US-Wahl:Trump bekommt weniger Stimmen - und triumphiert trotzdem

Republican presidential nominee Donald Trump and his wife Melania Trump vote at PS 59 in New York

Donald Trump und seine Frau Melania bei der Stimmabgabe in New York.

(Foto: REUTERS)
  • Bei den abgegebenen Stimmen liegt Hillary Clinton in Führung. Trotzdem hat sie die Wahl zur US-Präsidentschaft verloren.
  • Dieses liegt am Mehrheitswahlsystem der Amerikaner. Es schafft stabile Mehrheiten, ist aber umstritten.

Von Sebastian Jannasch

Hillary Clinton hat bei der US-Präsidentschaftswahl mehr Stimmen bekommen als Donald Trump. Ja, richtig gehört. 59,4 Millionen Amerikaner stimmen nach jetzigem Stand für Clinton, 59,2 Millionen machten ihr Kreuz bei Trump. Ginge es nach den absoluten Zahlen, wäre Clinton also mit hauchdünnem Vorsprung zur nächsten US-Präsidentin gewählt worden. Doch das Mehrheitswahlrecht verhindert dies. Die Wahlmänner entscheiden - und hier steht es 279 zu 228 für Trump.

Manchen gilt das System deshalb als unfair: Die Stimmen der unterlegenen Kandidaten finden keinerlei Niederschlag in der Politik. Nur der Gewinner profitiert. Es kommt nicht einmal zwingend darauf an, die Mehrheit der Amerikaner hinter sich zu bringen, um US-Präsident zu werden.

Schon in der Vergangenheit triumphierten Kandidaten, die weniger Stimmen bekamen als ihre Kontrahenten. Im Jahr 2000 erhielt der demokratische Kandidat Al Gore landesweit eine halbe Million Stimmen mehr als sein republikanischer Gegner George W. Bush. Dennoch wurde Bush Präsident.

Die Amerikaner bestimmen ihren Präsidenten nicht direkt in nationalen Wahlen. Stattdessen votieren sie für Wahlmänner. Je nach Bevölkerungsgröße hat jeder Bundesstaat eine unterschiedliche Anzahl davon: Kalifornien mit seinen 37 Millionen Einwohnern steuert 55 Stimmen bei der Präsidentschaftswahl bei, Delaware mit 900.000 Menschen nur drei. Der Kandidat, der die meisten Stimmen bekommt, erhält alle Wahlmänner aus diesem Bundesstaat, selbst wenn der Kandidat nur mit 0,1 Prozentpunkten vorne liegt. Nur in den Staaten Maine und Nebraska gibt es alternative Wahlmodelle, die Wahlmänner unterschiedlicher Parteien zulassen.

Trump gewann die wichtigen "Schlachtfeld-Staaten"

Wer ins Weiße Haus einziehen will, muss mehr als die Hälfte der 538 Wahlmänner für sich gewinnen, also mindestens 270 Stimmen. Das "Winner takes all"-Modell sorgt für klare Mehrheiten, hat aber gleichzeitig zur Folge, dass sich der eigentliche Wahlkampf nur auf etwa ein Dutzend der 51 stimmberechtigten Landesteile konzentriert. Die restlichen Bundesstaaten können fest dem blauen oder dem roten Lager zugeordnet werden und sind deshalb für die gegnerische Seite ohnehin verlorenes Land.

In der Wahlnacht starrten politische Beobachter deshalb wieder einmal auf die "Swing States", die in der Vergangenheit mal die Demokraten, mal die Republikaner zum Sieger kürten. Trump gelang es, wichtige "Schlachtfeld-Staaten" für sich zu entscheiden: Ohio mit 18 Stimmen ebenso wie North Carolina mit 15 Stimmen. Clinton konnte zwar die Swing States Virginia, Nevada und Colorado für sich gewinnen, doch in Schlüsselstaaten wie Wisconsin oder Iowa reichte es nicht.

Kandidaten können versuchen, die Wahl anzufechten

Die formelle Wahl des Präsidenten findet erst am 19. Dezember statt, wenn die Wahlmänner in den jeweiligen Hauptstädten der Bundesstaaten zusammentreten, um ihre Stimmen abzugeben. Die engen Wettkämpfe könnten allerdings dazu führen, dass die Kandidaten in der Zeit bis dahin versuchen, knappe Wahlen anzufechten. Da es sich aber nicht um eine nationale Wahl handelt, müsste jede Wahl einzeln in dem jeweiligen Bundesstaat angefochten werden. Sinnvoll ist das nur, wenn die Kandidaten dadurch das Ergebnis auf Bundesebene drehen können.

Unter welchen Bedingungen Wahlen neu ausgezählt oder angefochten werden können, unterscheidet sich in den verschiedenen Bundesstaaten. In einigen Staaten müssen die Kandidaten eine Neuauszählung einfordern, in anderen erfolgt automatisch eine erneute Auswertung, wenn die Wahl sehr knapp ausgegangen ist. In Florida und Pennsylvania beispielsweise liegt die Schwelle bei einem Abstand von einem halben Prozent. In Ohio ist es bei einem Viertelprozent Abstand notwendig, die Ergebnisse zu überprüfen. Ein Kandidat kann auch bei einem größeren Abstand auf eine Neuauszählung drängen, muss dann aber in einigen Staaten wie Wisconsin und Colorado die Kosten dafür tragen.

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