US-Wahl:"Trump versteht die Amerikaner besser als irgendein anderer"

Donald Trump

Daniel Bonevacs Stimme für Donald Trump hatte vor allem einen Grund: "Er steht auf unserer Seite", sagt der Philosophieprofessor.

(Foto: AP)

Trump-Anhänger sind frustrierte, ältere, weiße Männer mit geringer Bildung? Mitnichten. Philosophieprofessor Daniel Bonevac aus Austin erklärt seine Wahlentscheidung für den Republikaner.

Interview: Carolin Gasteiger

Daniel Bonevac ist Philosophieprofessor an der Universität von Austin, Texas, und lehrt dort unter anderem Ethik und christliche Philosophie. Der 61-Jährige ist bekennender Trump-Wähler.

SZ.de: Professor Bonevac, Sie haben aus Überzeugung für Donald Trump gestimmt und der Republikaner wird nun wirklich der nächste US-Präsident. Wann wurde Ihnen das in der Wahlnacht klar?

Daniel Bonevac: Als Donald Trump Wisconsin gewonnen hatte, hielt ich einen Sieg erstmals für möglich. Aber ich konnte es nicht recht glauben, bis auch Pennsylvania an ihn ging. Als es schließlich feststand, war ich sehr erleichert.

Unterstützen Sie vor allem Trump oder generell den republikanischen Kandidaten?

Ich glaube generell an die republikanische Philosophie - dass die Regierung den Raum für Freiheit schafft, den Rahmen, in dem Menschen ihre Vorstellungen vom Guten verwirklichen können. Und Trump mag ich einfach, weil er ein Kämpfer ist.

Als jemand, der eine hohe Ausbildung genossen und schon mehrere Bücher geschrieben hat, entsprechen Sie nicht gerade dem Bild des typischen Trump-Wählers, den man zumindest in Europa für eher gering gebildet hält.

Also ganz so ist das nicht. In dem Viertel im Süden von Pittsburgh, in dem ich aufgewachsen bin, ist fast niemand aufs College gegangen. Viele meiner Verwandten leben immer noch dort, die meisten haben Arbeiterjobs - und sind vehemente Trump-Anhänger.

Aber Sie sind kein Arbeiter, sondern Uniprofessor. Und trotzdem haben Sie ihn gewählt.

Das hat vor allem einen Grund: Er steht auf unserer Seite. Trump will die Interessen der USA und seiner Bürger schützen und richtet seine politischen Bestrebungen danach aus. Er will Amerika wirtschaftlich, militärisch und kulturell stärken. Er will mehr Arbeitsplätze schaffen (vor allem für diejenigen, die von dem jüngsten wirtschaftlichen Aufschwung kaum profitiert haben) und das Land vor Terrorismus bewahren. Außerdem verteidigt er, anders als die amtierende Regierung, die Verfassung und das System aus checks and balances.

Weil Sie gerade die amtierende Regierung erwähnen: War die Wahl eher eine gegen Hillary Clinton und das System, für das sie steht, als eine für Donald Trump?

Viele stimmten tatsächlich für Trump, um die progressiven Vorstellungen von Barack Obama und Hillary Clinton zu verhindern. Nehmen Sie den Mittleren Westen, Iowa, Wisconsin, Michigan und Ohio, oder auch Pennsylvania: Viele, die vor vier Jahren noch für Obama waren, haben nun für Trump gestimmt. Das war bestimmt eine Entscheidung gegen Hillary Clinton. Aber sie sahen in Trump auch jemanden, der auf ihrer Seite war, etwas, das sie bei anderen republikanischen Kandidaten vermisst haben.

Was werfen Sie der amtierenden Regierung vor?

Von Obamas Wirtschaftspolitik haben ein paar wenige Reiche profitiert, die meisten US-Bürger aber nicht. Die stark zunehmende Einwanderung bedroht die Gehälter und Möglichkeiten derer, die in Jobs mit geringen Qualifikationen arbeiten. Die rassistischen Spannungen sind höher als in den vergangenen Jahrzehnten. Obamacare droht zu kollabieren, die Außenpolitik von Obama und Clinton ist ein Desaster, weil sie die Spannungen mit Russland und China verschärft hat. Außerdem hat sie einige gescheiterte Staaten im Nahen Osten hervorgebracht und schließlich eine Flüchtlingskrise. Aber am schlimmsten ist, dass Obama die Verfassung ablehnt, was Clinton weiterführen will: die Repräsentanten des Volkes im Kongress zu übergehen und politische Regeln einfach von oben herab zu implementieren. Niemand hat dafür gestimmt, die Kohleförderung zu stoppen, Teile der Einwanderungsgesetze auszusetzen, die fälligen Hochschulreformen zu beenden oder Transgender-Toiletten und -Umkleiden einzurichten. Niemand hat dafür gestimmt, politische Korrektheit entscheiden zu lassen, was man sagen darf und was nicht. Die Menschen sind es leid, eine extremistische Vision aufgezwungen zu kriegen, der sie nie zugestimmt haben.

