Morgens um neun steht Marco Rubio frisch gekämmt und gescheitelt vor den ersten Neugierigen im Wahlkampf, einen Pappbecher Kaffee in der Hand. In der Nacht hat Nordkorea etwas gezündet, das eine Wasserstoffbombe sein könnte. "Es ist nicht bewiesen, dass es eine Wasserstoffbombe ist, aber der Diktator hat bewiesen, dass er ein Irrer ist", sagt Rubio und verlangt, dass die USA ihre Asien-Flotte aufstocken. Laryssa Bonacquisti, eine junge Zuschauerin, die sich später für ein Erinnerungsfoto an Rubio schmiegt, ist beeindruckt: "Morgens um neun hat er schon einen Plan für Nordkorea", sagt sie. Andere Besucher loben Rubio als "professionell", "nachdenklich", "jung".
Im krawallreichen Wettbewerb um die Präsidentschaft gilt Rubio, 44, ein US-Senator aus Florida, als letzte Hoffnung gemäßigter Anführer der republikanischen Partei. Genährt wird die Hoffnung nun von dem Wahlergebnis der ersten Vorwahl in Iowa, bei der Rubio ein überraschend gutes Ergebnis einfuhr: 23 Prozent, nur einen Prozentpunkt hinter Donald Trump. Man traut ihm zu, im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur die Populisten Donald Trump und Ted Cruz zu schlagen - und in der Hauptwahl die mutmaßliche demokratische Kandidatin Hillary Clinton.
Noch liegt Rubio in landesweiten Umfragen an dritter Stelle, aber seine Förderer halten ihn für den einzigen Mann mit mehrheitsfähigem Profil und realistischen Aussichten, sich im Frühjahr an die Spitze zu setzen. Mehrere einflussreiche Republikaner im US-Kongress haben seine Bewerbung unterstützt, was zwei Dinge verrät: Erstens die tiefe Abneigung der Parteielite gegenüber Trump und Cruz. Zweitens die Erkenntnis, dass Jeb Bush, der ursprüngliche Mann des "Establishments", wohl scheitern wird.
Teilweise übernimmt er die unerbittliche Linie Trumps
Rubios Stärke liegt in seiner Biografie: Sein Aufstieg als Sohn kubanischer Einwanderer verkörpert den amerikanischen Traum. Rubio wirkt wie der Kandidat, den die Republikaner entworfen hätten, wenn man Kandidaten am Reißbrett entwerfen könnte. Nach der Niederlage Mitt Romneys bei der Wahl 2012 erkannten die Parteioberen, dass sie ihre notorische Unbeliebtheit bei Amerikas Latinos überwinden und jünger, offener und optimistischer wirken mussten. Rubio schien all diese Vorgaben in sich zu vereinen.
Wenn er spricht "schwärmen junge Frauen, alte Frauen werden ohnmächtig", spottete ein politischer Gegner über den Republikaner Marco Rubio.
(Foto: Jonathan Drake/Reuters)Im Jahr 2013 einigte er sich mit den Demokraten auf den Entwurf einer Einwanderungsreform, er kam den Latinos entgegen, weil es Millionen Ausländern ohne Papieren einen Weg zur Staatsbürgerschaft gewiesen hätte. Die Parteibasis aber reagierte empört; Rubio galt unter Rechten nicht mehr als prinzipientreuer Konservativer. Dann stieg auch noch Donald Trump in den Wettbewerb um das Weiße Haus ein, verlangte eine durchgängige Mauer an der Grenze zu Mexiko und die Ausweisung sämtlicher Illegaler im Land. Trump führt seitdem in allen Umfragen.
Als Rubio noch vor der Vorwahl in Iowa auftrat, distanzierte er sich also von seiner eigenen Initiative. "Das Thema hat sich verändert", sagte er, damals hätten ihn die Sorgen jener bewegt, die in Amerika bloß arbeiten wollten. Doch mit dem Aufstieg der Terrormiliz "Islamischer Staat" sei Einwanderung zu einer Frage der nationalen Sicherheit geworden. "Wir können es dem IS nicht erlauben, Mörder in dieses Land zu schicken", sagte er. "Wenn wir nicht wissen, wer du bist und warum du kommst, dann reist du nicht ein." Damit übernimmt er teilweise die unerbittliche Linie Trumps, der gleich alle Muslime fernhalten will. Rubios Weg vom Ausländerfreund zum Sicherheitsfanatiker ist ein Beispiel für das flip-flopping, das man Politikern oft vorwirft. Rubios Fans in Iowa stört das nicht. "Er hat sich der neuen Lage angepasst", sagt Kaylyn Blosser, "das ist doch eine gute Sache."