US-Wahlkampf im Rückblick:Drei Monate Seifenoper

Die Wahlkampfmaschinerie in den USA ist heißgelaufen: Welche Fehler und Peinlichkeiten im Eifer der dreimonatigen Gefechte den Kandidaten unterliefen. Ein Rückblick in Bildern.

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Ab Juli 2008 beginnt die Wahlkampfmaschinerie in den Vereinigten Staaten heißzulaufen. Die Parteien küren ihre Kandidaten, das Wetteifern um die Wählergunst geht in einen dreimonatigen Endspurt. Im Eifer des Gefechts unterlaufen den Kandidaten und ihren Running Mates Fehler und Peinlichkeiten. Und die eskalierende Finanzkrise lässt den politischen Schlagabtausch ohnehin wie eine Soap-Opera erscheinen. Ein Rückblick in Bildern

Folge 1: Medien-Darling Obama

(Der Hype um den Senator und seine Berliner Rede)

Zu Beginn des Endspurtes ist klar, wer der schlagzeilenträchtigere Präsident wäre. Seit dem Ausscheiden seiner Konkurrentin Hillary Clinton dominiert Obama die Berichterstattung über den US-Wahlkampf: In 78 Prozent der Berichte in Print, Radio und Fernsehen war er Hauptfigur, McCain hingegen nur in 51 Prozent.

Mit Obamas neuntägiger Reise in den Nahen Osten und nach Europa, mit dem er seine außenpolitische Kompetenz unter Beweis stellen will, erreicht das Medieninteresse einen Höhepunkt.

Auch in den deutschen Medien ist das Interesse am Shootingstar Obama gewaltig. Der Auftritt des demokratischen Präsidentschaftskandidaten im Berliner Tiergarten vor 200.000 Menschen gerät dementsprechend zu einem Triumph. Die Republikaner können der Obamania nur hilflose Ironie entgegensetzen - und den rhetorischen Holzhammer. Statt bei seinem Deutschlandbesuch verwundete US-Soldaten zu besuchen, habe sich der schwarze Senator "an seine Planung gehalten und internationale Spitzenpolitiker und kriecherische Deutsche getroffen", sagte Tucker Bounds, Sprecher des republikanischen Bewerbers John McCain - und fürs Fitnessstudio habe Obama ebenfalls Zeit gehabt.

Foto: ddp

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Folge 2: Die Rache des Vernachlässigten

(Wahlkampf um den Ölpreis und das Eingreifen von Paris Hilton)

Nachdem die Vernachlässigung John McCains durch die Medien schon zu Karikaturen führte, gelingt es dem Republikaner, mit einem geschickten Schachzug wieder Oberwasser zu bekommen. Vor dem Hintergrund der explodierenden Energiepreise nutzt er die Angst der Amerikaner vor Energieknappheit: Er fordert trotz umweltpolitischer Bedenken Bohrinseln vor der Küste und kann prompt gegen Obama punkten.

Ein weiterer Angriff auf den Kontrahenten gerät zum Bumerang: In einem Fernsehspot hatten die Republikaner den umjubelten Auftritt Obamas in Berlin mit ähnlichen Szenen um Glamourfiguren wie Paris Hilton und Britney Spears zusammengeschnitten. Der Off-Kommentar deutete an, dass Promis von diesem Kaliber eben nicht fähig seien, die Nation zu führen.

Überraschenderweise wehrte sich daraufhin zuerst Paris Hilton - auf selbstironische Weise. Wenig später zahlte auch Obama mit gleicher Münze zurück: Mit einem Fernseh-Werbespot, in dem McCain als Handlanger der Ölindustrie porträtiert wird.

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Folge 3: Spaß mit Mr. Außenpolitik

(Obamas Running Mate Joe Biden)

"Das würde der unterhaltsamste Vizepräsident der Geschichte werden!" Dieser ersten Reaktion eines Moderators des konservativen US-Senders Fox News auf die Nominierung von Joseph "Joe" Biden werden auch US-Demokraten kaum widersprechen. Denn mit Biden hat Obama einen brillanten, humorvollen Redner als Running Mate gewählt.

Er ist allerdings auch ein Mann, dem seine Worte nur so aus dem Munde strömen und ihn immer wieder in größte Verlegenheit bringen. Legende sind die Geschichten über Bidens zuweilen aufflammenden Jähzorn. Auch bei Obama musste sich Biden im Frühjahr entschuldigen: Obama sei der "erste Mainstream-Afroamerikaner, der sich gut ausdrückt, intelligent und sauber ist und gut aussieht", hatte Biden locker formuliert - und viele Schwarze in den USA damit empört.

