Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Nur Trumps Mauer steht fest

  • Donald Trump hat bei einer Wahlkampfveranstaltung erneut bekräftigt, als Präsident eine Mauer entlang der US-Grenze zu Mexiko bauen zu wollen.
  • Bezahlen soll den Bau die mexikanische Regierung.
  • Seine kompromisslose Haltung gegenüber illegalen Einwanderern hat der Präsidentschaftskandidat der Republikaner geändert. "Schlechte Leute" will er abschieben, mit einigen Illegalen werde man arbeiten.

Analyse von Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump hat durchaus die Absicht, eine Mauer zu bauen. "Wir werden eine Mauer bauen, macht euch keine Sorgen", versprach der republikanische Präsidentschaftskandidat bei einer Wahlveranstaltung am Mittwoch. "Wir werden eine Mauer bauen. Wir werden eine Mauer bauen, und Mexiko wird dafür bezahlen, zu hundert Prozent. Und es wird eine große Mauer sein. Es wird eine Mauer sein, so wunderschön wie eine Mauer eben sein kann, aber es wird eine Mauer sein."

Mauer, Mauer, wunderschön, Mauer - das ist typische Trump-Diktion. Doch vielleicht betonte der Kandidat seine geplante Mauer entlang der US-Grenze zu Mexiko auch deswegen so sehr, weil er andere Wahlkampfversprechen gerade zu kassieren versucht.

Seine früheren Ankündigungen, hart und schonungslos gegen alle vorzugehen, die ohne Papiere ins Land gekommen sind, haben Trump zum rechtspopulistischen Helden und Präsidentschaftskandidaten gemacht. Nun spricht er plötzlich davon, dass eine "Aufweichung" seiner Linie möglich wäre, und man mit einigen der Illegalen "arbeiten werde".

Trumps Wende zieht sich mittlerweile schon einige Tage hin, und sie könnte auch noch einige Tage dauern. Und ob am Ende dann tatsächlich ein echter neuer Kurs steht, ist offen. Der Kandidat selbst und andere Leute aus dem Trump-Orbit haben in den vergangenen Tagen alle möglichen Positionen vertreten, von ganz hart bis ganz versöhnlich. Einige von Trumps sehr konservativen Unterstützern warnen ihn offen davor, einzuknicken und seine radikalen Pläne abzuschwächen.

"Mörder müssen raus"

Klar ist: Trump hält daran fest, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen zu wollen, die illegale Einwanderer stoppen soll. Bezahlen soll für das Bauwerk die mexikanische Regierung. Klar ist auch: Trump will alle straffällig gewordenen illegalen Einwanderer abschieben, all die Mörder, Vergewaltiger und Drogenhändler aus Lateinamerika, die nach seiner Darstellung das friedliche Amerika terrorisieren. "Sie müssen raus, sie müssen raus", ist sein Urteil über diese "schlechten Leute".

Unklar ist im Moment: Was soll mit den Millionen Immigranten passieren, die seit Jahren in den USA leben, dort arbeiten und Familien gegründet haben und sich nichts haben zuschulden kommen lassen, außer, dass sie einst illegal eingereist sind? Das dürfte auf den allergrößten Teil der geschätzt elf Millionen illegalen Immigranten in Amerika zutreffen. Bisher galt aus Trumps Sicht auch für diese Menschen: "Sie müssen gehen."

Doch der Kandidat scheint gemerkt zu haben, dass diese Forderung unhaltbar ist. Zum einen wäre es logistisch und humanitär unmöglich, elf Millionen Menschen einzusammeln und aus dem Land zu bringen.

Zum anderen aber hat Trumps Team offenbar nachgezählt und festgestellt, dass die brachialen, oft als rassistisch kritisierten Einwanderungspläne zu viele jener Wähler verschrecken, die Trump für einen Sieg gegen die Demokratin Hillary Clinton braucht - Frauen, moderate Republikaner, Schwarze und Latinos.

Es ist kein Zufall, dass die Wende in der Einwanderungspolitik nur kurz nach der Ernennung der Meinungsforscherin Kellyanne Conway zur neuen Wahlkampfmanagerin Trumps begonnen hat. Bei weißen Männern aus der unteren Mittelschicht sind Trumps Forderungen sehr beliebt. Doch diese Wähler reichen rein rechnerisch nicht, um Trump ins Weiße Haus zu befördern. "Selbst wenn sie alle zur Wahl gingen, würde Clinton gewinnen", stellt eine neue Erhebung der Agentur Reuters fest.

Was Trump im Falle eines Wahlsiegs mit der großen Zahl Illegaler genau tun würde, die, abgesehen von ihrem Aufenthaltsstatus, unbescholten in den USA leben, lässt er offen. Die Möglichkeit, Staatsbürger zu werden, will er ihnen nicht geben, das gälte bei rechten Republikanern als "Amnestie". Auch sollen sie rückwirkend Steuern bezahlen. "Wir werden mit ihnen arbeiten", kündigte Trump an.

US-Wirtschaft braucht Einwanderer

Damit nähert sich Trump freilich politisch genau an jene moderate Republikaner an, die er im Vorwahlkampf verspottet und bekämpft hat. Denn abgesehen vom rechten Rand der Republikaner, gibt es in der US-Politik einen Konsens, dass eine vernünftige und im Kongress durchsetzbare Einwanderungspolitik aus zwei Elementen bestehen muss: aus einer verstärkten Sicherung der Grenze; und aus einer wie auch immer gearteten Regelung, die es den Menschen, die schon im Land sind, erlaubt, aus der Illegalität zu kommen und irgendeinen legalen Status zu erhalten.

Von der billigen Arbeitskraft der Einwanderer hängen ganze Wirtschaftszweige in den USA ab. Zimmermädchen, Kellnerinnen, Gärtner, Taxifahrer, Verkäuferinnen, Müllmänner, Bauarbeiter - selten verrichten weiße Amerikaner diese Jobs. Die Immigranten aus dem Land zu werfen, würde nicht nur, wie die Befürworter der harten Linie sagen, Arbeitsplätze für Amerikaner freimachen, sondern viele Branchen massiv treffen. Das könnte in der Folge auch Amerikaner den Job kosten.

Das weiß inzwischen auch der Geschäftsmann Trump. Entsprechend vage klingen nun seine Aussagen. Er werde eine Einwanderungspolitik machen, die höhere Löhne und Arbeitsplätze für US-Staatsbürger bringt, mehr Sicherheit für US-Bürger und mehr Lebensqualität für US-Bürger, versprach er am Mittwoch.

Definiert man Lebensqualität als die Möglichkeit, sich für 60 Dollar zweimal im Monat den Rasen von einer Truppe unterbezahlter Lateinamerikaner mähen zu lassen, dann müsste Trump die Grenzen weit öffnen.

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SZ vom 26.08.2016/lkr
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