Hillary Clinton hat das erste TV-Duell gegen Donald Trump gewonnen. Vier seriöse Meinungsforscher haben Umfragen durchgeführt und Clintons Vorsprung reicht von 62 zu 27 Prozent bis zu 51 zu 40 Prozent. Trump erklärt sich zwar hartnäckig zum Sieger, doch er beruft sich nur auf Online-Abstimmungen. Sogar der konservative Sender Fox News erinnert seine Angestellten daran, dass Internet-Umfragen "unseren Standards nicht entsprechen", da Leute mehrfach teilnehmen können.
In der polarisierten US-Gesellschaft dürften die Umfragen jedoch knapp bleiben - und so kann sich Clinton nicht auf dem Erfolg ausruhen. Um ihre Unpopularität zu bekämpfen und Trump weiter zu attackieren, ist sie ebenso wie ihr All-Star-Team im Einsatz. Vizepräsident Joe Biden fragte nach dem Duell "Worüber zum Teufel hat Trump geredet?", während die Ex-Außenministerin mit ihrem einstigen Rivalen Bernie Sanders den swing state New Hampshire besuchte.
Auch Präsident Barack Obama meldete sich mehrfach zu Wort. Morgens warf er dem Republikaner-Kandidaten im Radio vor, "seine Hausaufgaben nicht zu machen und die simpelsten Fakten, die ein Präsident wissen muss, nicht zu kennen". Offenbar interessiere sich Trump nur für sich selbst. Am Abend legte er in einem CNN-Forum mit Soldaten und Veteranen indirekt nach: Wer so wie Trump über Muslime redete, gefährde die nationale Sicherheit.
Michelle Obama soll es richten
Den wirkungsvollsten Auftritt der Woche absolvierte aber Michelle Obama. Wie bei ihrer gefeierten Parteitagsrede nimmt die First Lady in Pennsylvania den Namen "Donald Trump" nie in den Mund, sondern spricht nur von "ihrem Gegner". Gewiss: Die 52-Jährige wirbt für Clinton, aber sie will vor allem alles tun, damit sie nicht erleben muss, wie Donald und Melania Trump ins Weiße Haus einziehen.
Dass der Republikaner vor Kurzem öffentlich zugegeben hat, dass Barack Obama in den USA geboren wurde - das reicht Michelle keineswegs. Sie ist überzeugt, dass sich Trump jahrelang als Anführer der sogenannten "Birther"-Bewegung inszeniert hat, um eine politische Karriere zu starten und ihren Mann zu diskreditieren. Die "Birther" unterstellen dem US-Präsidenten, gar nicht in den USA geboren, sondern wie sein Vater in Kenia, somit unrechtmäßig im Amt zu sein und quasi die USA zu unterwandern.
"Es waren verletzende, hinterlistige Fragen, die bewusst seine Präsidentschaft untergraben sollten", sagt Michelle Obama dazu in Philadelphia. Dies lasse sich nicht "auf andere abwälzen oder unter den Teppich kehren", indem man bei einer Pressekonferenz einen "unaufrichtigen Satz" ausspricht.
Als Trump in der TV-Debatte nach seinen "Birther"-Theorien gefragt wurde, fand er weder eine überzeugende Antwort (die kaum zu finden ist) noch entschuldigte er sich. Michelle Obamas Auftritt machte klar: Über dieses Thema werden die Demokraten bis zum Wahltag ständig reden. Äußerst effektiv erinnerte sie zudem daran, dass Trump Frauen beleidigt und auf ihr Äußeres reduziert hat ( mehr über seine "Miss Piggy"-Sprüche) sowie es für okay hält, keine Steuern zu zahlen ("das ist smart") - all dies disqualifiziere ihn fürs höchste Amt. An alle, die nicht hundertprozentig von Clinton begeistert seien, appelliert sie: "Erfahrung zählt. Vorbereitung zählt. Temperament zählt."
Drei Gründe für den Zwischenspurt der Demokraten
Dass sich die Demokraten trotz des gewonnenen TV-Duells so anstrengen (Bill und Chelsea Clinton sind auch permanent unterwegs), hat mehrere Gründe. Erstens weiß Barack Obama genau, wie man sich nach einer Auftaktpleite zurückkämpft: 2012 zeigte er erst in der zweiten Debatte eine gute Leistung gegen Mitt Romney. Ein ähnliches Comeback wird Trump am 9. Oktober auch zugetraut. Zweitens haben er und Michelle einen weiteren persönlichen Grund: Es geht um das politische Erbe des ersten schwarzen Präsidenten ( mehr in dieser SZ-Analyse).
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Und drittens fremdeln einige Teile der berühmt-berüchtigten "Obama-Koalition" mit der diesjährigen Kandidatin. Unter Latinos sowie Amerikanern, die jünger als 30 sind, kommt Hillary Clinton auf deutlich niedrigere Werte als Obama vor vier Jahren - und dies könnte ihren Wahlsieg gefährden.
Wer wie viele Millennials überlegt, für die Grüne Jill Stein oder den Libertären Gary Johnson zu stimmen, für den hat First Lady Michelle eine klare Botschaft: Dadurch unterstützt ihr indirekt Donald Trump. Neben ihren Wahlkampf-Reisen, deren Häufigkeit in den kommenden Wochen sicher noch zunehmen wird, tritt sie in Wahlvideos auf und spricht Radiospots für Hillary Clinton ein.
Wie wertvoll Michelle Obama für die Kandidatin der Demokraten noch werden könnte, illustriert eine einzige Zahl: 64 Prozent der US-Wähler finden sie sympathisch. Das sind Zahlen, von denen sowohl Melania Trump (38 Prozent) als auch Bill Clinton (49 Prozent) nur träumen können.