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Folge 4: Eiskalte Überraschung - Sarah Palin

(McCains Running Mate Sarah Palin)

Das McCain-Team wirbelt den Wahlkampf gekonnt durcheinander mit der Ankündigung, die Gouverneurin Alaskas zur Vizepräsidentschafts-Kandidatin des Senators aus Arizona zu machen. Der Coup schien gelungen, das republikanische Duo beherrscht tagelang die Schlagzeilen und liefert nette Bilder.

Die Rede, mit der Palin sich auf dem Parteitag der Republikaner vorstellte ("Pitbull mit Lippenstift"), erntet großen Beifall. "Der Republikaner, der die machohafteste Rede des Abends gehalten hat, ist eine Frau", schwärmt Alex Castellanos, konservativer Kommentator im Fernsehsender CNN. Und der sonst eher nüchterne Moderator Wolf Blitzer resümiert verzückt: "Heute ist ein Stern geboren worden in Amerika." Palin avanciert außerdem zum modischen Idol der imitationsfreudigen Durchschnittsamerikanerin. Es geht der Sturm auf die Palin-Accessoires los. "Palins Stil löst Kaufrausch aus - Modefirmen kassieren ab", titelte im September sogar das Wall Street Journal. "

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Folge 5: Obamas große Rede

(Demokraten nominieren Obama in Denver)

Obama akzeptiert "in Demut" seine Nominierung - im Footballstadion in Denver, vor mehr als 80.000 Zuschauern. Die Krönungsmesse für die Lichtgestalt der Demokraten wird zu großartigen Show - mit einer erneuten Glanzvorstellung des begabten Rhetorikers.

Drei Überraschungen steckten allerdings in Obamas Rede, resümiert die SZ: Selten sprach der Senator aus Chicago zugleich so sentimental (über sich), so konkret (über sein Programm) und so aggressiv (über seinen Gegner John McCain).

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Folge 6: Stürmische Zeiten - der Parteitag der Republikaner

(Republikaner nominieren McCain in St. Paul)

Der Nominierungsparteitag für John McCain fällt weniger feierlich aus. Das Schicksal in Gestalt des Hurrikans Gustav sorgt für einen kräftig abgespeckten Auftakt des mehrtägigen Konvents: Das Programm am ersten Tag des Treffens wurde auf gut zwei Stunden zusammengestrichen. Die geplanten Autritte von Präsident Bush, Vizepräsident Dick Cheney und anderen Rednern waren wegen Gustav abgesagt worden. Die Parteitagsregisseure wollten den Eindruck vermeiden, dass sich die Republikaner zu einem Jubelfest treffen, während an der Golfküste Millionen Menschen auf der Flucht sind. Das hätte ungute Erinnerungen an den Umgang der republikanischen Bush-Regierung mit dem verheerenden Hurrikan Katrina wachgerufen.

Auch John McCains Rede auf dem Parteitag ist bieder, monoton und langweilig. Die Drecksarbeit aggressiver Attacken hatte ihm einen Tag zuvor sein "Pitbull mit Lippenstift", die vom Nobody zum neuen Parteiidol aufgestiegene Sarah Palin, abgenommen.

Selbst in den Kritiken der internationalen Zeitungen wird einmütig zugegeben, dass Sarah Palin McCain rhetorisch die Show stahl. Allerdings entfacht sie auch auf anderen Gebieten Wirbel. Die strenggläubige Republikanerin machte am Montagmorgen die Schwangerschaft ihrer minderjährigen Tochter öffentlich.

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Folge 7: Unvorhergesehener Mitspieler: Die Finanzkrise

(Wahlkampftaktik und ein Krisengipfel)

Die Eskalation der Finanzkrise lässt den Wahlkampf für Wochen in den Hintergrund treten. Vor der Katastrophenkulisse an den Finanzmärkten scheitert erneut einer der strategischen Schachzüge von John McCain. Mitten in der Krise verkündet er, sofort seinen Wahlkampf einstellen zu wollen, nach Washington zu eilen und dort so lange zu bleiben, "bis die Krise gelöst ist".

Obama hatte McCain am Mittwochmorgen eine gemeinsame Erklärung zur Finanzkrise vorgeschlagen. Stunden später meldete sich McCain bei Obama und stimmte zu.

Er bat Obama außerdem, nach Washington zu kommen und den Wahlkampf zu unterbrechen. Obama sagte, er wolle darüber nachdenken. Statt eine Antwort abzuwarten, stürmte McCain in New York vor die Kameras und verkündete seinen Coup. McCains große Geste bleibt doch nur ein Wahlkampftrick.

