US-Zwischenwahlen:Warum Trump in Pennsylvania eine herbe Niederlage droht

Anti-Trump protesters Continue To Demonstrate Across The Country

Anti-Trump-Plakat in Pennsylvania. Trump wird hier vermutlich eine Niederlage einfahren.

(Foto: AFP)

2016 hat Trump den Demokraten in ihrer Herzkammer Pennsylvania eine schmerzhafte Niederlage bereitet. Jetzt können die Demokraten dort auf einen großen Wahlsieg hoffen.

Von Thorsten Denkler, Washington

Scott Wagner fuchtelt in dem am Freitag veröffentlichten Facebook-Video mit ausgestrecktem Zeigefinger in der Luft herum. Der Republikaner hat eine Botschaft an seinen demokratischen Kontrahenten um das Amt des Gouverneurs von Pennsylvania, Tom Wolf. Der solle sich schon mal einen Gesichtsschutz besorgen. Denn er, Scott, werde bis zum Wahltag mit "Golf Spikes" auf dem Gesicht des amtierenden Gouverneurs herumtrampeln. Er werde Wolf aus dem Amt wählen. Er und viele andere in Pennsylvania. Das mit dem auf dem Gesicht herumtrampeln sei nicht wörtlich zu verstehen, schob sein Kampagnensprecher sicherheitshalber hinterher.

Nun, es sieht nicht danach aus, als könnte sich Wagner wirklich auf einen Wahlsieg freuen. In Umfragen führt Wolf das Rennen zweistellig an. Rüpelhaftes Verhalten scheint hier nicht mehr anzukommen.

Wagners Video vermittelt pure Verzweiflung. Er und seine republikanischen Kollegen wollten es genauso machen wie US-Präsident Donald Trump bei der Wahl 2016. Pennsylvania galt bis dahin als blauer Bundesstaat, fest in der Hand der Demokraten. Hillary Clinton hat dort kaum Wahlkampf gemacht, so sicher war sie, dass der Staat nie und nimmer an Trump fallen würde. Am Ende gewann Trump mit seiner spalterischen Rhetorik über 40 000 Stimmen mehr als Clinton. Und damit alle 20 Wahlleute, die dem Bundesstaat zustehen. Trumps Wahlsieg war damit perfekt. Die Schmach der Demokraten ebenso.

Die drei Niederlagen im Rust Belt, dem Rostgürtel der USA, sie hätten in der Rechnung der Demokraten nicht passieren dürfen: Wisconsin, Michigan und Pennsylvania, der mit Abstand größte und wichtigste der drei Bundesstaaten. Seit den 80er Jahren hat dort kein Republikaner mehr gewonnen. Wisconsin, Michigan und Pennsylvania gehörten zur "blauen Mauer", jenen 18 US-Staaten sowie D.C., die seit mehr als 20 Jahren in demokratischer Hand waren. Trump hat diese Festung durchbrochen. Die Republikaner gewannen zudem 13 der 18 Sitze, die Pennsylvania im Washingtoner Repräsentantenhaus zustehen.

In den kommenden Zwischenwahlen am Dienstag wollen die Republikaner diesen Erfolg wiederholen. Mit Kandidaten, die Trump in Auftreten und Rhetorik nacheifern, als seien sie einem Klon-Labor entsprungen.

Der Erfolg aber will sich nicht einstellen, zumindest nicht in Pennsylvania. Wenn es gut läuft für die Demokraten, werden sie den Bundesstaat zurückerobern. Und hier die Grundlage dafür legen, am 6. November zumindest die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu holen.

Die Trump-Karte zieht nicht mehr

Dass viele republikanische Kandidaten in Pennsylvania in den Umfragen so schlecht dastehen, liegt vor allem an ihnen selbst. In den beiden landesweiten Rennen stehen Republikaner zur Wahl, die früher zum rechten Rand ihrer Partei gehörten. Und jetzt, als Trump-Anhänger, die neue Mitte der Partei sind.

Scott Wagner, der Gouverneur werden will, ist ein Geschäftsmann aus dem Abfall-Business, Senator im Kongress des Bundesstaates und hammerharter Populist. Einmal wollte er einfach zehn Prozent aller Lehrer im Land rausschmeißen. Mit der Begründung, das würde ohnehin keiner merken. Er haut unerwünschten Medienvertretern auch schon mal die Kamera aus der Hand, die ihn während einer öffentlichen Rede im Vorwahlkampf filmen wollten. Und er zieht voll mit in Trumps wilder Angstmacher-Kampagne gegen eine angebliche "Invasion" von Immigranten aus dem Süden.

Das sieht alles auch Lou Barletta so, der dem Demokraten Bob Casey Jr. dessen Sitz im US-Senat streitig macht. Barletta, dessen blendend weiße Zähne zu seinen auffälligsten äußeren Merkmalen gehören, ist Teil des Trump-Fanclubs im Repräsentantenhaus. Er hat ihn schon im März 2016 unterstützt, früher als die meisten anderen seiner Kollegen. Es war Trump, der Barletta gebeten hat, in Pennsylvania für den Senat zu kandidieren. Verliert Barletta, dann ist das auch eine herbe Niederlage für Trump.

