US-Wahlkampf:Sanders kritisiert Clinton, Cruz will liebenswert sein

Bernie Sanders

Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders während eines Auftritts im New Yorker Stadtteil Brooklyn.

(Foto: AP)
  • Was seit den Vorwahlen in Wisconsin (verganger Dienstag) passiert ist.
  • Sanders kritisiert Hillary Clinton scharf, Bill gerät mit schwarzen Aktivisten aneinander.
  • Ted Cruz "liebenswert genug" als Kandidat?
  • Donald Trump holt Politik-Veteranen, um Delegierten-Desaster zu stoppen.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Der Wahlkampf der Demokraten galt eigentlich als respektvolle Veranstaltung, doch das ändert sich gerade. Warum eigentlich? So genau weiß, das niemand, aber es gibt einen Verdacht.

Zumindest auf den Ausgangspunkt kann man sich einigen: Bernie Sanders konnte in einem Interview erstaunlich wenig über konkrete Pläne zur Zerschlagung von Großbanken erklären.

Als die Zitate Kreise zogen, meldete sich Hillary Clinton am Mittwochmorgen auf MSNBC um zu erklären, dass Sanders "seine Hausaufgaben nicht gemacht" habe und dies "eine Menge Fragen" aufwerfe. Daraus wurde dann in der Washington Post die Meldung "Clinton stellt Sanders' Qualifikation für das Präsidentenamt in Frage".

Am Mittwochabend dann schlug Sanders zurück. "Sie hat jüngst gesagt, dass ich - Zitat - 'nicht qualifiziert für das Präsidentenamt bin'", sagte er vor Anhängern in Philadelphia. "Ich möchte als Antwort auf Ministerin Clinton sagen, dass ich nicht glaube, dass sie qualifiziert ist, wenn sie über ihr Super PAC zehn Millionen von Dollar an Geld von Einflussgruppen nimmt." Und weiter: "Ich glaube nicht, dass man qualifiziert ist, wenn man für den desaströsen Krieg im Irak gestimmt hat. Ich glaube nicht, dass man qualifiziert ist, wenn man das Freihandelsabkommen mit Panama unterstützt hat."

Nun hatte Clinton aber ihn gar nicht unqualifiziert genannt, war einer entsprechenden Frage sogar ausgewichen. Deshalb beklagt das Clinton-Camp plötzlich das sinkende Niveau in der Auseinandersetzung und ausgerechnet Faktenprüfer der Washington Post (ja, die mit der irreführenden Überschrift) geben Sanders für die falsche Wiedergabe drei von fünf Punkten auf der Pinocchio-(Lügen)skala.

Nicht, dass Hillary Clintons Woche ansonsten problemlos gelaufen wäre: Nachdem sie in Wisconsin schon wieder einen Vorwahl-Staat an Sanders verlor, machte am Donnerstag der andere ältere Herr in ihrem Leben Schlagzeilen: Bill Clinton.

Aktivisten von Black Lives Matter hatten dessen Wahlkampfauftritt in Philadelphia mehrmals unterbrochen, woraufhin der ehemalige Präsident ihnen vorwarf, "die Menschen zu verteidigen, die jene Leben auslöschen, von denen Ihr sagt, dass sie zählen"*. Die Anspielung auf kriminelle Afroamerikaner mündete in Clintons Rechtfertigung, das Strafrecht 1994 aus gutem Grund verschärft zu haben. In der Praxis brachte dies vor allem Afroamerikaner und Latinos ins Gefängnis.

Am Freitag dann erklärte Clinton, sich "beinahe entschuldigen" zu wollen. Und Sanders erklärte am Freitag, dass seine Rivalin "natürlich" qualifiziert sei und "an ihrem schlechtesten Tag" noch eine bessere Präsidentin als jeder der republikanischen Kandidaten. Was wohl ein Beinahe-Kompliment ist. Am Samstag wählen die Demokraten dann mal wieder, diesmal in Wyoming.

Beinahe sympathisch daherkommen ist das Ziel von Ted Cruz. Der einzige ernsthafte Trump-Rivale der Republikaner schmückt das Titelblatt der aktuellen Time-Ausgabe (Zeile: "Liebenswert genug?").

Cruz hat seine Hardliner-Botschaft für die Ostküsten-Staaten etwas abgemildert und Donald Trumps Angriffe auf seine Ehefrau Heidi lassen den texanischen Senator "geradezu angenehm" neben dem Milliardär wirken, stellt die Washington Post überrascht fest. Was auch immer das über den Sympathie-Faktor der beiden Rivalen sagt.

Ob die deutliche Niederlage in Wisconsin zeigt, dass Donald Trump den Bogen überspannt hat, ist ein beliebtes Gesprächsthema. Die nächste Vorwahl in New York dürfte "The Donald" deutlich gewinnen, allerdings ist derzeit die Delegierten-Auswahl fast wichtiger: Falls bis zur Parteiversammlung niemand die absolute Mehrheit an Delegierten hat, können diese dort spätestens im dritten Wahlgang frei entscheiden, wem sie ihre Stimme geben.

Cruz und die republikanische Partei sind derzeit sehr erfolgreich, die Delegierten-Plätze mit Sympathisanten des Texaners zu besetzen - aktuell in Colorado, wo das Trump-Team vor allem durch schlechte Organisation auffiel. Nun hat sich der Immobilien-Unternehmer mit Paul Manafort einen prominenten Kenner der Partei-Mechanik geholt, um das zu ändern. Denn, so die Haubitzen-Logik des Journalisten Philip Bump: "Die Parteiversammlung ist kein Super Bowl, ausgetragen an einem neutralen Spielort. Es ist Stalingrad und Trump will keine Belagerung."

Um die nötigen 1237 Delegierten vor der Convention zu erreichen, muss Trump übrigens 63 Prozent der noch ausstehenden Delegierten holen, Cruz 97 Prozent (für Kasich ist es bereits unmöglich)

Die Chancen für eine offene Parteiversammlung steigen also, und als wäre das noch nicht beunruhigend genug, erhielt Donald Trump noch eine unangenehme Diagnose. Ben Carson, dem ehemaligen Neurochirurgen, Präsidentschaftskandidaten und aktuellen Unterstützer des Spitzenreiters, attestierte Trump ungesundes Verhalten auf Twitter - beispielsweise als dieser jüngst abwertende Bemerkungen über Ted Cruz' Ehefrau retweetete. "Er weiß, dass es ein Problem ist", so Hobby-Psychologe und -Politiker Carson. "Und der erste Schritt zur Lösung ist, das Problem als solches zu erkennen."

*Update, 11. April: Wir haben die Übersetzung des Satzes von Bill Clinton korrigiert, da ein relevanter Teil ("die jene Leben töten") gefehlt hatte.

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