Süddeutsche Zeitung

US-Wahlkampf:Trumps Angestellte fordern: Boykottiert ihn!

Golden ragt das Trump-Hotel in Las Vegas in den Himmel. Die Arbeitsbedingungen für Zimmermädchen sind alles andere als glänzend. Vor der dritten TV-Debatte ihres Chefs wehrt sich das Personal.

Von Matthias Kolb, Las Vegas

Als Jeffrey Wise vor zweieinhalb Jahren als Kellner im "Trump International Hotel Las Vegas" anfing, war das für ihn keine große Sache. "Ich kannte Donald Trump natürlich, aber für mich war das ein Nebenjob", sagt der 53-Jährige. Celia Vargas hingegen war aufgeregt, als sie im Trump-Turm eine Anstellung bekam: "Meine Familie war sehr stolz auf mich." Zehn Enkelkinder hat die 58-Jährige, ihr Geld verdient sie als Zimmermädchen. 64 Stockwerke hoch ist Trumps Hotel-Hochhaus, da kommen einige Räume zusammen.

Dass dort vor allem die Fassade golden glänzt, merkte Vargas bereits nach einigen Monaten: Der Immobilien-Mogul aus New York sei "sehr hart" zu ihr und ihren Kollegen gewesen, erzählt sie, Lohnerhöhungen seien ausgeblieben. Vargas verdient pro Stunde 14,71 Dollar - in anderen Hotels oder Casinos wie dem "Caesar's Palace" bekommen Zimmermädchen drei Dollar mehr. In Las Vegas, der Entertainment-Metropole in Nevadas Wüste, sind die Gewerkschaften stark. Dank ihnen erhalten Köche, Kellner und anderes Service-Personal eine Krankenversicherung und genießen Kündigungsschutz. Nicht so Trumps Angestellte.

Auch deshalb sitzt Vargas am Vorabend der dritten TV-Debatte zwischen ihrem Arbeitgeber, dem Präsidentschaftsbewerber Trump, und seiner demokratischen Mitbewerberin Hillary Clinton in einem Konferenzraum der Gewerkschaft Culinary Union. Umgeben von Kamerateams, Fotografen und Reportern klebt Vargas mit einem Dutzend anderer Trump-Mitarbeiterinnen Aufkleber auf die Schilder, mit denen sie am Tag des TV-Duells protestieren: "BOYCOTT Trump Las Vegas Hotel."

"Er sagt immer, dass er ein toller Verhandler ist. Wovor hat er Angst?"

Im Dezember 2015 hatte die Mehrheit der etwa 500 Trump-Angestellten trotz Einschüchterungen und Drohungen dafür gestimmt, eine eigene Gewerkschaft zu gründen. Die Aufsichtsbehörde National Labor Relations Board bestätigte die Rechtmäßigkeit der Abstimmung und lehnte alle Einsprüche Trumps ab - sein Unternehmen ist nun verpflichtet, mit der Culinary Union zu verhandeln. "Er sagt immer, dass er die besten Deals macht und ein toller Verhandler ist. Wovor hat er Angst?", fragt Kellner Jeffrey Wise grinsend.

57 000 Arbeiter vertritt die Culinary Union in Nevada: 55 Prozent sind Frauen, 56 Prozent Latinos. In beiden Wählergruppen ist Clinton stärker als Trump. Die Mitglieder der Culinary Union wissen, dass 5000 Reporter in Las Vegas sind, um über die dritte TV-Debatte zu berichten. Am Mittwoch haben 400 Demonstranten vor dem goldenen Trump-Hotel protestiert und auch eine "Mauer gegen den Hass" gebaut - mit Taco-Trucks, die die Schaulustigen mit mexikanischem Essen versorgen werden. Damit machen sie sich lustig über einen Spruch von Marco Gutierrez, dem Gründer der "Latinos for Trump". Er hatte im September erklärt, dass die Latino-Kultur sehr dominant sei und bald "an jeder Ecke Taco-Trucks" stehen würden, wenn Amerikas Einwanderungsproblem nicht gelöst werde.