Trump ist also die Stimme vieler, die sich vernachlässigt und nicht verstanden fühlen - so weit kann ich Ihnen folgen. Aber Trump steht leider auch für etwas anderes. Wie erklären Sie jungen Leuten oder Ihren Kindern, dass ein Rassist und Chauvinist in der heutigen Zeit Präsident der USA werden kann?

Aber die Demokraten haben doch jeden republikanischen Kandidaten seit Ronald Reagan vorgehalten, rassistisch und sexistisch zu sein, oft ohne ausreichende Begründung. Donald Trump straft diese Anschuldigungen Lügen. Für ihn haben mehr Schwarze und Hispanics gestimmt als für Mitt Romney. Er hat sich mehr als viele andere Republikaner angestrengt, die Minderheiten zu erreichen und verspricht, dass er unsere Innenstädte neu aufbauen und das Leben benachteiligter Bürger dort verbessern will. Die einzige entschieden rassistische Aussage war ganz am Anfang der Wahlkampagne, als er behauptete, Mexiko würde uns Vergewaltiger und Drogendealer schicken. Aber er hat nicht gesagt, alle Mexikaner wären kriminell. Sondern schlicht betont, dass, wenn wir das Zuwanderungsgesetz nicht verschärfen, viele unterschiedliche Menschen ins Land kommen, darunter auch Mitglieder von Drogengangs.

Aber seine Macho-Sprüche können Sie nicht von der Hand weisen.

Sein persönliches Verhalten und seine Sprache will ich gar nicht verteidigen. Aber das hatte weniger Einfluss auf die Wahl als das Verhalten Bill Clintons damals, das ohne Zweifel schlimmer war als das von Trump, und die Attacken der Clintons auf diejenigen, die ihn beschuldigten. Und viele Frauen, die mit Trump arbeiten, loben seine Fairness und seinen Einsatz für den Erfolg von Frauen.

"Trump-Wähler haben sich breit zugegrinst"

Donald Trump ist kein Politiker. Wird er als US-Präsident verantwortungsvoll agieren können?

Es ist natürlich für jeden Outsider schwierig, in der Politik gut zu funktionieren. Vieles hängt jetzt davon ab, mit welchen Politikern er sich in den nächsten Monaten umgibt. Aber Trumps Geschäftssinn und die Fähigkeit, Aufgaben an Experten zu delegieren, machen mich vorsichtig optimistisch.

In der Washington Post schildern Sie, wie Ihnen Kollegen und Studenten, die von Ihrer politischen Gesinnung erfahren, mit Feindseligkeit oder Schweigen begegnen. Hat Ihre Haltung an der Uni keinen Platz?

Amerikas akademische Elite ist in den vergangenen Jahren immer weiter nach links gedriftet. In den Achtzigern war es zwar ungewöhnlich, aber nicht schädlich, ein ausgesprochen Konservativer zu sein. Und die Linken waren offen für Diskussionen. Wir haben gern bei einer Flasche Wein über Politik gestritten. Aber inzwischen ist das anders. Konservative finden nicht so viele gleichgesinnte Kollegen und die Linken scheinen nicht besonders gewillt, entgegengesetzte Positionen einzunehmen. Trump-Unterstützer haben es dabei besonders schwer, weil sogar viele Konservative gegen Trump sind.

Wenn Sie sagen, die Linken würden keine anderen Meinungen zulassen. Liegt das an der viel zitierten filter bubble, in der wir alle uns befinden. Oder tatsächlich daran, dass sich die Elite immer weiter von den Bürgern entfernt hat?

