US-Wahlkampf:Je heftiger Trump angegriffen wird, desto stärker wird er

Donald Trump Holds Campaign Rally In Warren, Michigan

Kaum angreifbar: Trump im Wahlkampf

(Foto: AFP)
  • Donald Trump ist eine revolutionäre Kraft, er wird nicht wieder verschwinden.
  • Denn seine Wähler sind die vielen Millionen Amerikaner, die sich zurückgelassen fühlen und ausgegrenzt sehen von der politischen Elite des Landes.
  • Selbst wenn Trump nicht gewählt wird, wird er das amerikanische Parteiensystem in einen Trümmerhaufen verwandelt haben.

Kommentar von Stefan Kornelius

Donald Trump ist ein Demagoge, ein Populist, ein Egomane, ein Sexist, ein Rassist, ein Scharlatan. Es gibt keine Beschimpfung, mit der Trump nicht belegt worden wäre, und es gibt kaum einen Berufenen, der sich noch nicht ausgeschüttet hätte in seinem Zorn, ja Hass auf diesen Mann. Trump hat Wähler, aber er hat kaum Fürsprecher.

Aus Sorge wird jetzt Panik, aus einer Warnung schriller Alarm: Deutschland im Jahr 1933 dient plötzlich als historischer Bezug, der Name Adolf Hitler fällt, und wenn nicht Hitler, dann wenigstens Benito Mussolini, dessen Worte Trump ja skrupellos borgt. Viel Haar, wenig Hirn - die Auseinandersetzung mit dem Mann ist längst unter die Gürtellinie gerutscht. Rivale Marco Rubio stellte einen süffisanten Vergleich zwischen den kleinen Händen Trumps und der möglichen Größe eines anderen Körperteils an. Trump versicherte der Nation daraufhin, dass es gut um seine Männlichkeit bestellt sei. Amerika ist tief gesunken, sehr tief.

Fünf Phasen der Trauer kennt die Psychologie: Leugnung, Wut, Hader, Depression und schließlich die Resignation. Amerikas politische Elite hat die Phase der Leugnung hinter sich gelassen. Trump ist ein Faktor, eine revolutionäre Kraft. Er wird nicht wieder verschwinden. Nachdem sich alle Prognosen über seine Durchsetzungsfähigkeit im Vorwahlkampf als falsch erwiesen haben, wäre es jetzt töricht, seine Wahl zum Präsidenten auszuschließen.

Mit Trump entscheidet sich Amerika zwischen der Elite und dem Rest des Landes

Nun entlädt sich vor allem die Wut. Aus gewaltigen Kübeln ergießt sich der Anti-Trumpismus über das Land. Große Namen des amerikanischen Konservativismus rufen zum Widerstand gegen Trump auf, Expertengruppen der Partei wie etwa eine illustre Versammlung von Außenpolitikern kündigt die Gefolgschaft, sollte der Mann tatsächlich Kandidat werden. Der religiöse Flügel der Konservativen belegt, warum es sich bei Trump um einen nicht wählbaren Antichristen handelt. Und die Geldmaschine der Partei sammelt für den Widerstand.

All das bewirkt zunächst einmal: nichts. Trump ist nicht nur immun gegen Kritik, sie scheint ihm geradezu Wähler zuzutreiben. Je heftiger Trump angegriffen wird, desto stärker wird er. Der Kandidat steht nicht an der Spitze einer Parteienbewegung, er führt ein völlig neues Wählerheer an. Trump ist der Kandidat der Zornigen, der Zukurzgekommenen, der Vergessenen. Oder zumindest all jener, die sich für benachteiligt und missbraucht halten.

