Trumps Parteifreunde:Das große Schweigen

Trumps Parteifreunde: "Einen guten Mann", nennt der 43. US-Präsident George W. Bush den designierten 46. Amtsinhaber Joe Biden.

"Einen guten Mann", nennt der 43. US-Präsident George W. Bush den designierten 46. Amtsinhaber Joe Biden.

(Foto: AFP)

Nur vereinzelt trauen sich prominente Republikaner, den Behauptungen ihres Präsidenten zu widersprechen - George W. Bush macht den Anfang.

Von Christian Zaschke, New York

Eine der spannendsten Fragen in Washington lautet derzeit nicht, ob Präsident Donald Trump mit seinen juristischen Bemühungen Erfolg haben wird, die Wahl anzufechten. Das gilt allenthalben als unwahrscheinlich. Eine der spannendsten Fragen lautet vielmehr, ob und wann führende Republikaner ihr Schweigen brechen. Bislang herrscht in der Partei weitgehend Stille. Normalerweise ist es üblich, dass die Mitglieder der unterlegenen Partei dem designierten Präsidenten gratulieren. Zähneknirschend vielleicht, aber sie gratulieren. Dazu konnten sich bisher nur wenige Republikaner durchringen, was wohl daran liegt, dass Trump noch immer nicht wahrhaben will, dass er verloren hat.

Mit gutem Beispiel ist George W. Bush vorangegangen. Bush stand von 2001 bis 2009 an der Spitze des Landes, er ist der einzige noch lebende ehemalige Präsident der Republikaner. In einem Statement teilte er mit: "Ich habe soeben mit dem designierten Präsidenten der Vereinigten Staaten gesprochen, Joe Biden. Ich habe ihm herzlich gratuliert und ihm für die patriotische Botschaft gedankt, die er ausgesandt hat." Das klang alles andere als zähneknirschend. Weiter schrieb Bush: "Obwohl wir politische Differenzen haben, weiß ich, dass Joe Biden ein guter Mann ist, der die Möglichkeit erhalten hat, unser Land zu führen und zu einen."

Auch den amtierenden Präsidenten bedachte Bush mit freundlichen Worten: "Ich möchte Präsident Donald Trump und seinen Anhängern zu einer energisch geführten Kampagne gratulieren. Er hat sich die Stimmen von mehr als 70 Millionen Amerikanern verdient - eine außergewöhnliche politische Leistung." In der Tat hat Trump im Vergleich zu 2016 gut sieben Millionen Stimmen hinzugewonnen. Er hat also nicht nur seine Basis aktiviert, sondern auch neue Wählerschichten erschlossen. Dass er aus der Wahl trotzdem nicht als Sieger hervorging, liegt schlicht daran, dass die Demokraten noch mehr Wähler mobilisiert haben. Mit Blick auf die Zukunft sagte Bush: "Wir müssen zusammenkommen, zum Wohle unserer Familien und Nachbarn und für unsere Nation und deren Zukunft."

