US-Wahl:Trumps Triumph wühlt Europa auf

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Noch nie hat ein so unerfahrener Politiker das mächtigste Land der Welt regiert. Viele fragen sich, was der neue Präsident jetzt vorhat.

Von Hubert Wetzel und Robert Roßmann, Washington/Berlin

Der überraschende Sieg des Republikaners Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl am Dienstag hat in der Welt Bestürzung und Unsicherheit ausgelöst. Die demokratische Kandidatin Hillary Clinton, der die Meinungsforscher gute Chancen für einen klaren Sieg gegeben hatten, war zunächst so fassungslos, dass sie ihre Niederlage nicht öffentlich eingestehen wollte. Sie telefonierte nach Bekanntwerden des Ergebnisses lediglich kurz mit Trump und gratulierte ihm. Erst am Mittwochmittag (Ortszeit) äußerte sich Clinton in New York zu dem Wahlergebnis. Sie habe Trump ihre Zusammenarbeit angeboten und hoffe, dass er ein erfolgreicher Präsident werde, sagte Clinton vor Mitarbeitern und Anhängern. Die Niederlage sei "schmerzhaft", aber sie glaube an Amerika und werde es immer tun. An die Jugend der USA gerichtet sagte sie, auch wenn es bei politischem Engagement immer Rückschläge gebe: Es lohne sich immer, für seine Werte zu kämpfen. Angesichts einer tief gespaltenen Gesellschaft müsse man nun zusammenstehen. Auch Obama betonte am Mittag, wie wichtig jetzt ein friedlicher Übergang sei. "Wir sind nicht zuerst Demokraten oder Republikaner, zuerst sind wir Amerikaner und Patrioten", sagte der Präsident. Für diesen Donnerstag hat Obama Trump ins Weiße Haus eingeladen, um das Prozedere der Übergabe zu besprechen. Angesichts der heftigen Angriffe Trumps auf Obama und Clinton im Wahlkampf wurden die Stellungnahmen der beiden Demokraten als vorbildhaft versöhnlich wahrgenommen.

Die Rechtspopulisten in Europa bejubelten Trumps Sieg. Sie hoffen - so wie nach dem überraschenden Votum der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union - auf Rückenwind für ihre nationalistische Politik. Russlands Präsident Wladimir Putin, dem die US-Regierung vorgeworfen hatte, sich durch die Veröffentlichung gehackter E-Mails von demokratischen Funktionären in den Wahlkampf einzumischen, gratulierte Trump. Er hoffe auf gute Beziehungen.

Beherrscht die Gesten des starken Mannes: Donald Trump in der Wahlnacht in New York. (Foto: Evan Vucci/AP)

Die Bundesregierung wurde von dem Wahlausgang kalt erwischt, im Kanzleramt hatte man mit einem Sieg Clintons gerechnet. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte den Republikaner im August sogar völlig undiplomatisch als "Hassprediger" bezeichnet. Trump hatte dafür die deutsche Flüchtlingspolitik "eine Katastrophe" genannt.

Entsprechend reserviert war die Reaktion von Kanzlerin Angela Merkel auf Trumps Sieg. Sie bot ihm zwar eine enge Zusammenarbeit an, stellte aber Bedingungen - ein einzigartiger Akt im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Merkel sagte, Deutschland und die USA seien durch Werte wie Demokratie, Freiheit und dem Respekt vor der Würde aller Menschen verbunden. Nur "auf der Basis dieser Werte" könne man zusammenarbeiten.

