Um Präsident zu bleiben oder zu werden, müssen Donald Trump oder Joe Biden nicht unbedingt die Mehrheit der Wähler hinter sich haben, sondern eine Mehrheit im Electoral College. Diese Versammlung der Wahlleute hat 538 Mitglieder; 270 davon braucht es für den Sieg. Sie werden von den einzelnen Bundesstaaten entsendet, wobei sich die Zahl der Wahlleute eines Staats in etwa nach der Bevölkerungsgröße richtet. Bis auf die Ausnahmen Maine und Nebraska gehen alle Wahlleute eines Staates einheitlich an den Kandidaten, der dort die meisten Wählerstimmen gewinnt.
Es gibt keine zentrale Instanz ähnlich dem Bundeswahlleiter in Deutschland. In den einzelnen Bundesstaaten sind die Secretaries of State, vergleichbar mit deutschen Landesinnenministern, mit der Wahlaufsicht betraut - doch sie geben erst ein Ergebnis bekannt, wenn alles ausgezählt ist, was mitunter Wochen dauern kann.
Daher kommt in der Wahlnacht sowie in den Stunden und Tagen darauf den großen TV-Sendern eine entscheidende Bedeutung zu. Sie callen die einzelnen Staaten, erklären also einen der Kandidaten zum Sieger. Und zwar nicht erst, wenn alle Stimmen ausgezählt wurden, sondern wenn aus Sicht der Sender mit sehr großer Wahrscheinlichkeit feststeht, wer den Staat gewonnen hat.
Für diese Entscheidung unterhalten die Sender jeweils einen Decision Desk, an dem Politikwissenschaftler und Datenexperten die Ergebnisse auswerten. Dabei blicken sie vor allem auf zwei Arten von Daten.
Zunächst sogenannte Nachwahlbefragungen, im Englischen Exit Polls. Sie tragen diesen Namen, weil Meinungsforscher dazu Wähler beim Verlassen der Wahllokale abpassen und fragen, wem sie ihre Stimme gegeben haben. Weil 2020 viele Wähler bereits vorab oder per Brief abgestimmt haben, finden die Nachwahlbefragungen auch telefonisch statt. Aus ihnen lässt sich eine erste Tendenz ablesen, die jedoch mit einer Unsicherheit behaftet ist und bei knappen Wahlausgängen irreführend sein kann.
Im Laufe der Wahlnacht kommen Teilergebnisse aus jenen Stimmbezirken dazu, die bereits fertig ausgezählt sind. Statistiker erstellen daraus Hochrechnungen auf das Ergebnis im gesamten Staat. Je mehr Bezirke ausgezählt sind und je repräsentativer diese für die Bevölkerung im ganzen Staat stehen, desto zuverlässiger wird die Hochrechnung.
Manche Staaten gehen Wahl für Wahl mit großem Vorsprung an den Kandidaten oder die Kandidatin der jeweils gleichen Partei - etwa Kalifornien an die Demokraten oder Oklahoma an die Republikaner. Diese Ergebnisse callen die TV-Sender mitunter bereits wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale. Da einzelne Bundesstaaten den Wahlablauf selbständig organisieren und in sechs verschiedenen Zeitzonen liegen, endet die Wahl in manchen Staaten an der Ostküste bereits in der Nacht zu Mittwoch um ein Uhr morgens deutscher Zeit, in Alaska dagegen erst um sieben Uhr.
Bei den umkämpften Swing States kann es nach Wahlschluss durchaus Stunden bis Tage dauern, bis der Sieger feststeht. Das hängt davon ab, wie knapp das Ergebnis ist und wie lange die Auszählung dauert. Auch hier spielen die unterschiedlichen Regeln der Bundesstaaten eine Rolle, etwa wann mit dem Öffnen der Briefwahlumschläge begonnen werden darf. Relativ schnell wird mit einem Ergebnis in Florida gerechnet, länger könnte es dabei in Pennsylvania dauern. Prognosen zufolge könnten diese beiden Staaten am Ende über den Gesamtsieg entscheiden.
Die vier großen Fernsehsender CNN, NBC, ABC und CBS haben sich zum sogenannten National Election Pool zusammengeschlossen und das Unternehmen Edison Research mit dem Durchführen der Exit Polls und dem Zusammentragen der Ergebnisse aus den Wahlbezirken beauftragt. Die Hochrechnungen und das letztendliche Callen der Wahlsieger macht jedoch jeder Sender für sich.
Der konservative Sender Fox News stützt sich auf Daten der Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Zwar ist Fox in den vergangenen Jahren immer wieder durch tendenziöse, unsachliche Berichterstattung aufgefallen - die Daten der AP und die Entscheidungen des Decision Desks von Fox gelten jedoch als seriös und verlässlich.
Die Wahlberichterstattung der Süddeutschen Zeitung wird sich maßgeblich an den Ergebnismeldungen des Senders CNN orientieren, die sich in der Vergangenheit als schnell und verlässlich erwiesen haben. Sollte es zu Abweichungen zwischen CNN und den anderen Kanälen kommen, weisen wir im Newsblog darauf hin.