Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Trumps Russland-Zusammenarbeit bleibt ein Verdacht - auch nach Flynns Geständnis

Die Ermittlungen Muellers könnten zwar einmal Donald Trump oder seine Familie erreichen. Bislang fehlen aber nach wie vor die Beweise.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

Wer sich mit Donald Trump einlässt, bezahlt einen Preis. Trump ist ein lügender Egomane, ohne Überzeugungen, ohne Anstand, ohne Integrität. Das färbt ab. Man kann nicht lange für Donald Trump arbeiten, ohne irgendwann selbst die eigene Würde, Ehre und Integrität zu verlieren - vielleicht sogar die Freiheit. Diese bittere Lektion lernt derzeit Michael Flynn.

Flynn war einmal ein respektierter Drei-Sterne-General des Heeres. Dann machte er sich zum Pausenclown bei Trumps Wahlveranstaltungen. Er zog über die angebliche Verräterin Hillary Clinton her und schrie hysterisch: "Sperrt sie ein!" Nach Trumps Sieg wurde Flynn Sicherheitsberater und tat das, was seine Vorgesetzten ihm sagten: Er telefonierte mit dem russischen Botschafter, um eine mögliche Zusammenarbeit auszuloten. Aber weil Trump allerlei Lügen über seine Kontakte zu Moskau verbreitete, musste auch Flynn lügen. Jetzt steht er wegen Falschaussage unter Anklage. Der Mann, der Hillary Clinton hinter Gittern sehen wollte, könnte nun selbst für Jahre ins Gefängnis wandern. Und Trump, der größte Lügner von allen, twittert bräsig, er habe Flynn leider rauswerfen müssen, weil der nicht die Wahrheit gesagt habe. So geht es zu in Trumps Welt.

Vielleicht weiß Flynn Bescheid und packt aus

Bisher sieht es nicht so aus, als werde auch Donald Trump bezahlen müssen. Robert Mueller, der Sonderermittler, der untersucht, ob es während des Wahlkampfs verbotene Absprachen zwischen Trumps Team und Moskau gab, wühlt und wühlt. Gefunden hat er wenig. Alle Welt weiß inzwischen, dass Russland mit einer breiten Desinformationskampagne versucht hat, die Wahl in Amerika zu manipulieren: Clinton sollte verlieren, Trump sollte gewinnen. Aber über die entscheidende Frage - hat Trump von dieser Sabotageaktion gewusst oder sogar mitgeholfen? - kann man nach wie vor nur spekulieren. Harte Beweise existieren nicht.

Vielleicht weiß Flynn ja mehr. Vielleicht haben die Juristen recht, die annehmen, Mueller habe Flynn umgedreht und aus dem loyalen Helfer einen Kronzeugen gegen Trump gemacht. Vielleicht haben tatsächlich Leute in Trumps engerem Umfeld - Schwiegersohn Jared Kushner etwa oder Sohn Donald Junior - mit den Russen gekungelt. Indizien, dass es so gewesen sein könnte, gibt es. Und vielleicht weiß Flynn Bescheid und packt aus. Es kann also sein, dass Mueller doch noch im Weißen Haus oder im Trump Tower auftaucht und eine Anklage wegen Landesverrats oder zumindest Justizbehinderung mitbringt.

Flynns Gespräche mit Russland kann man verdächtig finden

Nach jetzigem Stand freilich betreffen Muellers Anklagen im Großen und Ganzen Straftaten, die mit dem Wahlkampf im vergangenen Jahr und den russischen Querschüssen gegen Hillary Clinton wenig zu tun haben. Die Taten wurden entweder in einer Zeit begangen, bevor Trump überhaupt Präsidentschaftskandidat war; das gilt zum Beispiel für die Finanzdelikte des ehemaligen Wahlkampfmanagers Paul Manafort. Oder sie fallen in die Zeit, nachdem Trump die Wahl im November 2016 bereits gewonnen hatte, also President-elect war. Das ist der Fall bei Flynns Telefonaten mit dem russischen Botschafter in den letzten Dezembertagen, über die er das FBI belogen hat.

Dass der künftige Präsident seinen künftigen Sicherheitsberater drei Wochen vor der Amtsübernahme schon einmal ein paar freundliche Worte mit Moskau wechseln und nach gemeinsamen Interessen suchen lässt, kann man verdächtig und verwerflich finden: Werden da etwa Gegenleistungen für verdeckte Hilfe im Wahlkampf versprochen? Aber es ist wohl nicht illegal.

Der Polizei Lügen aufzutischen hingegen schon. Deswegen steht der Lügner Michael Flynn nun vor Gericht. Und der Lügner Donald Trump twittert ihm hämische Grüße hinterher.

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SZ vom 04.12.2017/mahu
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