Einen Tag nach der Ankündigung von FBI-Chef James Comey, neue Nachforschungen zu Hillary Clintons E-Mail-Affäre anzustellen, reklamiert die Präsidentschaftskandidatin die Deutungshoheit für sich. Bei einem Wahlkampf-Auftritt in Florida kritisiert Clinton Comey mit deutlichen Worten: "Es ist ziemlich seltsam, direkt vor einer Wahl so etwas mit so wenig Informationen öffentlich zu machen."
Während das Publikum in Daytona Beach Comey ausbuht, fährt die Ex-Außenministerin fort: "Dieses Vorgehen ist nicht nur seltsam, es ist beispiellos. Und es ist zutiefst beunruhigend, weil die Wähler es verdient haben, die vollständigen Fakten zu sehen." Sie hoffe sehr, dass der FBI-Direktor mehr erkläre und die nötigen Informationen veröffentliche: "Legen Sie alles auf den Tisch."
Eigentlich hatten FBI und das US-Justizministerium im Juli erklärt, die Ermittlungen gegen die ehemalige Chefdiplomatin wegen der unerlaubten Nutzung einer privaten E-Mail-Adresse einzustellen. Comey, der Mitglied der Republikaner ist, hatte Clinton im Juli "extrem sorgloses Verhalten" attestiert, allerdings von einer Anklage abgeraten.
Dass Clintons Wahlkampf-Berater sowie diverse Top-Demokraten und Senatoren den FBI-Direktor nun attackieren, gehört zum politischen Geschäft: Das leidige Skandal-Thema soll neun Tage vor der Wahl nicht wieder die Schlagzeilen bestimmen.
Die Washington Post und einige anderen Medien melden, Comey habe mit seinem Brief an führende Kongress-Mitglieder eine Empfehlung des US-Justizministerium missachtet ( "Wir veröffentlichen nichts, was als Beeinflussung der Wahl interpretiert werden könnte"). Dies passt zum Tenor der Demokraten, dass die Angelegenheit eine parteipolitische Note hat. Mit dieser Botschaft werden demokratische Politiker auch Sonntagmorgen in den TV-Talkshows auftreten.
Trump brüstet sich: Ich habe Skandal kommen sehen
Ähnlich vorhersehbar ist auch, wie die Republikaner argumentieren werden. Die neuen Ermittlungen zeigten, dass Clinton ungeeignet sei, Nachfolgerin von Barack Obama zu werden. Präsidentschaftskandidat Donald Trump nennt die E-Mail-Affäre in der ihm eigenen Superlativ-Rhetorik "den größten politischen Skandal seit Watergate" - eine Behauptung, die der damals beteiligte Journalist Carl Bernstein sofort ins Reich der Mythen verweist.
Am Samstag brüstet sich Trump auch damit, den "schmierigen Charakter" von Anthony Weiner vor Jahren erkannt zu haben und sich entsprechend bei Twitter geäußert zu haben. Zur Erinnerung: Die neue Wendung im E-Mail-Skandal wurde ausgelöst, weil das FBI wegen der Sexting-Nachrichten ermittelte, die der demokratische Ex-Abegordnete mit einer 15-Jährigen austauschte. Trump wiederholt auch einen weiteren Vorwurf: Clintons Vertraute Huma Abedin, Weiners inzwischen getrennt lebende Ehefrau, sei ein Sicherheitsrisiko, das die demokratische Kandidatin erkennen hätte müssen.
Bei seinem Auftritt in Colorado spricht Trump zur Freude seines Publikums minutenlang über alle möglichen Spekulationen und räsoniert etwa darüber, ob die 40-jährige Abedin nun entlassen werde: "Dies wird nicht passieren, denn sie kennt die echte Geschichte. Sie weiß, was früher alles passiert ist." Diese Aussagen werden von Trumps Fans genau so verstanden, wie es der Kandidat will: Gemeinsam mit Ehemann Bill nutze Hillary die Clinton-Familienstiftung, um sich persönlich zu bereichern und sei durch Spenden aus dem Ausland käuflich.
Neue Details über die Trump-Stiftung, die nur Trump selbst nutzt
Ob Trump entgegen aller Prognosen doch noch Präsident wird, entscheidet sich in wenigen Tagen. Im Rennen um den Titel "Wohltäter des Jahres" dürfte er inzwischen ausgeschieden sein. Die Washington Post veröffentlichte am Samstag weitere Details zum Spendengebaren des Immobilien-Unternehmers.
Dass der Kandidat die "Trump Foundation" ausgiebig für die Unterstützung eigener Zwecke nutzte, ist bereits länger bekannt. Nun erfährt die Welt auch, dass die größte Gabe der Stiftung in Höhe von 264 631 Dollar für die Renovierung eines Brunnens ausgegeben wurde. Der Brunnen steht vor dem Plaza Hotel in New York, das damals Donald Trump gehörte.
In weiteren Anekdoten aus den Neunzigern berichten Augenzeugen, wie Trump unangekündigt auf einer Gala für aidskranke Kinder auftauchte und sich neben anderen Spendern auf die Bühne setzte. Ohne selbst einen Cent gespendet zu haben.
In einer Schule im New Yorker Stadtteil Bronx war Trump "Rektor für einen Tag", als das Schach-Team gerade 5000 Dollar für eine Turnierreise sammelte. Trump überreichte unter großer Begeisterung der Eltern symbolisch einen falschen Eine-Million-Dollar-Schein. Und ließ am Ende 200 Dollar Bargeld da, bevor er in seiner Limousine davonbrauste.
Die Wahlkampf-Aufführung 2016 läuft noch bis zum 8. November.