Süddeutsche Zeitung

US-Wahlkampf:Unzerstörbar: Die Treue der Trump-Fans

Wenn der Republikaner vor Wahlbetrug warnt und Muslime mit Schlangen vergleicht, feiern ihn Tausende. Doch selbst einige seiner Anhänger sagen: Er sollte manchmal den Mund halten.

Von Matthias Kolb, Altoona

Lange Schlangen gehören zu Wahlkampf-Events von Donald Trump wie "Make America Great Again"-Baseball-Kappen und T-Shirts mit "Hillary for Prison"-Slogans. Geduldig und oft stundenlang warten die Fans darauf, den Republikaner live zu sehen. In Altoona, einer 46 000-Einwohner-Stadt in Pennsylvania, ist es nicht anders: Hier stehen die Trump-Anhänger in Reih und Glied vor der High School, um mit gelben Schulbussen zur Veranstaltungshalle gefahren zu werden.

Trotz 34 Grad Sommerhitze zögern John und Charlene Schambach keine Sekunde und reihen sich in die Schlange ein. Für sie ist Trump der Einzige, der die USA retten kann. Die Schambachs sind frustriert, weil weder die Abgeordneten noch die letzten US-Präsidenten ihre Versprechen gehalten hätten. "Wir Amerikaner haben die Schnauze voll. Die Leute wollen jemanden, der das System verändert und das Land wachrüttelt", sagt der 66-Jährige.

Trump soll "korruptes System" aus den Angeln heben

Keine Formulierung ist unter Trump-Fans öfter zu hören als "to shake up". Auch Patrick Leyo benutzt den Ausdruck, als er über Donald Trump spricht. "Dieses Land kann nicht mehr so weiter machen, wir stehen vor dem Untergang", sagt der 52-Jährige. Dies habe nichts mit Republikanern oder Demokraten zu tun: "Es geht nur um Veränderung." Viel zu lang seien normale Leute wie er viel zu beschäftigt gewesen, sich um Politik zu kümmern: "Ich arbeite, seit ich 14 bin. Wir schuften, um die Rechnungen zu bezahlen und unsere Kinder zu erziehen."

Dass der Geschäftsmann niemandem im "korrupten System" etwas schulde, gibt Patrick Leyo und seine Frau Maryann Hoffnung. Sie hoffen, dass Trump seine Vorschläge umsetzen wird. "Ich habe nichts gegen Einwanderung, aber sie muss legal sein. Wir müssen wissen, wer zu uns kommt", sagt Patrick. Er arbeitet in der Lebensmittelindustrie und klagt, dass kein Amerikaner bereit sei, für wenige Dollar Stundenlohn Salat zu pflücken: "Das machen nur Latinos."

Die Sehnsucht nach den alten Zeiten, als es gut bezahlte Jobs in Fabriken und Industrie gab, ist gerade in Industriestaaten wie Pennsylvania stets zu spüren. "Meine Mutter ist 86 und weil mein Vater in der Gewerkschaft war, hat sie immer die Demokraten gewählt," erzählt Maryann. Nun sei die Mutter Republikanerin - wegen Trump. Maryanns Miene verdüstert sich, als sie an die letzten Wochen denkt: "Ich wünschte, Trump würde manchmal den Mund halten."

Ginge es nach John Schambach, dann hätte Trump auf die Kritik der Soldaten-Eltern Khan mit einer höflichen Floskel reagiert, anstatt die muslimische Mutter zu attackieren. "Er kann bei Attacken einfach nicht ruhig bleiben", sagt er. Mitunter - Stichwort "Obama ist der Gründer des IS" - übertreibe es Polit-Neuling Trump mit der Zuspitzung, seufzt Schambach. Bevor sie in den Schulbus klettert, sagt seine Frau, die würden Kontroversen von den liberalen, korrupten Journalisten aufgebauscht: "Sie verdrehen mit Absicht die Tatsachen, weil sie vom System profitieren und ihre Jobs davon abhängen. Sie fürchten Trump."

Die Attacken gegen die "unehrlichen Medien" gehören zum Standardprogramm eines Trump-Auftritts. Am Freitag hatte der Republikaner Journalisten in Erie als "niedrigste Lebensform" bezeichnet und auch in Altoona spottet der Republikaner wiederholt über die "dummen" Reporter, die seinen "Sarkasmus" nicht verstehen. Die 2000 Besucher drehen sich dann zum Pressebereich um und buhen alle laut. (Trotzdem bitten später viele die TV-Moderatoren um ein Selfie zur Erinnerung.)