Trump ist ein unglaubwürdiger Blue Collar Billionaire

Die Botschaft, die Gewerkschaftschefin Geoconda Arguello Kline den Wählern vermitteln will, ist klar: "Trump ist nicht der, der er vorgibt zu sein." Der Republikaner inszeniere sich als Retter der Arbeiterklasse und Blue Collar Billionaire - dies wäre aber nur glaubwürdig, wenn er in Las Vegas mit der Gewerkschaft rede, sagt Arguello Kline: "Unsere Arbeiter wissen, wer Trump wirklich ist und wie er Menschen behandelt." Und bisher, so ihr Fazit, gehe Trump mit seinen Angestellten mies um.

Celia Vargas, die vor 33 Jahren aus El Salvador in die USA einreiste, geht es beim Kampf um die Gründung einer Gewerkschaft nicht nur darum, endlich über den Arbeitgeber krankenversichert zu sein, Rentenzuschüsse zu bekommen und besser planen zu können. Sie fordert Respekt für ihre harte Arbeit, denn ein Luxushotel (mehr über eine Nacht im Trump-Turm hier) funktioniert nicht ohne den Fleiß und die Professionalität der Angestellten. Bei der Protestaktion ("Tacos beat Trump" steht auf einigen Schildern) trägt Celia ebenso wie Dutzende Kolleginnen eine Schärpe mit der Aufschrift "Miss Housekeeping" - so hatte Trump die aus Venezuela stammende einstige Miss Universe Alicia Machado beleidigt.

Die Aktion der Hotelangestellten in Las Vegas und weitere Demonstrationen in Nevada stehen unter dem Motto #BoycottTrump. Und tatsächlich häufen sich landesweit die Berichte, dass immer mehr US-Bürger bewusst Produkte meiden, die mit dem 70-Jährigen zu tun haben. Zu schockiert sind sie über die vulgären Sprüche, in denen Trump 2005 sexuelle Übergriffe verharmloste, über seine Forderungen nach einer Mauer zu Mexiko oder einem temporären Einreiseverbot für Muslime. Die New York Times berichtet von Dutzenden Fällen, in denen Golfer ihren Urlaub in Trumps "Mar-a-Lago"-Club in Florida absagten oder entrüstete Frauen Kleider aus Ivanka Trumps Modelinie zurückgaben.

Dass Trump in den Umfragen (sowohl landesweit als auch in fast allen Swing States) deutlich hinter Clinton liegt, ärgert den 70-Jährigen offensichtlich - auch deshalb wiederholt er sein Geraune über Wahlbetrug. Doch ähnlich bitter für den Geschäftsmann dürfte sein, dass das Image der Business-Marke "Trump" nach Ansicht von Experten mittlerweile unter der Unbeliebtheit des gleichnamigen Politikers leidet. "Bis Anfang Oktober dachte ich, dass seine Marke unzerstörbar ist", sagte Gene Grabowski von der Marketingfirma Kglobal zu Politico.

Auch andere Indikatoren sprechen dafür, dass die Berichte über Trumps Grabschereien, seine Millionen-Verluste oder seine Attacken gegen Muslime oder die Soldatenfamilie Khan Folgen haben: Der Analysefirma Redfin zufolge haben Wohnungen in Trump-Immobilien an Wert verloren. Auch die Buchungen in den Hotels gehen nach Daten von Foursquare und dem Online-Reisebüro Hipmunk zurück. Eric Danzinger, der Chef von Trumps Hotels, weist diese Zahlen zurück: "Diese Berichte geben unsere Auslastung nicht akkurat wieder."

