Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Der Agent, der Trump in Bedrängnis brachte

  • Die Identität des Verfassers des Trump-Dossiers ist publik geworden: Mehreren Berichten zufolge handelt es sich um den ehemaligen MI6-Agenten Christopher Steele.
  • Der Inhalt des Dossiers deutet darauf hin, dass der Kreml über kompromittierendes Material über Trump verfügt und ihn daher erpressen könne. Noch sind die Vorwürfe nicht verifiziert.
  • Steele führt seit 2009 eine Ermittlungsfirma in London, inzwischen ist er abgetaucht.

Von Benedikt Peters

Wie findet man einen ehemaligen britischen Geheimagenten? Ganz einfach, man schaut bei LinkedIn. Auf dem Online-Karriereportal hat sich Christopher Steele ein Profil angelegt. Man kann dort nachlesen, dass er Direktor eines "Sicherheits- und Ermittlungsdienstes" namens Orbis Business Intelligence ist. Und dass er nach eigenen Angaben über "Top-Kenntnisse" verfügt, etwa auf den Gebieten der Geheimdienstanalyse und der internationalen Beziehungen.

Steeles LinkedIn-Profil dürfte gut besucht sein, nachdem das Wall Street Journal in der Nacht publik gemacht hat, dass er der Agent ist, der Donald Trump in Bedrängnis gebracht und zu einer zornigen Pressekonferenz veranlasst hat.

Steele hat einen 35-seitigen Bericht zusammengetragen, der schwere Vorwürfe gegen den künftigen US-Präsidenten erhebt. Es sind Vorwürfe, die nicht bestätigt sind, die aber ob ihrer politischen Bedeutung weltweit in den Medien erörtert werden.

In dem Bericht heißt es, dass Russland Trumps Aufstieg seit Jahren gezielt gefördert habe, unter anderem durch Geheimdienstaktionen. Im US-Wahlkampf habe es einen permanenten Austausch zwischen Trumps Stab und Kreml-Mitarbeitern gegeben. Das Ziel sei gewesen, die Wahl Hillary Clintons zur US-Präsidentin zu verhindern und Spaltung in das westliche Bündnis zu tragen. Trump hat die Vorwürfe gestern vehement zurückgewiesen. "Kranke Leute" hätten den Bericht geschrieben. Dies bezog sich, wie man nun weiß, auf Christopher Steele.

Russlandspezialist des MI6

Mehreren Medienberichten zufolge soll er im vergangenen Jahr von einer Firma in Washington kontaktiert worden sein, die im Auftrag von Trump-Gegnern kompromittierende, also für Trump schädliche Informationen über den damaligen Präsidentschaftskandidaten sammelte. Wie genau das Material dann an die Medien gelangt ist, ist noch nicht geklärt.

Einige Medien berichten übereinstimmend, dass Steele viele Jahre lang als Russlandspezialist des britischen Geheimdienstes MI6 gearbeitet haben soll. Offiziell war er demnach ab 1990 als Zweiter Sekretär an der britischen Botschaft in Moskau unter dem damaligen Botschafter Rodric Braithwaite im Dienst. Später wechselte er den Standort, für das Jahr 1998 wird er als Erster Sekretär an der Botschaft in Paris geführt. 2003 soll er im britischen Außenministerium gearbeitet haben. Wie viel Zeit er bei seinen verschiedenen beruflichen Stationen zubrachte, ist bisher nicht geklärt.

2009 gründete er die Ermittlungsfirma Orbis Business Intelligence. Er führt sie gemeinsam mit Christopher Burrows, einem weiteren ehemaligen MI6-Agenten. Burrows wird nicht mit dem aufsehenerregendem Trump-Dossier in Verbindung gebracht, seine Fachgebiete sind die Europäische Union und Indien.

Der Fall könnte für Spannungen zwischen Großbritannien und den USA sorgen

Orbis Business Intelligence verfügt nach Angaben auf der Firmen-Internetseite über "umfassende Expertise in den Chefetagen von Regierung, multilateraler Diplomatie und internationaler Wirtschaft". Man sei einer ethischen Geschäftspraxis verpflichtet. Die Firma stelle sicher, dass sie sorgfältig vorgehe und sich an das britische, das US-amerikanische und das EU-Recht halte.

Ob die Firmen-Maßstäbe auch für das Trump-Dossier gelten, ist allerdings fraglich. Mehreren Berichten zufolge enthält das Papier Rechtschreibfehler und falsche Ortsangaben in Russland.

Nach der Enthüllung seiner Identität ist Christopher Steele abgetaucht, für Medienanfragen steht er nicht zur Verfügung. Berichten zufolge fürchtet er um seine Sicherheit. Sein Haus im Umland Londons hat er verlassen. Einem Nachbarn soll er gesagt haben, dieser solle für ein paar Tage auf seine Katze aufpassen.

Der Fall könnte für Spannungen zwischen den Regierungen in Washington und London sorgen, da Steele viele Jahre für das Vereinigte Königreich gearbeitet hat. Zudem berichten mehrere Medien, dass ein ehemaliger britischer Botschafter in Russland das Trump-Dossier an US-Politiker weitergegeben haben soll. Großbritanniens Premierministerin Theresa May plant seit Längerem, noch im Januar Washington zu besuchen. Die Veröffentlichungen dürften dabei eine Rolle spielen.

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