"Sarkasmus", das ist die Lieblingsformel des Immobilienmoguls, um umstrittene Aussagen (etwa zu Hillary Clinton und den Waffenbesitzern, dem Einsatz von Atomwaffen oder Obama als IS-Gründer) zu erklären oder zu relativieren. Denn eine echte Entschuldigung und Klarstellung wie "Ich verurteile jede Art von Gewalt" kommt ihm nicht über die Lippen, was Trump-Fan John Schambach mit "Das ist halt nicht sein Stil" erklärt.

Der Auftritt in Altoona zeigt, dass Trump seine Botschaft nicht ändert: Er umwirbt die wütenden Wähler, die Angst vor dem sozialen Abstieg haben und spielt gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aus. Er verspricht, den Islamischen Staat "auszulöschen" und keine Flüchtlinge aus Syrien einreisen zu lassen.

Trump zitiert das Gedicht "Die Schlange", in dem eine Frau eine verletzte Giftschlange zur Pflege mitnimmt. Als das Reptil schließlich zubeißt und die Frau über Undankbarkeit klagt, entgegnet das Tier: "Sei still, du dumme Frau. Du wusstest doch, dass ich eine Schlange bin, als du mich aufgenommen hast."

Das Publikum jubelt, als Trump diese Einlage mit den Worten "Wie dumm wir doch sind" beendet, womit er sowohl die US-Regierung als auch Europas Reaktion auf die Flüchtlingskrise meint. Immer wieder ruft die Menge "Bau die Mauer", was der Geschäftsmann mit einem Nicken quittiert. Erneut warnt er vor Wahlfälschungen: "Wir können nur in Pennsylvania verlieren, wenn hier betrogen wird." Seine Fans müssten am 8. November in "bestimmte Gebiete" gehen und die Stimmabgabe beobachten, damit niemand "fünf Mal wählt".

An schlechte Umfragezahlen wollen viele nicht glauben

Normalerweise sagen konservative Politiker nicht, welche "bestimmten Gebiete" gemeint sind. In Altoona hatte es der Abgeordnete Bill Shuster jedoch kurz zuvor ausgesprochen: Die Großstädte Philadelphia und Pittsburgh, wo viele Schwarze wohnen (mehr zu Trumps Verschwörungstheorien). Dass der Republikaner diese Aussagen jetzt macht, liegt an der Bedeutung von Pennsylvania: Wenn Hillary Clinton wie Obama 2008 und 2012 gewinnt, hat er keine Chancen. Letzten Umfragen zufolge führt die Demokratin mit zehn Punkten, weil die vielen Kontroversen um Trump viele Unabhängige und gerade Wählerinnen verunsichern oder gar abstoßen.

Sowohl im Kongresszentrum von Altoona als auch vor der Halle ist die Stimmung jedoch gut. "Wir werden die Medien Lügen strafen und gewinnen", ruft eine Rednerin vor Trumps Auftritt. Unter den Besuchern will niemand an die schlechten Umfragedaten glauben. Lieber reden sie über den großen Andrang und betonen, dass manche Fans die Rede im Keller via TV verfolgt hätten. "Der Parkplatz war drei Stunden vor der Rede überfüllt. Hier braucht es Shuttle-Busse, während zu Hillary Clinton nicht mal 100 Leute kommen", ruft ein Mann.

Hass auf Demokratin Clinton schweißt alle zusammen

Natürlich gibt es glühende Trump-Fans, deren Treue wirklich unzerstörbar scheint und jede Aussage als Kampfansage ans "politisch korrekte" System verstehen. Doch es ist die Angst vor einer Präsidentin Clinton, die Kandidatin der Demokraten, wegen der weiterhin Millionen Konservative für Trump stimmen werden.

Zahlreiche Republikaner wollen Clinton wegen des Angriffs auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi und der Affäre um ihre privaten E-Mail-Server anklagen - und Donald Trump versucht, diese Verachtung für sich zu nutzen. Weil der nächste Präsident mehrere Richter für den Supreme Court benennen kann, warnt der 70-Jährige: "Es geht nicht nur um eine Amtszeit von vier oder acht Jahren. Es geht um 30 oder 40 Jahre - und wenn Hillary gewinnt, erkennen wir unser Land nicht mehr wieder."

Als Trump seinen Auftritt in Altoona nach einer Stunde beendet (zuvor hatte er entwaffnend ehrlich ausgerufen: "Wir machen das im Schnelldurchlauf. Ich will hier raus, zum Teufel. Ich will heim!"), strömen Hunderte zu den gelben Schul-Shuttlebussen, die zurück zu den Parkplätzen fahren.

Etwa ein Dutzend Protestierer hält tapfer Schilder mit Aufschriften wie "Trump is unfit" und "Love trumps Hate" in die Höhe - und wird dafür von der Menge Fans ausgelacht. In den Umfragen liegt Donald Trump zurück, doch dieser ritualisierte Trubel wird bis zum Wahltag am 8. November weiter gehen.

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