US-Wahl:Wie Trump beinahe seine Niederlage eingesteht

Bei einem Auftritt im Rosengarten des Weißen Hauses wirkt der Noch-Präsident ungewohnt unsicher. Kein Wunder: Auch Georgia geht an Biden. Und Trumps juristische Schlacht wird immer aussichtsloser.

Von Thorsten Denkler, New York

Beinahe hätte Donald Trump es gesagt. Dass es eine nächste, eine andere US-Regierung geben werde. Eine ohne ihn. Er hat sich gerade noch gefangen.

Am Freitagnachmittag (Ortszeit) steht er im Rosengarten des Weißen Hauses, um die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Impfstoff-Forschung als eigenen Erfolg zu verkaufen. Leicht ermattet wirkend, rattert er bei diesen ersten öffentlichen Äußerungen seit gut einer Woche die bekannten Superlative herunter.

In Rekordzeit seien dank des von ihm aufgesetzten Programms "Warp Speed" Impfstoffe gegen das Coronavirus entwickelt worden. Die jetzt praktisch schon bereitstünden und umgehend ausgeliefert werden könnten. Niemand anderer als er hätte das vollbringen können, sagt er. Aber es klingt, als wüsste er selbst nicht mehr genau, wen er damit noch überzeugen will.

Trump kommt auf drohende neue Lockdowns zu sprechen. Und für einen Moment verlässt er ebenjene Linie, die er seit dem Wahltag vorgibt: Er habe gewonnen - und wenn er doch verliere, dann nur deshalb, weil die Demokraten betrogen hätten.

Unter seiner Regierung jedenfalls werde "es keinen Lockdown geben", sagt er. Und erklärt dann: "Hoffentlich wird die - die..." - und jetzt müsste er den Satz beenden mit "...nächste Regierung keinen Lockdown verhängen". Trump hält inne. "Was auch immer passiert in der Zukunft. Wer weiß, welche Regierung es sein wird - ich schätze, die Zeit wird es zeigen - aber ich kann Ihnen sagen, dass diese Regierung keinen Lockdown anordnen wird."

So nah war Trump seit dem Wahlabend nicht daran, öffentlich einzugestehen, dass er verloren hat.

Vielleicht hat Trump gerade gehört, dass die Wahlforscher von CNN, New York Times und AP seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden zum knappen Sieger in Georgia ausgerufen haben. Was Biden auf 306 Stimmen im Wahlleutegremium bringt, dem Electoral College, das Mitte Dezember auf Grundlage der Wahlergebnisse in den Bundesstaaten den Präsidenten wählt. 270 Stimmen muss ein Kandidat mindestens erreichen, um Präsident zu werden.

Donald Trump

Der amtierende US-Präsident Donald Trump zeigt sich bei seinem Auftritt im Rosengarten des Weißen Hauses deutlich verhaltener als bislang, was seinen angeblichen Wahlsieg angeht.

(Foto: MANDEL NGAN/AFP)

Trump bislang erfolglos mit Klagen

Biden holt damit exakt so viele Stimmen wie Trump 2016. Damals sprach Trump von einem Erdrutschsieg. Diesmal schickte er seine Anwälte los, um den angeblich größten Wahlbetrug in der US-Geschichte aufzudecken.

Viel Erfolg hat Trump damit bisher nicht. Seine Anwälte haben ein gutes Dutzend Klagen in diversen Bundesstaaten eingereicht, die Gerichte haben bisher eine nach der anderen abgeschmettert. Drei davon allein am Freitag. Geführt wird die juristische Auseinandersetzung nach einem Bericht der New York Times jetzt komplett von Rudy Giuliani, dem früheren New Yorker Bürgermeister und unfreiwilligem "Hand-in-der-Hose"-Mann im neuen Borat-Film. Anders als manch anderer Trump-Berater glaubt Giuliani offenbar noch an den Sieg.

Beispielgebend für die Qualität der Klagen ist jene, wonach republikanische Wahlbeobachter angeblich nicht bei der Stimmauszählung in Philadelphia dabei sein durften. Der Bundesrichter musste mehrfach nachfragen, bis ein Trump-Anwalt umständlich eingestand, dass Trump-Vertreter in einer Anzahl von "nicht Null" mit im Raum gewesen seien. Die Klage wurde abgewiesen.

Nur in einem Fall haben Trumps Anwälte bisher Recht bekommen. In Pennsylvania hatte die Chefin der Wahlaufsicht die Frist für Erstwähler um ein paar Tage verlängert, damit diese noch ihre Identität nachweisen können. Das sei eine Kompetenzüberschreitung gewesen, sagte das Gericht. Folgen für den Wahlausgang hat die Entscheidung nicht. Es sind nur wenige Stimmen betroffen, die auch noch gar nicht ausgezählt wurden.

Trumps juristische Strategie führt schon deshalb zu nichts, weil die Abstände, mit denen Biden in den umkämpften Bundesstaaten vor Trump liegt, nach übereinstimmenden Angaben der US-Medien zu groß sind. Eine Neuauszählung etwa führt meist zu einer Verschiebung von mehreren Hundert Stimmen. In Arizona aber führt Biden mit 10 000 Stimmen, in Pennsylvania mit mehr als 60 000 Stimmen.

Bundesstaatsanwälte: "Keine Hinweise" auf wesentliche Unregelmäßigkeiten

In Arizona musste am Donnerstag einer von Trumps Anwälten vor Gericht einräumen, dass sein Fall doch "keine Betrugssache, keine 'Jemand stiehlt die Wahl'-Sache" sei. In der Klage ging es darum, dass mit Filzstiften ausgefüllte Stimmzettel angeblich zu Fehlern in den Zählmaschinen geführt hätten. Trump hatte in Bezug auf diesen Fall seit Tagen von Betrug gesprochen. Sein Anwalt zog die Klage schließlich selbst zurück.

In anderen Fällen haben Zeugen ihre Aussagen widerrufen. Angeblich tote Wähler lebten noch oder hätten gar nicht gewählt. Diverse Versuche, die Zertifizierungsprozesse in den Bundesstaaten zu verlangsamen, sind fehlgeschlagen.

Am Freitag wurde bekannt, dass die angesehene Kanzlei Porter Wright Morris & Arthur ihr Mandat abgegeben hat. Sie war offenbar besorgt, ihre Reputation zu beschädigen, wenn sie Trump weiterhin dabei hilft, die Wahl 2020 zu delegitimieren. Die Kanzlei Jones Day teilte mit, keine neuen Aufträge von Trump entgegenzunehmen.

Auch die staatlichen Ankläger scheinen nicht überzeugt zu sein. Am Freitag stellten 16 Bundesstaatsanwälte, die beauftragt waren, nach verdächtigen Vorgängen in dieser Wahl zu suchen, in einem Brief an Justizminister William Barr klar: Es gebe "keine Hinweise" auf wesentliche Unregelmäßigkeiten.

Nicht einmal Trumps eigene Regierung will noch helfen. Am Donnerstag hieß es aus dem Heimatschutzministerium, die Wahl 2020 sei die "sicherste in der Geschichte" der Vereinigten Staaten gewesen. Es gebe "keine Beweise", dass irgendein Wahlsystem nicht funktioniert hätte. Wenn es tatsächlich Trumps Plan war, Biden mit Hilfe von Gerichten den Wahlsieg abzuerkennen, dann ist er damit bisher kläglich gescheitert.

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