McCains Idee, im Weißen Haus eine überparteiliche Krisenkonferenz anzusetzen, griff Parteifreund George W.Bush sofort auf. Auch Obama erscheint bei diesem Treffen. Doch viel mehr als ein Appell, sich zum Wohle der Nation zu verständigen, kommt bei diesem Gipfel nicht heraus.

Außerdem will McCain ein Ereignis absagen, das Millionen Amerikaner sich seit Wochen in ihrem Terminkalender notiert hatten: Das erste von drei Duellen der beiden Rivalen im Fernsehen. Als neuen Termin schlägt er den 2. Oktober vor. Dann wäre das geplante Stellvertreter-Duell zwischen Joe Biden und Sarah Palin ausgefallen. Den Republikanern wäre das gelegen gekommen: Sie versuchen seit Wochen, Palin von kritischen Fragen abzuschirmen.

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Folge 7: Die Katastrophe namens Sarah

(Skandale um die Vizepräsidentin in spe)

Die Kür des neuen Stars der Republikaner war zu hastig: Das McCain-Team hatte nur einen Tag Zeit, um die Vizepräsidentin in spe dem üblichen Polit-Check zu unterziehen. Und in der Eile haben sie Einiges übersehen. Der Skandal um die unverheiratete, aber dennoch schwangere Tochter der erzkonservativen Palin droht ihr als erstes einen Strich durch die Rechnung zu machen. Die Gouverneurin propagiert den Verzicht auf Sexualerziehung und völlige Enthaltsamkeit bis zur Ehe. Doch mit rührenden Familienszenen auf dem Republikanerparteitag - inklusive dem eilig anverlobten Schwiegersohn in spe - wurde der erste Riss im Image noch ausgebügelt. Gegenüber diesem Schwachpunkt hielt sich Konkurrent Obama vornehm zurück.

Doch auf den nächsten Fauxpas stürzten sich die Demokraten mit umso größerem Genuss. Troopergate - der Fall eines von Sarah Palin möglicherweise mit Machtmissbrauch aus dem Amt getriebenen Polizisten - bescherte der Gouverneurin parallel zum Wahlkampf eine laufende Ermittlung gegen ihre Person. Meldungen, dass sie Schulfreundinnen Jobs zugeschustert haben soll und in der Kirche den Irakkrieg und eine geplante Gaspipeline als Wille Gottes darstellte, wurden daneben zu Petitessen.

Nach drei Interviews, in denen sich Vizepräsidentin in spe bei Fragen nach außenpolitischen oder Wirtschaftsthemen fatal überfordert zeigte, begannen die Republikaner, ihren Ex-Superstar vor den Medien zu verstecken wie eine empfindliche Blume. Worte wie "inhaltsfrei", "peinlich" und "schaurig" machten nach den TV-Auftritten die Runde.

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Folge 8: Die Schlammschlacht beginnt

(Terrorismusvorwürfe gegen Obama)

Auf den letzten Metern wird es schmutzig: Das McCain-Lager beginnt einen extrem aggressiven Wahlkampf zu führen. Die republikanische Vizepräsidenten-Kandidatin Sarah Palin wirft Obama vor, mit Terroristen in Kontakt gestanden zu haben.

Sie bezog sich auf einen Artikel der New York Times, in dem über die Bekanntschaft Obamas mit Bill Ayers, dem Mitbegründer der Weathermen - einer linken Terrorgruppe, die in den 60er Jahren Anschläge auf US-Regierungsgebäude verübt haben soll - berichtet worden war.

Obama "treibt sich mit Terroristen herum, die ihr eigenes Land angreifen", rief Sarah Palin in Colorado. Die einzige Krux dabei: Obama war ein kleiner Junge, als Ayers im Untergrund war. Heute ist Ayers Universitätsprofessor, getroffen haben sich er und Obama erstmals 1995 bei der Arbeit in einer sozialen Gruppe.

Das führt zu grotesken Anschuldigungen von McCain-Wählern gegen Obama. In Minnesota etwa wettert eine Republikanerin, sie traue Obama nicht. "Ich habe über ihn gelesen, dass er Araber ist." Hier muss selbst McCain die Auswirkungen der Hetzreden seiner eigenen Vizekandidatin begrenzen. "Nein, nein", sagt er. "Obama ist ein anständiger Mann, ein Bürger, mit dem ich nur nicht die gleichen Ansichten in fundamental wichtigen Belangen teile. Darum stehen wir uns im Wahlkampf gegenüber." Doch die Beschwichtigungsversuche des Präsidentschaftskandidaten kommen bei den Menschen nicht wirklich gut an. Vielmehr buhen sie den 72 Jahre alten Kriegsveteranen aus.

