US-Wahl:Die wichtigsten Erkenntnisse aus der TV-Debatte

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Gäste einer Bar schauen sich eine Übertragung der Debatte in Chicago, Illinois, an. (Foto: SCOTT OLSON/Getty Images/AFP)

Biden blamiert sich, Trump vergibt seine Chance, aber die wahren Verlierer der ersten TV-Debatte im US-Wahlkampf sind die Amerikaner. Fünf Take-aways aus 90 denkwürdigen Minuten.

Von Fabian Fellmann, Washington

Bei der ersten TV-Debatte im US-Präsidentschaftswahlkampf hatten die Zuschauer 90 Minuten lang Gelegenheit, sich zu gruseln: Joe Bidens verhaspelte sich ein ums andere Mal, Donald Trump wirkte ebenfalls nicht wie ein geeigneter Präsidentschaftskandidat, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Fünf Take-aways:

1. Joe Biden bestätigt Befürchtungen wegen seines Alters

Die Debatte war erst zehn Minuten jung, als Joe Biden Billionäre statt Milliardäre sagte. Dann verhedderte sich der 81-Jährige in einem Satz über die Covid-Pandemie und sagte schließlich: „Wir haben endlich Medicare besiegt“ – das Gegenteil dessen, was er über die Gesundheitsversicherung für Senioren sagen wollte. Der Eindruck sollte sich 90 Minuten halten: Biden kann seine einst so gute Debattierkunst nicht mehr abrufen.

Der US-Präsident wollte Befürchtungen über sein hohes Alter zerstreuen. Er erreichte das Gegenteil. Seine Stimme klang zu kratzig, zu schwach, wiederholt musste er sich räuspern. Biden ratterte weitschweifige Antworten herunter, in undeutlicher Aussprache, gespickt mit zu vielen Zahlen.

Nun kann der US-Präsident noch versuchen, eine Erklärung für seine schlechte Leistung zu liefern. Seine Kampagne streute, er sei erkältet. Ob Biden den schlechten Eindruck noch einmal auffangen kann, ist jedoch zweifelhaft: Er wirkt nicht so, als wäre er seinem Amt noch gewachsen. Donald Trump, immerhin auch schon 78 Jahre alt, erschien körperlich fitter.

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2. Biden verpasste die Gelegenheiten zu punkten

Trump hatte es Biden eigentlich einfach gemacht, ein paar Punkte zu erzielen. Der Präsident versuchte, seinen Rivalen verächtlich anzuschauen, wenn dieser dem Publikum eine seiner mehr als drei Dutzend Lügen auftischte – vergeblich, er wirkte mit seinem offenen Mund seltsam abwesend. Biden brachte kaum eine Replik ins Ziel, weil er nur einzelne der maximal zweiminütigen Antworten ohne Schwierigkeiten abschloss. Biden hat demnach durchaus Argumente, aber es gelingt ihm nicht, sie an die Leute zu bringen.

3. Die Preisfrage: Gibt Biden auf?

„Niemals werde ich Joe Biden in den Rücken fallen“, sagte Gavin Newsom nach der Debatte im Medienzentrum. Der Gouverneur von Kalifornien musste vor allem eine Frage beantworten: Falls Biden aufgibt – würde Newsom als Kandidat einspringen? Schon vor Monaten sei diese Frage hinfällig geworden, hatte der 56-Jährige vor der Debatte gesagt. Aber er tourt durch das Land, zeigte sich am Donnerstag als einer der wenigen Demokraten im Medienzentrum: Er baut sein nationales Profil auf. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris wich bei CNN der Frage aus, ob sie ihren Chef beerben wolle.

Das alles ist zunächst mal Zeitgewinn. Weil fast alle Vorwahlen schon vorbei sind, können die Demokraten Biden als Kandidaten nicht einfach ersetzen. Der Präsident müsste sich selbst aus dem Rennen nehmen, damit der Parteitag Mitte August eine andere Person nominieren könnte. Der Druck auf den Präsidenten dürfte in den kommenden Tagen stark steigen.

4. Trump kann sich nicht im Zaum halten

Donald Trump hätte aus Bidens schlechter Leistung den größten Nutzen gezogen, wenn er sich ruhig und überlegen verhalten hätte. In den ersten Minuten der Debatte schien ihm das auch zu gelingen. Doch als Bidens Versprecher sich häuften, machte sich Trump über seinen Kontrahenten lustig: „Ich weiß nicht wirklich, was er am Ende dieses Satzes sagte, und er weiß es wohl ebenso wenig.“ Solche abschätzigen Bemerkungen schaden auch dem Republikaner. Zudem ließ sich Trump zu zahlreichen Lügen hinreißen. Und er verteidigte sogar den Sturm auf das US-Kapitol vom 6. Januar.

5. Die Amerikaner sind die Verlierer des Abends

Nicht nur Trump log, auch Biden hielt sich nicht an die Fakten und zielte unter die Gürtellinie. Biden schimpfte Trump einen „Verlierer“ und warf ihm „die Moral einer streunenden Katze“ vor. Damit löste er im Medienzentrum einen der wenigen Momente der Heiterkeit aus.

Doch unter dem Strich kam keiner der beiden gut weg in dem persönlichen Schlagabtausch, auch nicht, als sie über ihre Golf-Handicaps stritten und einander vorwarfen, sich wie Kinder zu verhalten.

Zurück bleibt das Bild zweier unbeliebter Politiker – die Amerikaner haben nur die Wahl des kleineren Übels. Keiner der beiden hat eine überzeugende Vision davon präsentiert, wie sie als Präsidenten die USA vorwärtsbringen wollten. Das ist umso bedenklicher, als angesichts der Kriege im Osten Europas und im Nahen Osten sowie der sich zuspitzenden Konfrontation mit China eine klare Führung im Weißen Haus dringend nötig wäre.

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