Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Worauf sich Merkel gefasst machen muss

Viel ist nicht bekannt über Trumps außenpolitische Agenda. Was man weiß, macht Angst. Deshalb belässt es Kanzlerin Merkel nicht bei der diplomatischen Gratulation.

Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Darauf war in Brüssel und Berlin niemand vorbereitet: Donald Trump ist der gewählte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Und nicht Hillary Clinton, auf die die deutsche Außenpolitik gesetzt hatte. Deutschland und ganz Europa müssen sich jetzt auf einen US-Präsidenten einstellen, der auf keiner Ebene die gemeinsamen Werte zu teilen scheint, die das deutsch-amerikanische und amerikanisch-europäische Verhältnis in den Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ausmachten. Die USA waren der große Bruder, die Schutzmacht Europas und besonders Deutschlands.

Was genau Trump jetzt will, welche Werte er überhaupt vertritt - niemand weiß es. Konkrete Pläne hat er nicht formuliert, lediglich hier und dort angedeutet, wohin die Reise gehen könnte. "America First" ist seine Devise. Und wie es scheint, wird das wohl auch das neue Paradigma der US-Außenpolitik sein.

Hinzu kommt: Niemand, wahrscheinlich nicht einmal Trump selbst, hat im Moment eine Ahnung, mit welchen Personen er sein Kabinett bestücken wird. Er wird sich nicht verpflichtet fühlen, das republikanische Establishment mit Jobs zu versorgen. Das wollte ihn nicht als Kandidaten, hat ihn zum Teil offen abgelehnt. Und: Er dürfte auch in Personalfragen seinem Ruf als Mann des Anti-Establishments gerecht werden wollen. Vermutlich werden sich die deutschen Außenpolitiker auf völlig unbekannte Personen einstellen müssen.

Trump wird sich nicht von einem bösen Blick beindrucken lassen

Das erste Zusammentreffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel wird spannend. Merkel mag Typen wie ihn nicht. Wie wird sie mit ihm umgehen? Den russischen Präsidenten Putin versuchte sie, mit einem strengen Blick zu beeindrucken. Er hat inzwischen immerhin Respekt vor ihr. Aber Trump? Er ist jetzt Regierungschef des wichtigsten Partners der Bundesrepublik Deutschland. Er wird sich nicht von einem bösen Blick beindrucken lassen.

Merkel ist Realpolitikerin genug, um einen US-Präsidenten Trump nicht einfach abzulehnen. Sie hat ihm bereits diplomatisch korrekt zum Sieg gratuliert. Aber sie hat es auch für notwendig gehalten, ihn auf die Basis hinzuweisen, auf der sie ihm eine enge Zusammenarbeit nur anbieten kann: "Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung."

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der vor der Wahl noch über Trump gefrotzelt und ihn einen "Hassprediger" genannt hatte, wird sich solche Ausfälle künftig sparen. Beide werden ahnen: Die Zeiten mit Trump, die werden hart genug. Der Umgang mit ihm dürfte schwierig, wenn nicht eisig werden. Schließlich sah Merkel sich sogar genötigt, ausgerechnet den nächsten Präsidenten der USA darauf hinzuweisen, dass seine Heimat eine "alte und ehrwürdige Demokratie" sei.

Einstellen kann sich die Kanzlerin konkret schon mal auf intensive Verhandlungen in der Nato. Die 27 Nato-Staaten sind angehalten, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für das Militär auszugeben. Die USA leisten bisher fast 3,5 Prozent. Nur vier weitere Staaten halten die Grenze ein. Deutschland liegt mit seinen 1,3 Prozent irgendwo im Mittelfeld.

Trump hat angekündigt, wenn sich nicht alle an die Zwei-Prozent-Abmachung halten, würden die USA im Nato-Bündnisfall nicht helfen. Das klingt nach dem Anfang vom Ende der Nato. Schon in Deutschland wäre eine Steigerung der Militärausgaben um 0,7 Prozentpunkte kaum durchzusetzen.

Nicht nur für die Nato, auch für die Europäische Union dürften die Zeiten schwierig werden. Trump hält die EU für großen Unsinn. Der Brexit-Entscheidung der Briten hat er deutlich hörbar applaudiert. Er hat sich mit Ukip-Mann Nigel Farage einen Wahlkampfhelfer aus Europa geholt, der hier als Enfant terrible verschrien ist.

