US-Wahl: Interview mit Peter Rudolf:"Obamas Reformvorhaben sind praktisch tot"

Amerika-Experte Rudolf erklärt, welche Folgen das Wahlergebnis für Obamas Außenpolitik, seine Agenda und seine Wiederwahl hat.

Barbara Vorsamer

Peter Rudolf leitet die Forschungsgruppe Amerika an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Zu seinen Schwerpunkten gehören die amerikanische Außenpolitik und politische Entwicklungen in den USA.

Barack Obama

US-Präsident Barack Obama am Telefon mit dem designierten Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner. Um zu gestalten, müssen die beiden nun zusammenarbeiten.

(Foto: AP)

sueddeutsche.de: Was bedeutet der Ausgang der Wahl für Präsident Obama?

Rudolf: Es wird schwieriger für ihn. Alle größeren innenpolitischen Reformvorhaben sind praktisch tot - wie zum Beispiel eine Neuregelung des Einwanderungsrechts oder eine Bildungsreform.

sueddeutsche.de: Wie sieht es in der Außenpolitik aus? Hat das Wahlergebnis darauf einen Einfluss?

Rudolf: Die internationale Wahrnehmung der USA ändert sich. Von Obama kann nun international nicht mehr so viel Führung erwartet werden. Allerdings hat der US-Präsident in der Außenpolitik einen großen Handlungsspielraum und kann sich darauf verlassen, dass die Republikaner ihn in wichtigen Fragen wie der Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes unterstützen. Fraglich ist, was in der Rüstungskontrolle geschieht, denn noch ist der START-Vertrag nicht ratifiziert. Der US-Senat muss internationalen Verträgen mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. Diese Mehrheit haben die Demokraten nicht.

sueddeutsche.de: Wie ist Deutschland vom Wahlausgang in den USA betroffen?

Rudolf: Direkt hat das Ergebnis keine Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Doch hatte Deutschland zum Beispiel beim Thema Klimaschutz hohe Erwartungen an Obama. Die erforderlichen Mehrheiten im Kongress hat er schon vor der Wahl nicht zusammenbekommen. Nun, mit einem republikanischen Repräsentantenhaus, ist ein umfassendes Klimaschutzgesetz gestorben.

sueddeutsche.de: Vielerorts ist von einem politischen Tsunami oder einer historischen Niederlage für Obama und die Demokraten zu lesen.

Rudolf: Das ist übertrieben. Dass die Partei des Präsidenten bei den sogenannten Midterms etwa 20 Mandate im Repräsentantenhaus verliert, ist fast immer der Fall. Gut, diesmal sind es mehr als 50 - jedoch haben die Demokraten 2006 und 2008 große Gewinne verzeichnet. Dass sie die auf die Dauer nicht halten können, war klar.

sueddeutsche.de: Warum sind die Verluste diesmal überdurchschnittlich hoch?

Rudolf: Das hat mit der schlechten Wirtschaftslage in den USA zu tun. Außerdem ist es den Republikanern gelungen, die Wahl zu einem Referendum über den Präsidenten zu machen. Viele Wähler stehen Obama äußerst feindselig gegenüber - das wird in Deutschland oft verzerrt wahrgenommen, weil er hier beliebt ist. Die Gesundheitsreform und die Ausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft sind in den USA keineswegs populär. So wurde die Gesundheitsreform vielfach als "sozialistisch" verunglimpft.

Die Zukunft der Tea Party

sueddeutsche.de: Diese Anti-Obama-Stimmung hat die Tea-Party-Bewegung kanalisiert. Was hat das verändert?

Rudolf: Die Tea-Party-Bewegung bescherte den Republikanern eine hohe Mobilisierung, brachte aber auch eine immense Polarisierung in den Wahlkampf. Ob das gut oder schlecht ist und ob die Tea Party überhaupt dauerhaft bestehen bleibt, bleibt abzuwarten. Immerhin haben einige ihrer Kandidaten - wie Christine O'Donnell in Delaware - Rennen verloren, die die Republikaner sonst wahrscheinlich gewonnen hätten. Sie war moderaten Wählern aber zu radikal und dilettantisch.

sueddeutsche.de: Welche Folgen wird der teilweise Erfolg der Tea-Party-Bewegung haben?

Rudolf: Wie sich die Tea-Party-Kandidaten im Kongress verhalten, wird in der nächsten Legislaturperiode eine große Rolle spielen. In den USA gibt es keine so starke Fraktionsdisziplin wie in europäischen Parlamenten- es hängt also viel davon ab, ob die Neulinge zur Zusammenarbeit bereit sind oder nur zu allem nein sagen. Mehrheiten zu finden, wird dadurch sicher schwieriger.

sueddeutsche.de: Um nicht in einer völligen Blockade zu enden, müssen Demokraten und Republikaner von nun an zusammenarbeiten. Werden sie das schaffen?

Rudolf: Ich glaube nicht, dass es zu viel Kooperation kommen wird. Das wichtigste Ziel der Republikaner ist im Moment, dass Obama nicht wiedergewählt wird. Ihm werden sie nicht zu Erfolgen verhelfen wollen. Zwar würden es die Wähler auch nicht goutieren, wenn sie jegliche Kompromissangebote des Präsidenten ausschlagen. Doch für die großen Vorhaben Obamas sehe ich kaum Chancen.

sueddeutsche.de: Kann das auch ein Vorteil für Obama sein?

Rudolf: Relevanter für Obamas Wiederwahl ist die wirtschaftliche Entwicklung - und dass er 2012 die moderaten Wähler wieder von sich überzeugen kann.

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