US-Wahlkampf:Obama schaltet auf Angriff

Der US-Präsident droht Assad, verteidigt die Frauenrechte und lässt keinen Zweifel daran, gegen Herausforderer Mitt Romney auch schmutzig zu kämpfen. Obama hat allen Grund zum Aktionismus: Die Republikaner sammeln deutlich mehr Geld - und könnten schon bald den Wahlkampf dominieren.

Johannes Kuhn

Als Überraschungsgast kündigte Pressesprecher Jay Carney den US-Präsidenten den versammelten Washingtoner Medien an, doch richtig überraschend war Barack Obamas Besuch beim nachmittäglichen Briefing nicht. Zwei Monate nach seiner letzten offiziellen Pressekonferenz im Weißen Haus zog der Amtsinhaber am Montag die Aufmerksamkeit auf sich (Video hier). Es war höchste Zeit.

Obama hat nur noch wenige Tage, bevor sein Konkurrent Mitt Romney in Tampa auf dem Parteitag der Republikaner offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt wird - begleitet von einer großen Werbe-Show mit viel Konfetti. Der Wahlkampf geht dann eigentlich erst richtig los. Für Obama gestaltet er sich aber schon jetzt eher schwierig.

In der Spenden-Rangliste liegt der Amtsinhaber inzwischen hinten. Die Republikaner haben deutlich mehr Geld gesammelt als die Demokraten: Im Juli waren es 185,9 Millionen Dollar, Obama und die Demokraten hingegen kommen auf 126,9 Millionen. Damit hat die konservative Seite genug Geld, um Obama und die Demokraten in Sachen Wahlkampfwerbung hinter sich zu lassen.

Für Obama, im Wahlkampf 2008 als Spendensammler sehr erfolgreich, ist das eine ungewohnte Situation. Auf die Kraft seiner Kampagne, so scheint es, kann er sich diesmal nicht unbedingt verlassen. Das war auch der Pressekonferenz am Montag anzumerken: In 22 Minuten holte der Präsident zum Rundumschlag gegen die Republikaner aus. Und rechtfertigte sich dafür, im Wahlkampf längst auch auf "schmutzige" Mittel zurückzugreifen.

"Eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung"

Da war die Steilvorlage des Gegners, die es für Obama zu verwerten galt. Der republikanische Senatskandidat und Abtreibungsgegner Todd Akin hatte es mit der kruden Theorie, Frauen könnten Schwangerschaften nach "tatsächlichen Vergewaltigungen" durch körpereigene Mittel verhindern, in die nationalen Medien geschafft.

Obama antwortete mit dem Satz: "Eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung." Mit dem Hinweis, dass - meist männliche - Politiker sich nicht anmaßen sollten, Vergewaltigungen zu klassifizieren, griff er indirekt Paul Ryan, den Vize-Kandidaten seines republikanischen Konkurrenten Mitt Romney an.

Zwar hat sich das gegnerische Wahlkampfteam schnell von den Äußerungen Akins distanziert, doch Ryans konservative Grundeinstellung bietet den Demokraten ausreichend Angriffsfläche. Der Abgeordnete aus Wisconsin lehnt, anders als Romney und Obama, Schwangerschaftsabbrüche auch in Fällen von Vergewaltigungen, Inzest oder gesundheitlicher Gefährdung der Mutter ab.

Der Fall Akin wirft ein Schlaglicht auf die Abtreibungsdebatte. Obama kann das nur recht sein. Frauen gehören zu den wichtigsten Wählergruppen Obamas, in einigen umkämpften Staaten könnten sie entscheidend für den Demokraten sein.

"Leute, das ist Standard"

Auch sonst ging der Präsident bei seinem Auftritt nicht zimperlich mit den Republikanern um. Kritik, sein Team konzentriere sich statt auf Sachthemen auf Mitt Romneys immer noch ausstehende Steuererklärungen - "Leute, das ist nicht besonders persönlich, das ist Standard", entgegnete der Präsident lächelnd. "Ich glaube nicht, dass wir besonders gemein sind, wenn wir von ihm das verlangen, was jeder andere Präsidentschaftskandidat getan hat."

Traditionell legen die Bewerber vor der Wahl ihre Steuererklärungen aus den zurückliegenden Jahren der Öffentlichkeit vor. Romney sperrt sich dagegen und gab bislang nur wenige Zahlen bekannt. Zuletzt betonte er, in den vergangenen zehn Jahren nie weniger als 13 Prozent Steuern gezahlt zu haben - was Steuerrechtler sogleich bezweifelten. "Beweise es!", riefen ihm die Demokraten zu. Die Republikaner hielten dagegen, die Obama-Kampagne bewerfe ihren Kandidaten mit Schmutz.

Obama konterte am Montag, es sei Romneys Team, das die Politik des Präsidenten falsch darstelle. Was im Falle der aktuellen Behauptung, Obama würde die Zugangsbeschränkungen für staatliche Wohlfahrtsprogramme lockern, auch stimmt. Doch wie war das mit dem Wahlkampf-Video, in dem Romney indirekt mit dem Tod der Ehefrau eines Stahlarbeiters in Verbindung gebracht wird? "Ich habe den Spot weder produziert, noch abgesegnet", erklärte Obama, zudem sei er nur ein einziges Mal gezeigt worden. Die Interessengruppe, die hinter dem Video steht, ist offiziell tatsächlich unabhängig, wurde aber von zwei ehemaligen Wahlkampfmanagern des Präsidenten gegründet.

Syrien und die "rote Linie"

Bei aller Auseinandersetzung mit Romney verkam Obamas Äußerung zur Haltung der USA im Syrien-Konflikt beinahe zur Randnotiz: Der Einsatz chemischer oder biologischer Waffen durch das Assad-Regime bedeute für einen möglichen US-Militäreinsatz eine "rote Linie", sagte Obama zum Schluss der Pressekonferenz. Man arbeite mit Verbündeten in der Region an einem entsprechenden Notfallplan.

Wirklich neu war diese Aussage nicht, lieferte dem Präsidenten aber einige Schlagzeilen und die Aussicht, den Vorwurf der außenpolitischen Führungsschwäche zu entkräften, den ihm seine Gegner immer wieder machen.

In der kommenden Woche gehört die Bühne nun den Republikanern. Deren Kampagnenstrategie ist bereits klar: Romney und Ryan werden die weiterhin hohe Arbeitslosenquote und das defizitäre Haushaltsbudget in den Mittelpunkt stellen - und beides Obama und seiner vermeintlich linken Wirtschaftspolitik anlasten. Der Präsident hingegen verfolgt die Taktik, Romney und Ryan als abgehobene wie unsoziale Vertreter der Elite darzustellen, deren Pläne die Mittelschicht zerstören.

Dass dabei wieder Sachthemen in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung rücken, ist unwahrscheinlich. "Wir zeigen die starken Unterschiede zwischen den Kandidaten auf, aber wir überschreiten dabei keine Grenzen", sagte Obama zu seiner Wahlkampftaktik. Als Versprechen sollte man diesen Satz nicht interpretieren.

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