In der Ukraine-Krise wird die EU, wird vor allem Merkel in Zukunft nicht mehr auf den Beistand der Vereinigten Staaten setzen können. Im Gegenteil. Trump scheint im russischen Präsidenten Waldimir Putin einen neuen Freund gefunden zu haben. Beide sind sich sogar in Auftreten und Habitus ähnlich. Wenn auch Trump noch nicht mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd gesichtet wurde.

Gut vorstellbar, dass Trump als eine seiner ersten Amtshandlungen die Krim als Teil Russlands anerkennt. Merkel stünde düpiert da - und nicht nur in diesem Fall. Sie versucht in zähen Verhandlungen mit den Russen eine friedliche Lösung für den Konflikt in der Ukraine zu finden. Präsident Obama hat sie machen lassen. Auch weil er findet, dass die Europäer mehr Verantwortung für das übernehmen sollen, was vor ihrer eigenen Haustür geschieht. Merkel konnte sich aber immer der Rückendeckung des amerikanischen Präsidenten sicher sein. Das dürfte jetzt vorbei sein.

Auch aus dem Syrien-Konflikt wird sich Trump eher raushalten. Er will den Konflikt zwar schnell lösen und den IS zum Teufel jagen. Aber wenn die Russen den Job an der Seite von Syriens Machthaber Baschar al-Assad übernehmen, wird es ihm recht sein. Trumps neuer Freund Putin hat schon jetzt eine führende Rolle in dem Konflikt übernommen - und lässt als Assads Verbündeter Bomben auf die Zivilbevölkerung werfen.

Auch hier galt bisher: Es gibt zumindest den Versuch, eine westliche Allianz gegen den IS und nicht zuletzt gegen eine neue Dominanz Russlands im arabischen Raum zu schmieden. So eine Allianz kann mit Trump wohl begraben werden.

So sehr im arabischen Raum Trumps Versprechen gehört wird, er wolle den IS bekämpfen, so sehr nehmen die Menschen dort auch wahr, wie er über Muslime spricht. Er sieht sie generell als Gefahr für alle Amerikaner. Er will sie sogar nicht mehr ins Land einreisen lassen. Im arabischen Raum wird er sich deshalb schwertun, noch Partner zu finden.

Mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist Trumps Freundeskreis diesseits des Atlantiks dagegen perfekt. Trump hat Erdoğan für dessen rabiates Vorgehen nach dem Putschversuch ausdrücklich gelobt.

Gefährlich könnte gar das Verhältnis zu Iran werden. Noch-Präsident Barack Obama hat - gemeinsam mit den Deutschen - vieles dafür getan, das Verhältnis zu Teheran wieder auf einen gangbaren Weg zu bringen. Er hat den Iranern einen Atom-Deal abgehandelt, der zumindest die akute Gefahr einer atomaren Bewaffnung Irans abgewendet hat. Trump will den Deal rückgängig machen. Iranische Hardliner freuen sich schon darauf, ihr altes Feindbild USA reaktiveren zu können.

Das alles passt in Trumps America-First-Strategie. Er wird sich nur noch dort einmischen, wo er elementare Interessen der USA in Gefahr sieht.

Die andere Achse des Bösen

Wirtschaftlich ist die Lage unübersichtlich. Mit Trump wird es so schnell kein Freihandelsabkommen mit der EU geben. TTIP dürfte Geschichte sein. Trump will ja auch das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta aufkündigen. Er will eigentlich alle Freihandelsabkommen der USA neu verhandeln.

Das gilt wohl auch für das internationale Klimaabkommen von Paris. Darin hat sich praktisch die ganze Welt darauf verständigt, den Globus um nicht mehr als zwei Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierungsteigen zu lassen. Sogar China ist dabei.

Deutschland hat intensiv an dem Dokument mitgearbeitet. Aber Trump glaubt nicht an den Klimawandel. Wenn die USA aus dem Abkommen aussteigen, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass es länger Bestand haben wird.

Die Welt hat aus europäischer Sicht jetzt eine neue Achse des Bösen: Trump, Putin, Erdoğan. Und im kommenden Jahr könnte noch die Rechtspopulistin Marine Le Pen in Frankreich dazustoßen. Sie hat dann Chancen, dort Präsidentin zu werden.

Noch weiß niemand sicher, ob Trump tatsächlich vorhat, die USA in die Isolation und damit große Teile der Welt in neue, ungeahnte Krisen zu führen. Aber für die Zukunft sieht es düster aus. Sehr düster.

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