Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Es ist so gut wie unmöglich, die US-Wahl zu fälschen

  • Donald Trump wittert den großen Betrug und sät Zweifel an den Ergebnissen der Wahl an, noch bevor diese stattgefunden hat.
  • Dass das Szenario eintritt, vor dem Trump seit mehreren Monaten warnt, gilt als äußerst unwahrscheinlich.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Der republikanische Anwärter für das Präsidentenamt, Donald Trump, hat während der dritten und letzten TV-Debatte in aller Klarheit gesagt, dass er dem demokratischen Wahlprozess in den USA derzeit nicht traut. Moderator Chris Wallace wollte von ihm wissen: "Werden Sie die Ergebnisse dieser Wahl vollständig anerkennen?" Trump antwortete: "Ich werde mir das ansehen." (Hier die Einzelheiten im SZ-Liveblog zum Nachlesen.)

Seit Monaten warnte Trump, dass die US-Wahl gefälscht werden könnte. Dieses Angstszenario scheint er jetzt in den letzten Wochen vor der Wahl zum bestimmenden Thema machen zu wollen. Wenn Donald Trump verliert, so scheint Trump zu glauben, dann könne das nur daran liegen, dass die andere Seite mit unfairen Mitteln arbeite. Umfragen zufolge scheint die Taktik vor allem unter Trump-Wählern zu wirken: Die Mehrheit von ihnen glaubt, dass es zu Fälschungen bei der Stimmabgabe komme.

Es ist nicht das erste Mal, dass in den USA vor einer Fälschung der Wahl gewarnt wird. Es ist jedoch das erste Mal, dass ein Kandidat der beiden großen Parteien eine solche These aufstellt, bevor der Großteil der Stimmen abgegeben wurde.

Ein Szenario, das wahrscheinlich ist? Nein.

Doch wie wahrscheinlich ist dieses Szenario? Lässt sich eine Wahl in der größten Volkswirtschaft der Welt mit 50 Bundesstaaten und mehr als 300 Millionen Einwohnern manipulieren? Im Rahmen ihres Faktenchecks beantwortete die Washington Post die Frage mit einem Wort: "Nein."

Dabei ist es relativ einfach, die Wahlmaschinen selbst ins Visier zu nehmen. Viele von ihnen sind anfällig für Schwachstellen, die Hacker ausnutzen können (mehr dazu hier). 20 Prozent der eingesetzten Maschinen verwenden einen Wahlprozess, der komplett digital abläuft.

Digitale Informationen lassen sich manipulieren. Käme es zu einer Fälschung, wäre diese Manipulation nicht nachzuweisen. Die restlichen Maschinen verwenden eine Art von "Papierspur", auf der sich die abgegebenen Stimmen überprüfen lassen.

Doch die Maschinen sind nicht mit dem Internet verbunden. Das heißt, die Hacker müssen vor Ort sein. In den USA wird an öffentlichen Plätzen gewählt, zum Beispiel in einer Caféteria. Das gesamte Wahlzubehör, inklusive Maschinen, wird öffentlich getestet, kommt verriegelt an, bleibt den Tag über an einem Ort und wird anschließend wieder verriegelt und verschickt, wie Chris Ashby schreibt, der als Anwalt arbeitet und auf das Wahlrecht spezialisiert ist.

Für Hacker heißt das: Sie müssen an so einem Ort in der Lage sein, eine Maschine auseinanderzunehmen. Dafür müssen selbst versierte Hacker sieben Minuten Zeit investieren.

Und sie müssen das in einem Raum tun, in dem Bürger als Wahlbeobachter eingesetzt werden. Diese Bürger sind (oft, aber nicht immer) im Wählerregister zu gleichen Teilen als Demokraten oder Republikaner eingetragen, wie Ashby ausführt. Das heißt: Damit es zu einer Fälschung kommt, müssten beispielsweise nicht nur die Demokraten das wollen, sie müssten auch die Republikaner überzeugen, während der Manipulation wegzusehen.

Pro Maschine, auf die ein Hacker Zugriff hat, könnten Hunderte Stimmen manipuliert werden. 537 Stimmen haben ausgereicht, damit die US-Wahl im Jahr 2000 an George W. Bush ging.

Keine zentrale Steuerung

Doch das US-System wird nicht zentral gesteuert, sondern von den Bundesstaaten selbst. Dort wiederum kommt es auf die Wahlbezirke an. Experten rechnen damit, dass für eine Fälschung der Stimme mehrere Hundert dieser Bezirke in Frage kommen könnten. Wichtig wäre es also vor der Wahl zu wissen, in welchen Bezirken es zu einer knappen Situation kommt - und dann dort präsent zu sein.

Für die Hacker käme erschwerend hinzu: Sie müssten wissen, welche Modelle der Wahlmaschinen in diesem Bezirk eingesetzt werden (jedes Modell, es gibt sehr viele, muss anders geknackt werden).

Zombie-Stimmen

Ein anderer Weg der Manipulation, den Trump wiederholt erwähnt, ist der des "voter frauds". Dabei taucht zum Beispiel eine Person im Lokal auf und wählt mehrfach. Während eines Wahlauftrittes warnte Trump kürzlich, dass Menschen, die vor zehn Jahren gestorben sind, immer noch Stimmen abgeben. Von 1,8 Millionen sogenannten "Zombie-Stimmen" war die Rede. Trump bezog sich damit auf eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Pew Research.

Die Studie selbst nannte tatsächlich diese Zahl in Bezug auf verstorbene Menschen, jedoch in einem anderen Kontext: In der Studie ging es darum, ob Informationen über Wähler aktuell sind. Sie waren es nicht. Das kann zum Beispiel der Fall sein, weil die Hinterbliebenen eines Verstorbenen den bürokratischen Gang scheuen und die Informationen daher falsch sind, wie die Washington Post anmerkt. Das heißt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass diese Stimmen auch tatsächlich abgegeben werden. Das insinuiert Trump. Doch darauf gibt es schlicht keine Hinweise.

Eine Untersuchung von einer Milliarde abgegebenen Stimmen (über mehrere Wahlen verteilt), ergab, dass bei 31 Stimmen eine Fälschung in Frage gekommen sein könnte.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass Donald Trump einen Betrug wittert. Bereits 2012 warnte er, dass Barack Obama unrechtmäßig Präsident geworden sei, da er weniger Stimmen bekommen habe. Trump war damals im Unrecht - und wird es auch dieses Mal sein,

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3214033
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/segi
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.