Süddeutsche Zeitung

Parteitag der Demokraten:"Biden ist kein sonderlich guter Wahlkämpfer"

Lesezeit: 3 min

US-Politikwissenschaftler Peter Beinart erklärt, warum die Corona-Krise Biden hilft, was republikanische Redner für die Demokraten bedeuten - und warum Fehltritte von Trump kaum noch ins Gewicht fallen.

Interview von Thorsten Denkler, New York

Peter Beinart ist Professor für Politik und Journalistik an der City of New York University und zudem regelmäßiger Gast-Kommentator für die New York Times, The Atlantic und CNN.

SZ: Mr. Beinart, der Parteitag der Demokraten endet an diesem Donnerstag mit der Rede von Joe Biden. Normalerweise sind diese Parteitage Gelegenheiten, Zigtausende von Delegierten, Parteimitgliedern, Sympathisanten und Kampagnen-Mitarbeitern für den Wahlkampf zu befeuern. Fühlen sie Derartiges nach diesem Parteitag?

Peter Beinart: Dieser Parteitag wird sicher nicht den Einfluss auf die Wahl haben, wie er ihn in normalen Zeiten hätte. Aber andererseits ist diese Art von virtuellem Wahlkampf gut für einen Kandidaten wie Joe Biden.

Wollen Sie sagen, das Coronavirus schützt Biden?

Ja. Biden ist kein sonderlich guter Wahlkämpfer. Er hat es im Vor-Corona-Wahlkampf kaum geschafft, eine größere Zahl an Leuten zu versammeln. Und er macht viele Fehler. Er weiß manchmal nicht, wo er ist, er verwechselt Leute. Die Corona-Krise bewahrt ihn vor solchen Fehlern. Was zugleich dafür sorgt, dass sich alle noch mehr auf Trump fokussieren. Was nicht gut für Trump ist. Sein Krisenmanagement wirkt geradezu selbstzerstörerisch.

Auf dem Parteitag der Demokraten scheint es einzig und allein um Trump zu gehen, seine Fehler und wie unwürdig und unfähig er sei. Reicht das, um eine Wahl zu gewinnen?

Zunächst mal spiegelt das ja die Wirklichkeit wider. Trump ist für viele Menschen eine hochgradig abstoßende Figur. Biden wiederum ist nicht gerade ein inspirierender Charakter. Die Geschichte, die der Parteitag erzählen will, ist diese: Trump ist ein wirklich schlimmer Präsident. Biden dagegen ist ein anständiger Kerl, der dem Land eine gewisse Stabilität zurückgeben kann. Das ist nicht viel. Aber diesmal könnte das tatsächlich reichen.

Den Umfragen nach liegt Biden stabil in Führung. Aber auch 2016 hat Hillary Clinton fast durchgängig geführt, am Ende sogar die meisten Stimmen bekommen. Und dennoch verloren. Hat Trump noch ein Ass im Ärmel?

Möglich ist das. Ich halte das aber nicht für sehr wahrscheinlich. Hillary Clinton war ja sehr nah am Wahlsieg. Es ging um wenige Zehntausend Stimmen in einzelnen Bundesstaaten, die ihr gefehlt haben. Ihr Hauptproblem war, dass sie außergewöhnlich unbeliebt war. Trump im Übrigen auch. Heute ist die Situation eine andere: Trump ist so unpopulär wie schon 2016. Biden hingegen wird von fast jedem irgendwie gemocht. In den Umfragen haben deutlich weniger Menschen etwas gegen ihn als gegen Hillary Clinton oder gegen Donald Trump.

Aus deutscher Perspektive ist es fast unglaublich, dass Trump immer noch so viele Unterstützer hat. Wie erklären Sie sich das?

Ich glaube, da geht es weniger um die Person. Das Land ist politisch gespalten. Wir haben eine stark ausgeprägte negative Polarisierung. Die meisten Republikaner werden für ihre Partei stimmen, egal wer als Kandidat vorne steht. 40 Prozent der Wähler dürften für die Demokraten nicht erreichbar sein. Dafür sind sie den Demokraten gegenüber viel zu feindselig eingestellt.

Auf dem Parteitag der Demokraten haben bald ein Dutzend abtrünnige Republikaner gesprochen, die jetzt Joe Biden unterstützen. Vom ehemaligen Gouverneur von Ohio, John Kasich, bis zum früheren Außenminister unter George W. Bush, Colin Powell. Hilft das dabei, republikanische Wähler zu gewinnen?

Es kann zumindest jenen Republikanern ein wenig Rückversicherung bieten, die Trump kritisch sehen, aber von der Sorge geplagt werden, dass die Demokraten radikal nach links abdriften. Es wird nicht um Unmengen von Stimmen gehen, aber vielleicht genug, um den Ausschlag zu geben.

Wie wichtig ist für die Biden-Kampagne die Unterstützung der Obamas? Es scheint, als wäre die nicht so ausgeprägt, wie sie sein könnte.

Barack Obama war sehr vorsichtig. Er hat Biden erst seine Unterstützung zugesichert, als der aus eigener Kraft die Vorwahl gewonnen hatte. Ich denke, Obama war nicht wirklich sicher, ob Biden es schaffen würde. Sie scheinen eine wirklich enge Freundschaft zu pflegen. Aber in der Tat schien Obama einer Präsidentschaftskandidatur von Biden eher reserviert gegenüberzustehen. Ob das so stimmt, wissen aber wohl nur die beiden. Aber klar, Obamas Unterstützung ist immens wichtig für Biden. Zum einen, weil er in der afroamerikanischen Bevölkerung ungemein beliebt ist. Zum anderen erinnert er die Menschen daran, dass unter ihm und Vizepräsident Biden vieles besser war als jetzt.

Am Montag startet der Nominierungsparteitag der Republikaner. Gibt es etwas, das die Republikaner vom Parteitag der Demokraten lernen können? Virtuelle Parteitage sind ja für beide Parteien Neuland.

Ich denke nicht. Beide Parteien existieren dafür in zu unterschiedlichen Ökosystemen. Die Republikaner werden sich stark auf Themen wie Recht und Ordnung konzentrieren. Die Botschaft ihres Parteitages wird sich komplett von der der Demokraten unterscheiden.

Viel ist noch nicht über den Ablauf bekannt. Sicher ist wohl nur, dass Trump seine Rede am kommenden Donnerstag im Weißen Haus hält. Manche sagen, er bringt damit zumindest seine Mitarbeiter in eine rechtliche Bredouille, weil parteipolitische Aktivitäten und Regierungsgeschäfte nicht vermengt werden dürfen. Wie sehen Sie das?

Ach wissen Sie, Trump hat so viele Regeln, so viele geschriebene wie ungeschriebene Gesetze gebrochen, da fällt so etwas kaum noch ins Gewicht. Die Menschen haben da längst den Überblick verloren.

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