Casey und Barletta schenken sich nichts ihm Wahlkampf. Casey hat einen TV-Spot schalten lassen, in dem eine Mutter spekuliert, dass ihre als Babys an Krebs erkrankten Zwillinge heute nicht mehr leben würden, wenn ihnen die Krankenversicherung weggenommen worden wäre. Was angeblich Teil von Barlettas Agenda sei.

Barletta hat darauf mit einem eigenen Video reagiert, worin er den Tränen nahe erklärt, dass sein 18 Monate alter Enkel an Krebs erkrankt sei. Und dass sich der demokratische Senator schämen solle, solche Spots zu senden.

Richtig ist, dass Barletta im Kongress für die Abschaffung von Obamacare gestimmt hat. Was in der Folge dazu geführt hätte, dass in vielen Bundesstaaten Vorerkrankungen wie Krebs den Abschluss von Obamacare-Versicherungen deutlich teurer bis unmöglich gemacht hätte. Ob es Barletta gefällt oder nicht, mit seinem Spot hat Casey einen Punkt. Derzeit führt Casey in Umfragen zweistellig.

Sowohl Scott Wagner als auch Lou Barletta scheinen schlicht die falschen Kandidaten zu sein. Es bräuchte im einst so blauen Pennsylvania eher moderate Republikaner, um gegen die demokratischen Amtsinhaber etwas ausrichten zu können. Beide aber waren von Beginn an nicht in der Lage, genug Geld zu sammeln für eine halbwegs schlagkräftige Kampagne. Was oft ein Zeichen dafür ist, dass den Kandidaten nicht zugetraut wird, eine Wahl zu gewinnen.

Die schlechte Performance von Scott und Barletta könnte sich auch auf alle anderen Rennen im Land niederschlagen, fürchten manche Republikaner. Es könne jede Menge Kollateralschäden geben, wenn die Spitzenleute schwach seien, mutmaßt Mark Harris, ein politischer Stratege der Republikaner mit Sitz in Pittsburgh in der New York Times.

Das dürfte der Republikaner Keith Rothfus gerade zu spüren bekommen. Er tritt im neu geschaffenen 17. Wahlbezirk gegen den Demokraten Conor Lamb an. Es ist das US-weit einzige Rennen, in dem zwei amtierende Abgeordnete des Repräsentantenhauses gegeneinander antreten. Lamb hat seinen Sitz erst im März in einer Sonderwahl gewonnen. So knapp wie überraschend. Er bot sich den Wählern in dem eher republikanisch gefärbten Landstrich mit einem geradezu konservativen Programm an. Selbst zählt er sich zu den moderaten Demokraten. Außerdem ist er jung und unverbraucht.

Rothfus dagegen ist ein klassischer Trump-Unterstützer, der dessen Agenda voll und ganz unterstützt. Das könnte ihm jetzt seinen Posten im House kosten, den er seit 2012 hält. Er liegt nicht nur in Umfragen zweistellig hinter Lamb. Er hat auch kaum Geld, um den Wahlkampf zu drehen. Lamb konnte bis Mitte Oktober 8,9 Millionen Dollar sammeln. Rothfus nur 2,9 Millionen Dollar.

Den Demokraten in Pennsylvania kommt zugute, dass das Oberste Gericht des Bundesstaates den Zuschnitt der Wahlbezirke für das Repräsentantenhaus im Januar gekippt hat. Im Landesparlament von Pennsylvania hatte die republikanische Mehrheit schon vor der Wahl 2012 die Bezirke neu geordnet. Und zwar deutlich zu Gunsten der Republikaner.

Gerrymandering nennt sich das Verfahren, zu dem Demokraten wie Republikaner gerne greifen, wenn es ihnen auskommt. Der Effekt: In der Präsidentschaftswahl 2012 hat Barack Obama zwar den Staat gewonnen. Aber die Demokraten vor Ort nur noch fünf der 18 Sitze. Daran hat sich seitdem nichts geändert.

Die neuen Wahlbezirke hingegen sind wieder weitgehend ausgeglichen. Beide Seiten haben über den ganzen Staat gesehen ähnlich gute Chancen, die Wahlen zu gewinnen. Was die Aussichten der Demokraten dramatisch verbessert hat. Sie könnten bis zu sechs Sitze hinzugewinnen. Und würden dann elf der 18 Sitze für sich reklamieren können. Wenn die Demokraten die Mehrheit im House zurückerobern, dann wird das zu einem nicht geringen Teil an Pennsylvania liegen. Der Ort seines größten Erfolges gegen die Demokraten, er könnte für Trump am Dienstag zum Ort seiner größten Niederlage in diesen Zwischenwahlen werden.

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