Trump war am Dienstag einer der spektakulärsten Wahlsiege in der US-Geschichte gelungen. Der 70 Jahre alte Immobilienunternehmer verfügt über keinerlei politische Erfahrung. Die meisten Wahlprognosen hatten ihn mindestens knapp hinter Clinton gesehen. Als die ersten Wahlergebnisse aus einigen Bundesstaaten bekannt wurden, wurde allerdings rasch klar, dass Clinton enorme Probleme haben würde. Bundesstaat für Bundesstaat meldete für Trump bessere Ergebnisse als vorhergesagt. Vor allem in den Staaten im "Rostgürtel", wo in der Schwerindustrie viele Arbeitsplätze verloren gingen, schlug der Republikaner die Demokratin überraschend deutlich. In Pennsylvania und Wisconsin eroberte Trump Staaten, die seit Jahrzehnten nicht mehr republikanisch gestimmt hatten, weil weiße Wähler aus der Arbeiterschicht in Scharen von den Demokraten zu ihm überliefen. Clinton schnitt aber auch unter Schwarzen und Latinos nicht so erfolgreich ab, wie es erwartet worden war.

"Lasst den Mut nicht sinken, es gibt noch so viel zu tun", sagte die unterlegene Kandidatin Hillary Clinton in einer emotionalen Rede. (Foto: Carlos Barria/Reuters)

Nach Mitternacht hatte Trump dann im Wahlmännerkolleg, das den Präsidenten bestimmt, die notwendige Mehrheit von mindestens 270 Stimmen beisammen. Am Ende konnte Clinton zwar etwa 200 000 Wählerstimmen mehr für sich verbuchen als Trump. Doch das Wahlsystem sieht vor, dass auch ein Kandidat gewinnt, der landesweit weniger Stimmen als sein Gegner erhält, wenn er die Mehrheit im "Electoral College" erreicht.

Trump hatte einen aggressiven und rechtspopulistischen Wahlkampf geführt, der in der jüngeren amerikanischen Geschichte beispiellos war. Er hatte gegen Immigranten und Muslime gehetzt. Am Mittwoch ruderte er in seiner Siegesrede etwas zurück und plädierte an alle Amerikaner "zusammenzukommen" und die tiefe Spaltung der Gesellschaft zu "heilen". Allerdings war unklar, ob das tatsächlich ein neuer, versöhnlicher Kurs des künftigen Präsidenten war - oder ob Trump nur gesagt hatte, was von ihm erwartet wurde.

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Anders als Clinton hat Trump bisher kein umfassendes politisches Programm vorgelegt. Außer einem relativ detaillierten Konzept für massive Steuersenkungen, die nicht wenige Ökonomen für gefährlich halten, haben er und sein Team kaum etwas ausgearbeitet. Allerdings hat Trump im Wahlkampf einige Ziele formuliert. An oberster Stelle steht der Bau einer Mauer entlang der US-Grenze zu Mexiko, um illegale Immigranten und Drogenschmuggel zu stoppen. Außerdem will er kriminelle Einwanderer ohne Papiere abschieben lassen. Zudem will Trump das Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada (Nafta) neu verhandeln und, sofern die anderen Länder keine Zugeständnisse machen, notfalls kündigen. Billige Importe aus China will er mit Strafzöllen belegen. Noch ist weitgehend offen, welche von diesen protektionistischen Versprechen Trump umsetzen kann oder will.

Trump hat auch angekündigt, das Atomabkommen mit Iran aufzukündigen und die Gesundheitsreform von Präsident Obama zu kippen - ein Ziel, das die Republikaner seit Jahren verfolgen, das Obama aber stets mit seinem Veto als Präsident verhindern konnte. Nun hätte Trump die notwendigen Mehrheiten im Kongress, um Obamacare zurückzunehmen: Die Republikaner haben ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus bei der Wahl verteidigt, ebenso ihre Mehrheit im Senat. Allerdings würden dann bis zu 20 Millionen Menschen ihre Krankenversicherung verlieren. Ob Trump so weit gehen möchte, ist unklar.

Ebenso unklar ist, ob er nach der versöhnlichen Rede vom Mittwoch seine Drohung wahrmachen wird, einen Sonderermittler einzusetzen, der gegen Clinton wegen der E-Mail-Affäre vorgehen soll.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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