US-Zwischenwahlen:Kampf der Demokraten gegen die Deportationspolizei

Alexandria Ocasio-Cortez

"Abolish ICE": Die Forderung nach Abschaffung der Einwanderungsbehörde brachte der 28-jährigen Alexandria Ocasio-Cortez vergangene Woche bei einer demokratischen Vorwahl den Sieg.

(Foto: Seth Wenig/AP)
  • Viele US-Demokraten wollen die harte Einwanderungspolitik von US-Präsident Trump nicht hinnehmen und protestieren gegen die Einwanderungsbehörde ICE.
  • Die Rufe nach der Auflösung der Behörde kamen zuerst von der linken Basis. An die breite Öffentlichkeit gelangten sie mit dem überraschenden Sieg der 28-jährigen Alexandria Ocasio-Cortez.
  • Bei einer demokratischen Vorwahl in New York warf sie einen altgedienten Kongressabgeordneten aus dem Amt.

Von Alan Cassidy, Washington

Drei Buchstaben versetzen Amerikas Linke gerade in Rage. ICE steht für Immigration and Customs Enforcement, die Einwanderungs- und Zollbehörde. Manche Amerikaner haben einen anderen Namen dafür: die Deportationspolizei. Als über das Wochenende Zehntausende Demonstranten auf die Straße gingen, trugen sie Plakate, auf denen "Abolish ICE" stand - ICE Deabschaffen. Im Netz kursiert der Hashtag dieses Namens schon länger. Die Behörde ist zum Symbol geworden für all jene, die die harte Einwanderungspolitik von Präsident Donald Trump nicht hinnehmen wollen. Und der Kampf gegen sie verdeutlicht das Dilemma, in dem sich die Demokraten vor den Kongresswahlen im Herbst befinden.

Die Rufe nach der Auflösung der Behörde kamen zuerst von der linken Basis. An die breite Öffentlichkeit gelangten sie mit dem überraschenden Sieg der 28-jährigen Alexandria Ocasio-Cortez, die vergangene Woche bei einer demokratischen Vorwahl in New York einen altgedienten Kongressabgeordneten aus dem Amt warf. Einer der Schlachtrufe ihrer Kampagne: "Abolish ICE". Seither mehren sich bei den Demokraten die Stimmen von Vertretern, die dasselbe fordern. "Wir müssen ICE durch etwas ersetzen, das unserer Moral entspricht", sagte Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts, bei einem Wahlkampfauftritt am Wochenende.

Warren ist ein Liebling des linken Parteiflügels, ihr Wort hat dort Gewicht - wie auch jenes von Kirsten Gillibrand, Senatorin aus New York. Sie sprach sich bei CNN ebenfalls dafür aus, die Behörde abzuschaffen: "Sie ist eine Deportationseinheit geworden." Bei anderen Demokraten klingt es oft noch schriller. "ICE ist eine terroristische Organisation, und ihr egomanischer Anführer ist Donald Trump", sagte die Schauspielerin Cynthia Nixon, die Gouverneurin des Bundesstaats New York werden will.

Der Präsident hört diese Proteste - und er nutzt sie zum Gegenangriff. Den "tapferen Männern und Frauen von ICE" twitterte er übers Wochenende Mut zu. Sie machten einen fantastischen Job, indem sie das Land von den schlimmsten Kriminellen befreiten, und es sei klar, dass die "radikale Linke" das nicht wolle. Er hoffe, die Demokraten redeten noch weiter über dieses Thema, sagte Trump später in einem Interview bei Fox News, "denn sie werden damit schwer verlieren".

Mit den umstrittenen Familientrennungen an der Grenze, die das Land bewegen, hat ICE nichts zu tun. Diese wurden von einer anderen Behörde durchgeführt, der Zoll- und Grenzpolizei. Für Trump ist ICE in seinem Bemühen, die illegale Einwanderung zu bekämpfen, ein Schlüsselinstrument. Die Behörde entstand 2003, als das Sicherheitswesen als Folge der Anschläge vom 11. September 2001 umgebaut wurde. Ihre 20 000 Angestellten sind für die Durchsetzung von mehr als 400 Bundesgesetzen zuständig. Im Fokus steht jene Abteilung, die für die Verhaftung und Abschiebung illegal Eingewanderter zuständig ist.

Auch Obama schob schon mehr ab

Die Zahl der Deportationen hatte bereits unter Trumps Vorgänger Barack Obama zugenommen. Unter der neuen Regierung hat ICE jedoch ihr Tätigkeitsfeld aufgrund einer präsidialen Direktive ausgedehnt: Sie konzentriert sich nun nicht mehr nur auf Schwerkriminelle, sondern verfolgt papierlose Einwanderer aller Art, die bei ihrer Verhaftung oft keine Vorstrafen haben. Regelmäßig berichten Medien über Einwanderer, die nach Jahrzehnten in Nacht-und-Nebel-Aktionen abgeschoben werden, weil sie zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall der Polizei bekannt wurden. Die Botschaft, die Trumps Regierung damit an alle illegalen Einwanderer sendet, ist klar: Ihr seid hier nicht mehr sicher. Auch deshalb rufen jetzt viele Linke: "Abolish ICE".

Die Führung der Demokraten macht dies nervös. Es ist nicht die Debatte, die sie führen will. In der Partei befürchten viele, dass es Trump und den Republikanern in die Hände spielt, wenn die Demokraten dastehen, als würden sie sich um die Durchsetzung der bestehenden Einwanderungsgesetze drücken und Kriminelle beschützen. "Statt ICE abzuschaffen, sollten wir uns darauf konzentrieren, das Repräsentantenhaus zurückzuerobern", teilte der Abgeordnete Steny Hoyer mit. Dort könne man sich dann um eine bessere Aufsicht über die Behörde kümmern. Doch auch Hoyer weiß: Als Slogan an einer Demo taugen solche Sätze schlecht. Und als Hashtag erst recht nicht.

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