Obama zu Gast bei Jon Stewart:"Yes, we can, but ..."

Der TV-Moderator Jon Stewart greift den Demokraten vor den Kongresswahlen mit einer Anti-Tea-Party-Demo unter die Arme. Im Gegenzug darf er Barack Obama in seiner "Daily Show" interviewen - und den US-Präsidenten nach Herzenslust in Bedrängnis bringen.

Michael König

Das sollte wohl ein Witz sein. Oder war sich Jon Stewart bewusst, dass er den Demokraten einen ernsthaften Höhepunkt ihres Wahlkampfes schaffen würde, eine Machtdemonstration im Schlussspurt, drei Tage vor den Kongresswahlen?

Obama zu Gast bei Jon Stewart: US-Präsident Barack Obama (links) zu Gast in der Daily Show von Jon Stewart: "Yes, we can, but it's not going to happen overnight" - Ja, wir können es, aber wird nicht über Nacht passieren.

US-Präsident Barack Obama (links) zu Gast in der Daily Show von Jon Stewart: "Yes, we can, but it's not going to happen overnight" - Ja, wir können es, aber wird nicht über Nacht passieren.

(Foto: AFP)

Stewart ist der Moderator einer Satire-Nachrichtensendung, der Daily Show, auf dem Sender Comedy Central. Das spricht für die Witz-Theorie. Am 30.10. wird er eine Rally to restore sanity durch Washington führen, eine Demonstration zur Wiederherstellung des gesunden Menschenverstandes in Amerika.

Es ist die Gegenbewegung zur "Rallye zur Wiederherstellung der Ehre", die der Fox-News-Moderator Glenn Beck vor einigen Wochen durch Washington geführt hatte. Mit 100.000 jubelnden Anhängern der Tea-Party-Bewegung. Und mit der Republikanerin Sarah Palin an seiner Seite.

Stewart und Beck mögen sich nicht besonders. Stewart ist ein Held der Linken, Beck ihr Feindbild. Das spricht dafür, dass Stewart die Sache tatsächlich ernst meint.

Die Demokraten jedenfalls sind von der Demonstration begeistert. Umfragen sagen ihnen für die Wahl am 2. November den Verlust mindestens einer Kongresskammer voraus. Sie sind verzweifelt genug, um sich von einer vermeintlichen Satire-Veranstaltung die Wende im Wahlkampf zu erhoffen.

Mehr als 200.000 Menschen haben sich bei Facebook dazu angemeldet. Prominente Liberale wie die Talkshow-Königin Oprah Winfrey und die Herausgeberin Arianna Huffington unterstützen die Veranstaltung.

Der Hype geht so weit, dass Barack Obama persönlich in Jon Stewarts Sendung gekommen ist, um die Sache anzukurbeln. Stewart ist allerdings nicht nur ein lustiger Typ, sondern 2009 auch zum vertrauenswürdigsten Nachrichtenmann der USA gewählt worden. Er hat einen Ruf zu verlieren - das bekommt Obama in der Sendung zu spüren.

"Sie haben sich rhetorisch weit aus dem Fenster gelehnt mit 'Hoffnung' und 'Wechsel'", sagt Stewart, der für die anstehende Demo sein Studio eigens aus New York nach Washington verlegt hat. "Jetzt sieht es eher so aus, als wäre das Motto der Demokraten: 'Bitte, Baby, gib mir noch eine Chance.'" Und dann fordert er den Präsidenten heraus: Ob der Wahlspruch "Yes, we can" nun den Zusatz "unter bestimmten Voraussetzungen" bekommen habe?

Obama legt an dieser Stelle eine Kunstpause ein. Ob er an Glenn Beck denkt, den schreienden Fox-News-Mann, der sich Menthol unter die Augen schmiert, um angesichts der Politik der Demokraten auf Knopfdruck weinen zu können?

Niemals hätte Beck die Galionsfigur der Rechten, Sarah Palin, so hart angefasst wie Stewart ihn in diesem Moment. Beck und Palin haben schließlich das gleiche Publikum: Menschen, die der festen Überzeugung sind, Obama sei wahlweise ein Muslim, eine Art schwarzer Hitler, oder auch ein Sozialist. Oder alles zusammen. Diese Leute meint Stewart, wenn er die "Vernunft" wiederherstellen will.

Schließlich kontert Obama auf die bissige Frage des Moderators: Heute, zwei Jahre nach dem Amtsantritt, würde er nicht mehr die Parole "Yes, we can" ausgeben. Sondern "Yes, we can, but it's not going to happen overnight" - Ja, wir können es, aber es wird nicht über Nacht passieren.

Stewart lacht derweil. Obwohl der Moderator bei seiner kritischen Linie bleibt und Obama auf die Schippe nimmt, hat Obama doch reichlich Gelegenheit, Werbung für seine Politik zu machen. Er führt die schon bekannte Liste an, von der Gesundheits- bis zur Finanzreform, und fragt: "Ist das nicht genug?"

Zwar habe er im Wahlkampf "Change, you can believe in" versprochen ("Veränderung, der Sie vertrauen können"), sagt Obama. Er habe damals aber nicht behauptet, diese Veränderung stelle sich bereits nach 18 Monaten ein: "Wir haben gesagt: Wir müssen daran arbeiten." Doch angesichts schwindender Umfragewerte gesteht er auch: "Die Leute sind frustriert."

2008 war Obama, damals noch als Präsidentschaftskandidat, schon einmal bei Jon Stewart erschienen - per Fernschalte. Damals gab er sich betont cool und parlierte über den Wahlkampf und wie seine beiden Töchter das ständige Reisen finden. 2010 hat sich die politische Stimmung in Amerika dramatisch verändert - und auch die Leichtigkeit ist verschwunden.

Statt wie damals die Obamania anzufeuern, verliert sich der Präsident im Gespräch mit Stewart im Klein-Klein der Gesundheitspolitik. Während Stewart das Interview mit Kalauern zu würzen versucht und Lacher des Publikums erntet, rattert Obama seine Wahlkampfargumente herunter. Als er sich an einer Stelle in seinen Ausführungen verliert und minutenlang redet, quiekt Stewart mit gespielter Empörung: "Ich darf nichts sagen!"

Fast 45 Minuten ist der Präsident in der Daily Show, ungewöhnlich lange für das kurzweilige Format. Laut der New York Times musste die Sendung sogar gekürzt werden - um einige Szenen zu Beginn, in denen Stewart gelangweilt mit den Fingern auf dem Tisch getrommelt und mit einem Stift gespielt hatte. Um zu verdeutlichen, dass er die Macht hat, den Präsidenten warten zu lassen.

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