US-Wahl:Warum Politikerinnen nicht schreien dürfen

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Jay Newtown-Small weiß seit ihrer Buch-Recherche, dass Politikerinnen anders beurteilt werden als ihre männlichen Konkurrenten: "Wir wissen aus Studien, dass Wähler Frauen sympathisch finden müssen, um ihnen Kompetenz zuzuweisen." Als Abgeordnete seien Frauen mittlerweile akzeptiert, da ihre höheren sozialen Fähigkeiten hilfreich seien, so Newtown-Small: "Harte Entscheidungen, wie sie von Präsidenten oder Top-Managern erwartet werden, trauen viele Frauen nicht zu."

Im Vergleich mit Bernie Sanders, ihrem erstaunlich erfolgreichen Rivalen, habe Clinton Nachteile, sagt die Time-Journalistin: "Sanders schlägt tolle Dinge vor, aber von Frauen wird mehr Pragmatismus und Realitätssinn erwartet. Sie kommt dann rüber wie die strenge Mutter." Wenn Sanders oder Trump bei ihren Auftritten rufen oder gar brüllen, dann gilt dies als Zeichen ihrer Leidenschaft. "Bei Frauen wirkt das schnell schrill - das ist genau das Argument von Trump", sagt Newtown-Small.

Quasi an jedem Wahlabend machen sich konservative Journalisten darüber lustig, dass Hillary Clinton zu laut schreit oder nicht genug lächelt - dies wurde keinem männlichen Konkurrenten vorgehalten.

Unabhängig von den offenen sexistischen Attacken von Donald Trump und seinen Anhängern, die sicher noch zunehmen werden, gilt also: Tief im Unterbewusstsein existieren bei vielen Wählern sexistische Vorurteile, die Hillary Clinton weiterhin einschränken. Allerdings ist die Demokratin anders als 2008 sehr viel bereiter, offen für Frauen zu kämpfen. In ihrem Online-Shop verkauft sie eine "Woman Card" für fünf Dollar - damit hat ihr Wahlkampf-Team mehr als 2,5 Millionen Dollar eingenommen. Und fraglos wird sie die Wähler und Wählerinnen ständig an Trumps Spruch von der "Frauen-Karte" erinnern.

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