Süddeutsche Zeitung

US-Wahlblog:Ann, die Retterin der Romney-Kampagne

Noch gibt es kein TV-Duell der Ehefrauen, doch Michelle Obama und Ann Romney sind im Wahlkampf dauerpräsent. Hinter den Kulissen hat Ann dafür gekämpft, dass ihr Mann menschlicher präsentiert wird - das wirkt in Umfragen. Für den Wahlsieg backt die 63-Jährige sogar Süßes im Frühstücksfernsehen.

Matthias Kolb, Washington

In einem knallroten Kleid steht Ann Romney in der Fernsehküche, sie lächelt in die Kamera und drapiert die süßen Snacks auf dem Holzbrett. Es ist kurz vor acht Uhr und die Gattin des Obama-Herausforderers hat Welsh Cake für die Moderatoren von "Good Morning, America" gebacken.

Es sei ein altes Familienrezept (hier zum Nachbacken), das ihr Großvater aus Wales in die USA mitgebracht habe. Bevor er auswanderte, habe er bereits als Sechsjähriger in den Minen schuften müsse, berichtet die 63-Jährige - nun bringe sie ihren Enkeln bei, wie man das Gebäck zubereite.

Beide Ehefrauen sind beliebter als Obama und Romney

Knapp vier Wochen vor der Präsidentschaftswahl nutzen die Ehefrauen jede Gelegenheit, für ihre Männer und deren guten Charakter zu werben. Sowohl Michelle als auch Ann geben Interviews in Magazinen wie Good Housekeeping oder sprechen mit Oprah Winfrey für deren Zeitschrift O (mehr in diesem Artikel der New York Times).

Eine Umfrage der Washington Post zeigt zum wiederholten Mal, dass die Frauen beliebter sind als ihre Ehemänner - 67 Prozent der Amerikaner mögen Michelle (12 Punkte besser als Barack), 56 Prozent schätzen Ann (nur 47 Prozent mögen Mitt).

Allzu politisch werden die aktuelle und womöglich künftige First Lady bei ihren Medienauftritten allerdings selten; sie präsentieren sich als Normalbürger und gute Familienmenschen. Diese Aufgabe gelang Ann Romney vor den knapp fünf Millionen Zuschauern in Amerikas beliebtester Frühstücksfernsehshow anfangs recht gut. Seit Robin Roberts, der Star von "Good Morning America", wegen einer seltenen Knochenmark-Erkrankung behandelt werden muss, bittet ABC Promis an die Seite der fünf anderen Moderatoren. Ein Gastauftritt von Michelle ist ebenfalls geplant - man suche einen passenden Termin, hieß es.

Nach den TV-Satirikern Stephen Colbert und Jon Stewart, der Sängerin Jessica Simpson und Schauspieler Rob Lowe war es nun an der fünffachen Mutter Ann Romney, die abgewählten Teilnehmer der Tanzshow "Dancing with the Stars" zu befragen. "Warst du mit den Noten für euren Cha-Cha-Cha zufrieden?", wollte die Frau des republikanischen Kandidaten wissen. Es war die typische Plauderei, die gut zu den anderen Themen passte: In Florida können Teenager nun mit Tiger-Babies schwimmen und in einem noblen Ferienort in Maine wurde ein Prostitutionsring ausgehoben.

Während andere Kurzzeit-Moderatoren ihre neue Platte und ihren aktuellen Film preisen, verzichtet Ann darauf, offensichtlich um Wählerstimmen zu werben. Stattdessen bringt sie ein Pferd auf den New Yorker Times Square, wo die Sendung jeden Morgen in einem gläsernen Studio aufgezeichnet wird. Geritten wird Lord Ludger von der gehbehinderten Becca Hart, die dank der Reittherapie so große Fortschritte gemacht hat, dass sie nicht im Rollstuhl sitzt, sondern bei den Paralympics starten konnte. Pferde seien ein "Geschenk Gottes", schwärmt Ann, der das Reiten geholfen habe, ihre Multiple-Sklerose-Erkrankung zu meistern.

Bei Twitter waren die Reaktionen geteilt: Es könne sich nur das oberste Prozent leisten, Krankheiten und Behinderungen mithilfe von teuren Reitstunden zu kurieren - ein berechtigter Hinweis in einem Land, in dem Millionen ohne Krankenversicherung sind. Andere wie die Nutzerin "vbspurs" halten dagegen: Ann habe anders als Michelle nicht ihr halbes Leben gebraucht, um stolz auf Amerika zu sein (Hintergründe hier).

Auch in ihrem letzten Auftritt wurde deutlich, dass die 63-Jährige nicht das Leben einer Durchschnittsamerikanerin führt: Als Schauspieler Stanley Tucci bei der Kochpräsentation Butter in einer heißen Pfanne anbrennen ließ, fühlte sie sich daran erinnert, wie vor drei Wochen ihr Privatjet notlanden musste.

Unabhängig von der Performance bei "Good Morning America" weisen US-Medien ihr große Verdienste am Comeback des Republikaners zu. "Rettet Ann Romney gerade die Kampagne ihres Mannes?", fragt die Washington Post und das Insider-Blatt Politico schildert eine "Romney-Rebellion": Demnach haben sich Ann und der älteste Sohn Tagg mit dem Argument durchgesetzt, Mitt Romney müsse mehr persönliche Geschichten erzählen und moderater wirken. Taggs Aufgabe sei es, den Vater von Ablenkungen abzuschirmen.

Gehäuteter Romney kommt laut Umfragen gut an

Mit den Worten "Lasst Mitt einfach Mitt sein" soll sich seine Frau bei den Beratern beschwert haben, die den Fokus zu sehr auf Wirtschaftsfragen legten. Dass Romney sowohl bei der ersten für ihn so erfolgreichen TV-Debatte als auch bei seinen Auftritten im Land von Begegnungen mit Wählern oder seiner Zeit als Laien-Priester der Mormonen-Gemeinde in Boston spricht (Hintergründe hier), ist also vor allem seiner Gattin zu verdanken. Glaubt man den Umfragen, kommt der gehäutete Romney gut an.

Ann Romney, die 19-fache Großmutter, verteidigt ihren Mann immer und überall. Den parteiinternen Besserwissern schleuderte sie ein "Hört auf damit! Wenn ihr denkt, dass ihr es besser könnt, dann tretet selber an" entgegen. Noch mehr treibt sie jedoch die Wut auf den politischen Gegner an: Sie sei entsetzt über die Schmutzkampagne des Obama-Lagers, die ihren Gatten als eiskalten Kapitalisten zeige. Nun nutzt sie jede Gelegenheit, mit Anekdoten wie beim Parteitag in Tampa von "ihrem Mitt" zu berichten, dem die Amerikaner vertrauen könnten.

Als engste Vertraute ihres Mannes weiß Ann Romney genau, dass die Republikaner mehr Stimmen von Frauen brauchen, um das Weiße Haus zurückzuerobern. Doch Michelle Obama wird ihre eigene Popularität einsetzen, um dies zu verhindern - im Studio von "Good Morning America" und bei Wahlkampfauftritten und Spendengalas im ganzen Land. Welche der beiden Frauen dieses Fernduell gewinnt, wird den knappen Ausgang am 6. November beeinflussen.

Linktipp: In einem Blogbeitrag für das SZ-Magazin beschreibt Michaela Haas, wieso die Ehefrauen der Kandidaten stets backen müssen und wieso Michelle Obama 2012 das Keks-Duell gewann.

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