Der amerikanische Film liebt das Genre des wütenden weißen Mannes. In "Falling Down" spielt Michael Douglas den arbeitslosen und grundzornigen William Foster, der mit seiner Waffe fürchterliche Rache nimmt an der Welt, die sich gegen ihn verschworen hat. In "Gran Torino" findet Clint Eastwood in seinem rasenden Zorn am Ende wenigstens zum Guten. Donald Trump aber ist kein Filmheld, sein Plot ist die Realität, und seine Statisten sind die vielen Millionen Amerikaner, die sich zurückgelassen fühlen und ausgegrenzt sehen von "denen da oben": von der politischen Elite, den Gewählten und ihren Lobbyisten in Washington, den Geldschauflern von der Wall Street, dem Medien-Establishment.

Jetzt stehen sie auf, die Unverstandenen und Ignorierten, die Opfer von Macht-Zynismus und eines Stillstandes, der ihr Leben seit Jahrzehnten bestimmt. Sie fühlen sich nicht vertreten durch eine Hillary Clinton oder einen Marco Rubio. Republikaner sind ihnen ebenso suspekt wie Demokraten, viele Trump-Anhänger haben vermutlich bisher überhaupt nicht gewählt. Jetzt stellen sie sich hinter den Kandidaten, der ihr Held ist im Kampf gegen das Establishment. Sie wollen ein anderes Land, egal wie, Hauptsache anders. Trumps Grobheit spricht ihnen aus dem Herzen, weil sie die politische Korrektheit satthaben und sich bevormundet fühlen.

Mit Donald Trump entscheidet sich Amerika nicht zwischen konservativ und liberal, sondern - ausgedrückt in aller Grobheit - zwischen der Elite und dem Rest des Landes. Trump baut auf einen Volkszorn, der sich einerseits objektiv angestaut hat, weil Amerika viele Ungerechtigkeiten und soziale Verwerfungen erlebt. Andererseits wurde dieser Zorn auch gezüchtet von exakt dieser politischen Elite, die Trump nun zum Schafott führt.

Trump sei "die Schöpfung der Partei, ihr Frankenstein-Monster"

Der Vorzeige-Intellektuelle der Republikaner, Robert Kagan, selbst durch und durch Mitglied jener Elite, hat seiner Partei eine furiose Grabrede geschrieben: Trump sei "die Schöpfung der Partei, ihr Frankenstein-Monster, zum Leben erweckt durch die Partei, gefüttert von der Partei und nun stark genug, um seinen Schöpfer zu zerstören". Tatsächlich passiert exakt dies: Der Kandidat führt eine Kampagne gegen das politische Establishment und damit gegen die eigene Partei. Er zwingt die Abgeordneten, Funktionäre und Vordenker entweder hinter sich - oder in die Gegnerschaft. Das Ergebnis: Die Partei spaltet sich, die Republikaner stellen sich gegen ihren eigenen Kandidaten und zerbrechen unter den wuchtigen Schlägen seiner Establishment-Keule. Selbst wenn Trump nicht gewählt wird, wird er das amerikanische Parteiensystem in einen Trümmerhaufen verwandelt haben.

Das politische System Amerikas ist spröde geworden in vielen Jahren der Totalverweigerung, des politischen Nihilismus und der Destruktion. Der Hass gegen das System, der Hass gegen Obama, der Hass gegen die Institutionen, die eine Demokratie tragen, hinausposaunt über Fox-News und lustvoll ausgelebt in unzähligen Gesetzesblockaden und Nominierungsschlachten - das gehört schon viel zu lange zum Grundrauschen in Washington. Es brauchte fast neun Monate im Vorwahlkampf, um diese Dynamik zu verstehen. Weil aber niemand in diesen Kandidaten Trump hineinschaut, bleibt die wichtigste Frage unbeantwortet: Ist Trump bei Sinnen? Weiß er, was er da tut?

Das US-Präsidentenamt mit seiner unvergleichbaren Machtfülle kann man keinem Mann anvertrauen, der Tag für Tag Belege für seine Unberechenbarkeit und Unzurechnungsfähigkeit liefert. Amerika steht vor einer harten demokratischen Prüfung. Trump wird dem Land großen Schaden zufügen und dem Rest der Welt ein gefährliches Vorbild sein.

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