An beidem vermute ich. Menschen in der Verwaltung in Washington, an den Universitäten, in den Medien haben wenig Kontakt zu Menschen in anderen sozio-ökonomischen Gruppen. Aus verschiedenen Gründen. Sie kommen aus ähnlichen Verhältnissen, haben eine ähnliche Ausbildung genossen und ähnliche ideologische Ansichten. Aber sie sprechen vor allem ausschließlich miteinander, in derselben Gruppe. Auf diese Weise wissen sie nur wenig über jemanden, der keine Collegeausbildung hat, aus einer kleinen Stadt kommt. Und sie lesen natürlich auch vor allem Menschen, mit denen sie übereinstimmen. Viele können sich nicht vorstellen, wie jemand für Trump stimmen kann, auch wenn das halbe Land genau das getan hat.

Haben Sie persönlich Anfeindungen erlebt?

Manche meiner Kollegen wissen schon seit Jahren, dass ich konservativ bin. Dass ich nun auch Trump unterstütze, hat sie nicht weiter überrascht. Aber auf Facebook wurde ich beschimpft, habe böse Emails erhalten und negative Rezensionen meiner Bücher auf Amazon. Aber das ist trivial. Und ich habe wenig zu verlieren - ich bin im Dienst, seit ich 29 Jahre alt bin. Außerdem habe ich mich immer ziemlich wenig darum geschert, was andere von mir denken. Mit einigen Studenten, die Trump ebenfalls unterstützen, hatte ich sogar respektvolle und produktive Gespräche.

Aber?

Andere haben weitaus mehr zu verlieren in ihrer akademischen Laufbahn: Publikationen, Einladungen zu Vorträgen und Konferenzen oder schlicht den freundlichen Umgang mit Kollegen. Ich kenne auch einige klassische Musiker, die nicht mehr auftreten durften, weil sie Trump unterstützen.

Wie war die Atmosphäre auf dem Campus am Tag nach der Wahl?

Verdrießlich. Allein schon, weil es geregnet hat, aber vor allem wegen des Wahlergebnisses. Nur Trump-Wähler haben sich untereinander breit zugegrinst.

Kommen wir zurück zu Hillary Clinton. Was kritisieren Sie an ihr?

Abgesehen von der Email-Affäre und ihren zweifelhaften politischen Slogans war meine größte Sorge, dass sie den Kongress übergehen und Richter in den Supreme Court entsenden würde, die vieles zurücknehmen würden: Redefreiheit, Religionsfreiheit, das Recht auf Waffenbesitz sowie das Recht auf einen fairen Prozess. Die exekutiven Organe hätte sie dadurch massiv gestärkt.

Mit der Niederlage Hillary Clintons fühlen sich viele Frauen verprellt. Nach dem Motto: "Lieber wählen sie einen schwarzen Mann oder einen Rassisten als eine Frau."

Mit der Tatsache, dass Clinton eine Frau ist, hat das nichts zu tun. Die Leute wandten sich nicht gegen sie, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie korrupt, nicht vertrauenswürdig ist und einen Weg verfolgen will, den viele Amerikaner als zerstörerisch empfinden. Viele Trump-Unterstützer hätten gern für Carly Fiorina gestimmt. Tatsächlich profitiert Clinton noch von der Tatsache, dass sie eine Frau ist. Alles, was über ihre Emails und die Stiftung bekannt wurde, hätte jeden Mann das Amt und die Präsidentschaftskandidatur gekostet.

Aber ist Trump nicht respektlos gegenüber Minderheiten?

Es ist doch nicht respektlos oder unverschämt, sich um die Zuwanderungsrate zu sorgen. Niemand will auf Einwanderung verzichten; aber nur wenige sprechen sich für offene Grenzen aus. Es geht doch um das Ausmaß und es ist unfair, diejenigen als rassistisch oder respektlos zu behandeln, die weniger Einwanderung wollen.

Glauben Sie, Trump kann ein gespaltenes Land vereinen?

Es gibt Gruppen, die diese Spaltung für ihre eigenen politischen Zwecke verwenden wollen. Aus diesem Grund wird das keine leichte Aufgabe. Aber ich habe Hoffnung, dass es gelingen wird. Sehen Sie sich Trumps Antrittsrede an, darin hat er sich auf grandiose Weise an alle Amerikaner gerichtet. Trump ist ein New Yorker und gewohnt, mit Amerikanern aller ethnischen, sozialen und wirtschaftlichen Herkunft umzugehen. Trump versteht die Amerikaner besser als irgendein anderer US-Politiker.

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