US-Wahlkampf 2016:Ein Stück von uns

Lesezeit: 1 Min.

Der Mythos der Vereinigten Staaten, von Bob Dylan, Susan Sontag und John Wayne ist längst verblasst. Dennoch sind die USA ein Sehnsuchtsort geblieben - auch deshalb nehmen die Deutschen so sehr Anteil.

Von Kurt Kister

Der neue US-Präsident steht fest. Schon vor der Wahl war aber klar, wie sehr sich das Bild von Amerika gerade in Deutschland verändert hat. Gemeint sind damit nicht jene, deren Wahrnehmung längst vom Vorurteil zum Urteil über "die" Amerikaner geronnen ist. Viele von ihnen machen es sich einfach, weil sie sich durch fast alles, was in den USA zwischen Polizeigewalt und Wall-Street-Korruption passiert, in ihrem fest gefügten Weltbild bestätigt sehen.

Nein, es geht um die anderen. Für sie bedeutete Amerika nicht nur Rassismus, Imperialismus und Coca-Cola, sondern es war ein Sehnsuchtsort. Die Kultur, auch die populäre Kultur, Musik und Literatur, die Strömungen der counter culture, Susan Sontag und Bob Dylan, das übermäßig romantisierte weite Land - all das schwang in "Amerika" mit. Der Begriff, viel mehr als nur ein Wort, war bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hinein ein Versprechen.

Der Traum von Amerika ist unter die Albtraumdämonen gefallen

Im Nachkriegsdeutschland waren Amerikaner die Helden und Heldinnen vieler Deutscher. Das reichte in zwei Generationen von Elvis über Kennedy und die Monroe bis hin zu Jim Morrison, John Wayne und Martin Luther King. Ein fernes Echo dieses Gefühls, dass jenseits des Atlantiks das Außergewöhnliche zu finden sein könnte, war die irrationale Liebe - Liebe ist wohl immer irrational - die nicht wenige Deutsche vor acht Jahren zu Barack Obama entwickelten.

Der Mythos Amerika, der hierzulande für jene Generation, die nicht alt werden will, mit Peter Fonda und Dennis Hopper auf ihren Harleys verbunden ist, verblasste schon vor Guantanamo und George Dabbeljuh Bush. Seitdem aber ist der Traum von den Bayous und vom Grand Canyon vielen Albtraumdämonen gewichen, die Gesichter von Dick Cheney, einem Revolvercop oder Donald Trump tragen.

Es ist grotesk. Was die 68er damals auch bekämpft haben - die kulturelle Hegemonie der USA - ist heute dank der US-Netzkonzerne wie Apple oder Facebook Realität geworden. Nie zuvor war amerikanisches Denken, Sprechen und Geldverdienen so verbreitet wie heute, da sich weltweit Abermillionen Menschen der Youtubisierung und Whatsappisierung unterwerfen. Dies bestimmt ihre Selbstdarstellung und letztlich ihre Sicht auf die Welt.

Die USA sind eine Mischung aus Taktgebern und Kontrolleuren in der globalen Kommunikation geworden. Auch deswegen nimmt man in Deutschland so viel Anteil an der US-Präsidentenwahl: Trump gegen Clinton, als wär's ein Stück von uns.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: