico zufolge rechnet das Weiße Haus allerdings nach internen Berechnungen sogar mit 26 Millionen Unversicherten.

Paul Ryan, Speaker des Repräsentantenhauses und Architekt des Plans, interpretierte die Rechnungshof-Analyse wiederum positiv. Sie beweise, dass mit der neuen Krankenversicherung das Defizit "drastisch" reduziert werde. Das ist eine der Kernforderungen des rechten Flügels von Ryans Fraktion, der bislang ebenfalls noch skeptisch ist und eigentlich eine noch marktradikalere Reform möchte.

Der neue Plan zwinge Leute nicht, eine teure "one-size-fits-all"-Versicherung zu kaufen, sagte Ryan in einer Stellungnahme. "Wenn die Menschen mehr Auswahl haben, gehen die Kosten runter", heißt es dort. Der Bericht zeige das.

Wer die Wahl hat, kann sich sogar gänzlich gegen eine Krankenversicherung entscheiden - was ebenfalls die Zahl der unversicherten Bürger ansteigen ließe, schreiben die Experten des Rechnungshofs.

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