Als die Amerikaner im November 2002 bei der ersten Wahl nach den Anschlägen vom 11. September mehrheitlich für die Republikaner stimmten, fasste Bill Clinton die Stimmung so zusammen: "Wenn die Leute unsicher sind, dann ist ihnen der Politiker lieber, der strong and wrong ist - und nicht der, der weak and right ist."
Auf niemanden passt die Formulierung strong and wrong besser als auf Donald Trump: Das grenzenlose Selbstbewusstsein lässt den Präsidentschaftskandidaten stark erscheinen und er liegt in einigen Dingen falsch. Sein Plan, eine Grenzmauer zu Mexiko zu bauen, ist kaum realisierbar ( mehr hier). Viele seiner Vorschläge suggerieren, dass die USA nicht Teil einer globalisierten Welt seien.
Doch seit den Pariser Terroranschlägen ist eine neue Dimension erreicht: Der 69-Jährige, der in den Umfragen mit großen Abstand führt, verbreitet Lügen. Es begann mit der Behauptung, die Obama-Regierung wolle 250 000 muslimische Flüchtlinge in die USA holen. Was nicht stimmt. Die Zahl stammt von einer Website mit erfundenen Nachrichten. Doch richtiggestellt hat Trump dies nicht.
Trump: Ich sah Muslime in New Jersey, die an 9/11 jubelten
Nun fordert der Milliardär seit Tagen, Moscheen in den USA sollten überwacht werden. Er begründete dies zunächst damit, dass er persönlich gesehen habe, wie Tausende Muslime in New Jersey gejubelt hätten, als die Zwillingstürme des World Trade Center 2001 in sich zusammenfielen. Angesprochen darauf, dass er nach eigenem Bekunden am Morgen des Anschlags in seinem Appartment in Manhattan war, sagte Trump: "Es wurde im Fernsehen gezeigt. ich habe es gesehen."
Die Factchecker von Politifact und der Washington Post machten sich jedenfalls auf die Suche nach Belegen und fanden - nichts. Trumps Behauptung entbehre jeglicher Logik, so das Urteil von Politifact: Wenn Tausende Muslime gejubelt hätten, dann hätten dies doch viel mehr Leute als nur der Immobilien-Milliardär sehen müssen und sie würden sich an diese Szenen erinnern. Und es würde Videoaufnahmen oder anderes Bildmaterial davon geben.
Doch trotz fehlender Beweise wiederholte Donald Trump seine Aussagen zu den jubelnden Muslimen. Und legte mit einer weiteren Ansage nach: Am Dienstagabend versprach er bei einer Rede in South Carolina, dass er als Präsident alle syrischen Flüchtlinge aus den USA ausweisen werde.
Am vergangenen Samstag retweetete Trump bei Twitter eine Infografik zu Gewaltverbrechen, die behauptet, dass 81 Prozent aller weißen Amerikaner von Schwarzen getötet würden. Auch diese Behauptung ist völlig falsch: Die korrekte Zahl für das Jahr 2014 ist 15 Prozent - das zitierte "Crime Statistics Bureau" existiert gar nicht ( mehr bei PolitiFact). Bisher ist der Tweet nicht gelöscht - und Trump hat nichts richtiggestellt.
Diese Aussagen sowie die Tatsache, dass Trump sich auch noch für die Wiedereinführung von Foltertechniken wie Waterboarding ausspricht, sind schon bestürzend genug. Noch schlimmer ist es jedoch, dass ihm kaum einer seiner Rivalen widerspricht und auch andere führende Republikaner sich bedeckt halten. Dana Milbank, Kolumnist der Washington Post, bringt es auf die geniale Formel: "Der Lügner und die Lemminge" - aus Angst, die vielen wütenden Trump-Anhänger zu vergraulen, schweigen Ted Cruz und Co. oder weichen aus.
"Ich erinnere mich nicht daran. Aber es kann auch sein, dass ich diese Sachen vergessen habe", sagte Chris Christie treuherzig - dabei betont er sonst bei jeder Gelegenheit, wie er am 11. September um seine Frau bangte, die in Manhattan arbeitete. Auch Ben Carson unterstützte Trump zunächst, bevor er sich - wie so oft - auf ein Missverständnis berief.
Deutlich geäußert haben sich nur Marco Rubio ( "Das stimmt einfach nicht"), Jeb Bush ( "abscheulich") sowie der chancenlose Bewerber George Pataki, der während der Anschläge New Yorks Gouverneur war.
Doch was ist mit MitchMcConnell, dem obersten Republikaner im Senat? Oder Paul Ryan, dem neuen Speaker des Repräsentantenhauses? Oder Ex-Präsident George W. Bush? Sie alle schweigen ebenso wie Reince Priebus, der nominelle Parteichef der Republikaner (seine Macht ist jedoch verschwindend gering im Vergleich mit Merkel, Gabriel oder Seehofer). Zwar gibt es einige konservative Experten und Berater, die Trumps Äußerungen als "faschistisch" bezeichnen ( mehr bei CNN), doch im Allgemeinen hält sich die Parteielite seit Tagen zurück.
Zeitungen beklagen Trumps "rassistische Lügen"
Es sind vor allem die großen Zeitungen, die auf ihren Meinungsseiten an das Gewissen und die Verantwortung der Partei appellieren. "Die Grand Old Party muss sich gegen Trumps Hasspolitik wehren", fordert die Washington Post und vergleicht den Milliardär mit einem Tyrann auf dem Schulhof. Dessen Schikanen würden nur aufhören, wenn sich alle beschweren und Stellung beziehen.
Die New York Times vergleicht Trump mit dem paranoiden Kommunistenjäger Joseph McCarthy und dem rassistischen Südstaaten-Gouverneur George Wallace. Die Zeitung sieht aber nicht nur die Parteifreunde in der Pflicht - auch die Journalisten seien gefordert, Trumps "rassistische Lügen" aufzudecken und ihn damit zu konfrontieren.
Das konservative Wall Street Journal erinnert an andere Ausfälle Trumps gegenüber Frauen, Latinos und anderen Politikern wie John McCain, um dann das Phänomen "The Donald" zu analysieren. Es liege an der weit verbreiteten Wut und Unsicherheit in der US-Gesellschaft ( mehr in diesem US-Blog), dass diese Ausfälle dem Republikaner nicht schaden würden.
Zu den republikanischen Präsidentschaftsbewerbern, die dem Immobilien-Mogul aus New York Paroli bieten, gehört stets John Kasich, der Gouverneur aus Ohio. Kasich, der in den Umfragen im einstelligen Bereich liegt, klagt in den TV-Debatten am lautesten darüber, wie sehr Trumps Aussagen der Grand Old Party schaden. Der Wahlverein, der John Kasich unterstützt, bringt nun den ersten TV-Werbespot in einige amerikanische Wohnzimmer, der viele lächerliche Aussagen Trumps dokumentiert.