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Folge 9: Das große Palaver

(Drei TV-Duelle zwischen den Rivalen)

Nachdem McCain der ersten Begegnung trotz Finanzkrise zugestimmt hatte, trafen die Kandidaten in drei TV-Duellen aufeinander. Die schärfste und spannendste Debatte ergab sich während der letzten Begegnung. Doch welcher der beiden Kandidaten insgesamt überzeugender war, darüber gehen die Meinungen auseinander.

McCain zeigte sich angriffslustiger als in den vorhergehenden Sendungen. Obama spulte zunächst nur seine angestaubte Lieblingsbotschaft herunter: McCain bedeute vier weitere Jahre George W. Bush. Darauf gab der Republikaner schlagfertig zurück: "Senator Obama, darf ich Ihnen versichern, ich bin nicht Bush. Wenn Sie gegen Bush Wahlkampf machen wollen, hätten Sie vor vier Jahren antreten sollen. Ich werde dem Land eine neue Richtung geben."

Die Umfragen nach der Debatte ließen keinen Zweifel aufkommen, wer das Duell gewonnen hatte. 58 Prozent der Fernsehzuschauer fanden Obama besser, nur 31 Prozent McCain. Nach drei Debatten steht es damit 3:0 für den Demokraten.

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Folge 10: Rückendeckung vom Ex-General

(Colin Powell unterstützt Obama)

Auch unter republikanischen Politikern werden die scharfen Angriffe gegen Obama nicht gutgeheißen. Neben anderen prominenten Republikanern und den Wahlempfehlungen mehrerer Zeitungen erhält Barack Obama kurz vor der Wahl auch von einem ehemaligen Mitglied der Bush-Regierung Unterstützung. Der Ex-Außenminister Colin Powell wirbt für Obama und wendet sich gegen den Aggressiv-Wahlkampf McCains, insbesondere die Terrorismusvorwürfe. Ein solcher politischer Stil vergifte das Klima im Land.

Kurz darauf kann Obama verkünden, dass der Ex-Vier-Sterne-General Colin Powell im Falle eines Wahlsiegs eine Rolle als Berater übernehmen werde. Nun erhält Obama mit dem populären Powell und seinem Vizepräsidentschaftskandidaten Joe Biden Unterstützung von gleich zwei Experten im außenpolitischen Bereich.

Zahlreiche renommierte US-Printmedien geben Wahlempfehlungen für den Demokraten ab, darunter die New York Times. Das Wirtschaftsmagazin Economist lässt auf seiner Website die ganze Welt über die US-Präsidentschaftskandidaten abstimmen. Die Mehrheit in diesem Gremium hat sich Barack Obama längst gesichert: Mit 9111 zu 163 Stimmen liegt er uneinholbar vorne. Und auch viele Prominente von George Clooney bis Scarlett Johansson unterstützen den Senator aus Illinois tatkräftig.

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ap

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Folge 11: Spaß muss sein

Bleiben wird aus den Debatten vor allem ein Satz. Im zweiten Fernsehduell zeigte McCain mit dem Finger auf Obama und nannte ihn wenig freundlich "that one" - "der da". Das diente zum einen den Obama-Fans als Aufhänger für massenhaft produzierte T-Shirts, auf denen über einem Obama-Konterfei zu lesen ist: "That one vor President".

Zum anderen lieferte der Ausrutscher Material für Selbstironie der beiden Kandidaten. Einen Tag nach der letzten Fernsehdebatte machten sich Barack Obama und John McCain beim traditionellen Al-Smith-Dinner in New York nicht nur über den Gegner, sondern auch über sich selbst lustig.

So erklärte der republikanische Präsidentschaftskandidat McCain, er habe alle seine Berater gefeuert und ihre Aufgaben an "Joe the Plumber" übertragen - der Klempner aus Ohio, der bei dem TV-Duell am Vortag als Durchschnittsamerikaner herhalten müsste. Obama habe nichts dagegen, dass er ihn während einer früheren Debatte als "that one" (sinngemäß: "der da") bezeichnet hatte, sagte McCain weiter. "Tatsächlich hat er auch einen Kosenamen für mich: George Bush."

Obama seinerseits scherzte, sein Vorname Barack heiße ohnehin auf Swahili "der da". Seinen muslimisch klingenden Mittelnamen "Hussein" habe er "von jemanden erhalten, der nicht dachte, dass ich mich jemals um die Präsidentschaft bewerben würde".

Foto: AP

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