Süddeutsche Zeitung

US-Wahlkampf:Wie Donald Trump Amerika verrät

Mit seiner Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime macht sich der Präsidentschaftskandidat zum nützlichen Idioten radikaler Islamisten.

Kommentar von Johannes Kuhn, San Francisco

Selbst Dick Cheney ist der Meinung, dass das Maß nun voll ist. "Allem, woran wir glauben" widerspreche Donald Trumps Vorschlag eines Einreiseverbots für Muslime, erklärte der ehemalige Vizepräsident, der nicht gerade als Alt-Hippie bekannt ist.

Die USA wurden gegründet von Europäern, die wegen ihres Glaubens verfolgt wurden und über den Atlantik flüchteten. Seither spielt die Religionsfreiheit eine zentrale Rolle im Selbstverständnis des Landes. Nun will der führende Präsidentschaftskandidat der Republikaner die Grenzen des Landes auf Basis des Glaubens schließen, selbst für Touristen oder amerikanische Muslime, die sich im Ausland aufhalten.

Trump als nützlicher Idiot

Trump rüttelt am Konsens, den der rechte Rand längst aufgekündigt hat: Dort herrscht die Angst vor Marginalisierung, ein weißer Radikalismus, den Trump bereits mit seinen Plänen zur Massenabschiebung mexikanischer Einwanderer bediente. Nun ist der Immobilien-Unternehmer endgültig in einer rechtsextremen Ideenwelt angekommen.

Das verschärft nicht nur den ohnehin zügellosen Wahlkampf der Konservativen, sondern macht Trump auch zum nützlichen Idioten: Wovon hätten die Attentäter von San Bernardino, die sich von den Dschihadisten des "Islamischen Staats" inspirieren ließen, mehr träumen können als von einer politischen Forderung nach der Diskriminierung von Muslimen?

Trump ist ein Spieler, in seinem Buhlen um Aufmerksamkeit wettet er darauf, dass der Tabubruch seine Position als unabhängiger Politik-Außenseiter festigt. Sie ist sein größtes Verkaufsargument im Vorwahlkampf.

Die Vereinigten Staaten haben schon manche Demagogen kommen und gehen sehen, ohne ihnen am Ende zu verfallen. Das ist die Hoffnung des gemäßigten Teils der Bevölkerung, der weiterhin die Mehrheit stellt.

Mehr als ein Zaubertrick

Doch die USA sind auch das Land, das nach dem Bürgerkrieg einhundert Jahre brauchte, um ein staatliches Apartheidsystem zumindest formal abzuschaffen. Und es ist das Land, das im Zweiten Weltkrieg mehr als 100 000 Amerikaner japanischer Abstammung unter Generalverdacht stellte und internierte - ein beschämender Akt, für den sich erst Ronald Reagan 1988 entschuldigte.

Es war der Angriff auf Pearl Harbor, der damals die Amerikaner in Angst und Schrecken versetzte und zu dieser Überreaktion führte. Auf den Tag genau 74 Jahre später beschwört Donald Trump mit seinem Vorschlag diese Geister der Vergangenheit. Es wäre naiv, das als Zaubertrick eines Politik-Unterhalters abzutun.

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