US-Wahl:Jubel, Tränen und ganz viele Straßenpartys

Supporters Of Joe Biden Celebrate Across The Country, After Major Networks Projection Him Winning The Presidency

Auf dem Times Square in New York wird Biden gejubelt.

(Foto: Stephanie Keith/AFP)

In der Dean Street in Brooklyn genauso wie vor dem Weißen Haus in Washington: Hunderttausende feiern den Sieg von Joe Biden über Donald Trump.

Von Thorsten Denkler, New York, und Hubert Wetzel, Washington

Die Nachricht, dass CNN und AP Joe Biden zum gewählten Präsidenten ausgerufen haben, ist kaum eine Minute alt, da tanzt Beatrice Lesser auf den Stufen ihres Hauses in Brooklyn im Kreis und schlägt mit einem Deckel auf einen Kochtopf ein. Sie lacht, sie johlt. "Wir haben es geschaaaafft!", ruft sie. "Ich bin so erleichtert, ich kann es nicht beschreiben."

Ken Beatrice Lesser

Ken und Beatrice Lesser feiern den Sieg von Joe Biden in Brooklyn.

(Foto: Thorsten Denkler/SZ)

Autos fahren vorbei, ein einziges Hupkonzert. Selbst die Busfahrer der Linie 65 hupen. Wenn sie das den ganzen Tag machen, werden sie einen schmerzenden Arm haben nach der Schicht.

Aus vielen Häusern hier in der Dean Street kommen die Leute, schwarze, weiße, Latinos, Asiaten. Die Straße, das ganze Viertel ist bunt gemischt. Sie lachen, sie machen Lärm, sie tanzen, viele haben Tränen in den Augen. Einige schwarze Männer strecken stumm die rechte Faust in die Höhe. Andere laufen nur breit lächelnd die Bürgersteige auf und ab und genießen den Moment, ihren Moment. Auch sie haben Trump aus dem Weißen Haus gewählt.

Dort, in Washington, auf der "Black Lives Matter Plaza", einem Stück der 16th Street vor dem Weißen Haus, das im Sommer umbenannt worden war, stehen die Menschen dicht an dicht, es wird Musik gespielt und ausgelassen getanzt. Viele Menschen haben Plakate dabei, auf denen Botschaften an Donald Trump stehen: "You're fired" oder "Eviction" - übersetzt: "Du bist gefeuert" und "Zwangsräumung".

US-Wahl: Auch vor dem Trump-Tower in Chicago feiern die Menschen. Viele der Biden-Unterstützer tragen Regenbogenfahnen.

Auch vor dem Trump-Tower in Chicago feiern die Menschen. Viele der Biden-Unterstützer tragen Regenbogenfahnen.

(Foto: Paul Beaty/AP)

Die Stimmung ist am Nachmittag friedlich. Das Weiße Haus selbst ist durch mehrere hohe Stahlzäune abgeriegelt. Auch viele Geschäfte hatten aus Furcht vor Ausschreitungen ihre Schaufenster mit Holzplatten geschützt.

Im ganzen Land feiern Menschen "ihren" Sieg über Trump, egal ob der twittert, dass er die Wahl nicht anerkennen werde, dass er sich als Gewinner sehe. In New York, Washington, Los Angeles, Portland, Detroit, Austin, Atlanta, Phoenix, überall kommen Menschen zusammen für die aus ihrer Sicht beste Wahlparty seit acht Jahren. Und jede Minute werden es mehr. Sie schwenken ihre Biden/Harris-Schilder, immer wieder ziehen Wellen des Jubels durch die Mengen.

Auch noch Stunden nach der Nachricht von Bidens Sieg geht das so. Und wird wohl die bis weit in die Nacht anhalten. Ein Ausbruch der Freude nach Tagen der Anspannung. Für viele sogar: nach vier Jahren der Anspannung. Trump ist derweil golfen gegangen.

People react after media announced that Democratic U.S. presidential nominee Joe Biden has won the 2020 U.S. presidential election, in Los Angeles

Tausende Menschen ziehen trotz Pandemie durch die Straßen, singend und feiernd. Im Bild eine Menschenmenge in Los Angeles.

(Foto: Patrick T. Fallon/Reuters)

"Thanks to Pennsylvaniaaaaaa! Yeahhhhh!", brüllt eine Nachbarin von Beatrice Lesser quer über die Straße. Und der Jubel schwillt wieder an. Im westlichen Nachbaarstaat von New York hat Trump vor vier Jahren knapp gewonnen. Ein Schock für die Demokraten. Pennsylvania war Teil des demokratischen Schutzwalls, der damals in sich zusammengebrochen ist.

Dort hat sich jetzt nach zähen Tagen der Auszählung am Samstag Bidens Sieg entschieden. Keine 35 000 Stimmen Vorsprung hat Biden in dem Moment, als CNN ihn zum Sieger von Pennsylvania erklärt. Am Wahlabend hatte Trump dort noch einen Vorsprung von mehreren Hunderttausend Stimmen. Dank Unmengen von Briefwahlstimmen liegt jetzt Biden uneinholbar vorne. Selbst eine Nachzählung würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein anderes Ergebnis bringen.

Mit Pennsylvania hat Biden die Marke von 270 Stimmen im Electoral College geknackt, die er mindestens brauchte, um dort ins Amt gewählt zu werden. Und wenn die Daten stimmen, dann könnte dies doch noch der große Sieg werden, den er braucht, um alle Zweifel beiseite zu wischen.

US-Wahl: Unterstützerinnen der Demokraten feiern in Miami, dass Donald Trump ein "one-Term-President" ist, dass er nur eine Amtszeit Präsident war.

Unterstützerinnen der Demokraten feiern in Miami, dass Donald Trump ein "one-Term-President" ist, dass er nur eine Amtszeit Präsident war.

(Foto: Chandan Khanna/AFP)

Denn, wenn Biden noch alle Staaten gewinnt, in denen er aktuell führt, dann wird er 306 Stimmen im Wahlleutegremium auf sich vereinigen. Genauso viele, wie Trump 2016. Ein Erfolg, den Trump damals als Erdrutschsieg bezeichnet hat.

Mehr als 74 Millionen Stimmen hat Biden bereits gesammelt. Das ist jetzt schon der größte Sieg in der Geschichte der USA: Er führt mit mehr als vier Millionen Stimmen. Die großen Staaten Kalifornien und New York aber sind noch längst nicht ausgezählt. Da warten noch Millionen von Stimmen, die Biden zugeschlagen werden dürften.

Ken kommt aus dem Haus, der Mann von Beatrice. Beide gehen stark auf die 70 zu. Sie wollten am Wahltag eigentlich nach Michigan fahren, als Wahlhelfer. Sie haben es gelassen. Wegen der Pandemie. Ken stand unter der Dusche, als die Nachricht von Bidens Sieg kam, die Haare sind noch nass. Er hat dann erstmal seine US-Flagge aus dem Fenster im oberen Stockwerk gehängt. "Ich kann es noch nicht fassen", sagt er. "Trump im Weißen Haus", sagt er, "das war für uns eine tägliche Beleidigung". Diese Tage der Beleidigung, sie sind offenbar gezählt.

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