Wer sich gewerkschaftlich engagiert, muss plötzlich 16 statt 14 Zimmer putzen

Schwieriger dürfte es für Danzinger sein, die Berichte über Schikane zurückzuweisen, von der Trump-Angestellte erzählen - dazu sind es schlicht zu viele. Alle, egal ob Kellner Jeffrey Wise oder Zimmermädchen Celia Vargas, haben selbst Gängelungen erlebt oder Beschwerden darüber gehört. Wer in der Gewerkschaft aktiv ist oder sich für die Gründung einsetzt, der bekommt weniger Stunden Arbeit zugeteilt oder soll plötzlich 16 anstatt 14 Zimmer reinigen. Die Einschüchterungen wirken: Viele ihrer Kollegen hielten den Mund, weil sie Angst vor Arbeitslosigkeit hätten oder ihrem Kind die Uni bezahlen müssten, sagt Vargas. Einige seien gefeuert worden, doch mithilfe der Gewerkschaft hätten sich die meisten wieder einklagen können.

Vargas und Wise achten sehr darauf, nichts allzu Schlechtes über Donald Trump zu sagen. Auf Nachfrage sagen sie, dass sie die Demokraten unterstützen und dazu aufrufen, für Hillary Clinton zu stimmen. Trumps spalterische Rhetorik gefällt ihnen nicht: "Meine Kolleginnen wurden in vielen Ländern geboren: in Honduras, Mexiko, Guatemala, Indien, Argentinien und den Philippinen. Wir kommen von überall her und arbeiten gut zusammen", sagt Vargas.

Elsabeth ist so eine Kollegin. Vor fünf Jahren kam sie aus Äthiopien nach Las Vegas und arbeitet nun als Zimmermädchen im Trump-Hotel. Die 45-Jährige ist traurig, dass die USA so gespalten sind: "Wir wirken nicht wirklich wie ein vereinigtes Land. Trump hat zu viele beleidigt." Sie beteiligt sich an den Protesten, weil sie davon überzeugt ist, im Recht zu sein und einen Anspruch auf eine Gewerkschaftsvertretung zu haben. An ihrer Begeisterung für ihr neues Heimatland ändert das nichts: "Wir lieben Amerika."

Latinos und Asian Americans könnten die Proteste an die Wahlurne bringen

Die Bilder des Protests werden vor der TV-Debatte in vielen Nachrichtensendungen zu sehen sein. Wie so vieles in diesem Wahlkampf werden sie die bestehenden Eindrücke verstärken: Wer Trump bislang für einen Egoisten und eiskalten Kapitalisten hielt, dem Arbeiter egal sind, der wird sich bestätigt fühlen. Diejenigen, die zuvor planten, dem 70-Jährigen seine Stimme zu geben, werden die Schilder von Celia Vargas, Jeffrey Wise und ihren Kollegen nicht umstimmen. Sie werden vielmehr darüber klagen, dass die Medien den Kandidaten Trump erneut ohne Grund attackieren und zu wenig über die Wikileaks-Enthüllungen zu Clinton berichten.

Für David Damore, Politikprofessor an der University of Nevada, zeigt der Protest die Schlagkraft der Gewerkschaften in Las Vegas: "Sie sind extrem professionell und wissen, was Medien brauchen." Er rechnet damit, dass die Aktion Hillary Clinton und der demokratischen Senatskandidatin Catherine Cortez Masto helfen wird: "In Nevada liegt der Anteil an Wählern, die Latinos oder Asian Americans sind, sehr hoch. Sie gehen nicht regelmäßig zur Wahl und alles, was sie emotional packt, ist gut für die Demokraten."

Linktipps: Das New York Magazine stellt in diesem Text den ehemaligen Trump-Angestellten Zakir Hossain vor, der nun Geld für Hillary Clintons Kampagne spendet. Welche schwerwiegenden finanziellen Folgen der Bankrott von Trumps Casinos in Atlantic City für die ehemaligen Angestellten hatte, beschreibt dieser Text bei Mother Jones.

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