Kritische Stimmen aus dem Senat kommen lediglich von den üblichen Verdächtigen

Zu den prominenten Republikanern, die Bidens Sieg anerkannt haben, gehörten in erster Linie die üblichen Verdächtigen: Mitt Romney aus Utah, der als einziger republikanischer Senator im Amtsenthebungsverfahren im vergangenen Winter gegen Trump gestimmt hatte, und Lisa Murkowski aus Alaska, die sich zumindest hin und wieder ein kritisches Wort erlaubte, auch wenn sie in der Regel letztlich zuverlässig mit der Partei stimmte. Aber auch Senatorin Susan Collins aus Maine gratulierte Biden, und Senator Roy Blunt aus Missouri deutete immerhin an, dass er davon ausgehe, dass Trump verloren hat. Er forderte die Anwälte des Präsidenten dazu auf, Fakten zu präsentieren, die für sich selbst sprechen könnten. Trump behauptet weiterhin, der Wahlsieg sei ihm gestohlen worden, da es massiven Betrug gegeben habe. Dafür gibt es keinerlei Beweise. "Es scheint unwahrscheinlich zu sein, dass irgendwelche Änderungen groß genug sein könnten, um einen Unterschied auszumachen", sagte Blunt im Sender ABC. Diese ziemlich gewundene Formulierung klang insofern recht lustig, als sich Blunts Nachname mit "direkt", "unverblümt" oder "geradeheraus" übersetzen lässt. Seine Parteifreunde werden trotz der vorsichtigen Wortwahl verstanden haben, was er meinte. Entweder legen Trumps Anwälte etwas Substanzielles auf den Tisch, oder sie geben Ruhe. Der Republikaner-Fraktionschef im Senat, Mitch McConnell, schien das nicht gehört zu haben. Es sei zu "100 Prozent" Trumps Recht, Wahlresultate anzuzweifeln und juristische Schritte zu erwägen, sagte er am Montag.

Eine beliebte These in Washington lautet, dass sich Trump auch deshalb an das Amt klammert, weil er fürchtet, dass ihm juristisches Ungemach droht, wenn er seine Immunität als Präsident verliert. Zum Beispiel könnten die Demokraten versucht sein, noch einmal auf den Bericht des Sonderermittlers Robert Mueller zurückzukommen, der untersucht hatte, ob es im Wahlkampf 2016 eine unzulässige Zusammenarbeit von Trumps Team mit Russland gegeben habe. Entscheidend wäre in diesem Punkt, ob sich Trump in seinem Vorgehen gegen diese Untersuchung der Justizbehinderung schuldig gemacht hat. So hatte er zum Beispiel dem ehemaligen FBI-Direktor James Comey nahegelegt, Ermittlungen gegen den früheren Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen. Müller hatte davon abgesehen, in diesem Punkt zu einer Anklage zu raten, allerdings explizit mit dem Verweis auf die präsidiale Immunität.

Justizbehinderung, sexuelle Gewalt, Steuervergehen: Trump könnten nach Amtsende Prozesse drohen

Ein weiterer Anklagepunkt könnte sich wegen Unregelmäßigkeiten in der Finanzierung der Wahlkampf-Kampagne von 2016 ergeben. Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen hatte der Sexfilm-Darstellerin Stormy Daniels 130 000 Dollar gezahlt, damit diese über eine Affäre mit Trump schweigt. Diese geheime Zahlung könnte als unzulässiger Beitrag zur Kampagne gewertet werden.

Zudem dürften die Steuern des Präsidenten wieder ins Blickfeld geraten, wenn er aus dem Amt scheidet. Die New York Times enthüllte kürzlich, dass Trump zum Beispiel im Jahr 2016 auf Bundesebene lediglich 750 Dollar Einkommensteuer bezahlt hat. Womöglich wollen die Steuerfahnder das noch einmal überprüfen. In New York bemüht sich zudem der Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance seit Längeren darum, Einblick in Trumps Steuerunterlagen zu erhalten. Es ist allerdings nicht öffentlich bekannt, ob er einem konkreten Verdacht nachgeht.

Nicht zuletzt sind da die Anschuldigungen zweier Frauen. Die Kolumnistin E. Jean Carroll hat 2019 angegeben, dass Trump sie in den Neunzigerjahren vergewaltigt habe. Trump hat die Anschuldigung zurückgewiesen. Summer Zervos, eine frühere Teilnehmerin der Reality-TV-Show "The Apprentice", in der Trump die Hauptrolle spielte, gab 2016 an, Trump habe sie im Jahr 2007 in einem Hotelzimmer begrapscht und gegen ihren Willen geküsst. Sollte Trump, wonach es aussieht, am 20. Januar 2021 aus dem Amt scheiden, könnten beide Frauen diese Vorwürfe vor Gericht wiederholen.

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