Süddeutsche Zeitung

US-Demokraten:Kann eine Frau gegen Trump gewinnen?

  • Die beiden linken Präsidentschaftskandidaten Elizabeth Warren und Bernie Sanders greifen sich erstmals in einer Debatte direkt an.
  • Im Zentrum steht die Frage, ob eine Frau die Präsidentschaftswahl gegen US-Präsident Donald Trump gewinnen könne.
  • Nicht auf der Bühne steht New Yorks früherer Bürgermeister Michael Bloomberg, der kurzfristig antritt, um die Wahl von Sanders oder Warren zu verhindern.

Von Alan Cassidy, Washington

Er hat erstaunlich lange gehalten, der Waffenstillstand zwischen den beiden führenden linken Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. Fast ein Jahr läuft der Wahlkampf der Partei nun schon, und bisher gaben sich Bernie Sanders und Elizabeth Warren alle Mühe, sich nicht gegenseitig anzugreifen. Ganz nach dem Motto: Hauptsache, einer von uns beiden gewinnt die Nominierung durch die Partei. Hauptsache, einer von uns beiden steht am Schluss als demokratischer Herausforderer von Donald Trump da - und nicht etwa Joe Biden, der Anführer des moderaten Flügels. Doch nun griffen sich Sanders und Warren in der jüngsten TV-Debatte in der Nacht auf Mittwoch erstmals direkt an. Der Waffenstillstand ist zu Ende.

Im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen beiden Senatoren standen dabei weniger inhaltliche Differenzen, obwohl es die auch gab, etwa in der Handelspolitik. Im Zentrum stand vielmehr eine alte Frage, die neu aufgeflammt ist: Kann eine Frau die Präsidentschaftswahl gewinnen? Und dann noch gegen einen wie Trump?

Warren hatte zuletzt über die Medien gestreut, dass Sanders ihr vor einem Jahr gesagt habe, dass eine Frau die Wahl nicht schaffen werde. Der 78-Jährige bestritt das in der Debatte auf eine Frage der Moderatoren entschieden. Das Thema sei ohnehin bloß im Interesse Trumps und einiger Medien, die einen Konflikt herbeireden wollten. In der Defensive blieb er trotzdem, weil Warren noch so gerne darüber reden wollte. "Die einzigen Bewerber auf dieser Bühne, die jede einzelne Wahl gewonnen haben, sind die Frauen", sagte sie. Und meinte damit neben Senatorin Amy Klobuchar sich selbst. Sie sei die Einzige, die in den vergangenen 30 Jahren einen republikanischen Amtsinhaber geschlagen habe, dann nämlich, als sie ihren Senatssitz im Massachusetts eroberte.

Warren verteilt Spitzen gegen Sanders und Biden

Die Zweifel mancher Demokraten, ob eine Frau gegen Trump automatisch schlechtere Chancen hat, sind real. In einer Umfrage vom vergangenen Sommer sagten zwar 74 Prozent der demokratischen und der unabhängigen Wähler, dass sie selbst gern eine Frau im Weißen Haus sehen würden. Nur 33 Prozent glauben jedoch, dass auch ihre Nachbarn kein Problem mit einer Präsidentin hätten.

Was die Demokraten jetzt bräuchten, sei aber keine Diskussion darüber, ob sie gegen Trump eine Frau oder einen Mann aufstellen sollten, sagte Warren. Das Problem sei ein anderes: "Die Gefahr ist, dass wir jemanden nominieren, der nicht unsere ganze Partei hinter sich scharen kann." Und die Gefahr sei auch, dass die Demokraten jemanden nominierten, der bestimmte Wähler der Partei für gegeben hinnehme, statt bei ihnen Begeisterung auszulösen.

Die erste Aussage war eine Spitze gegen den parteilosen Senator Sanders, dem manche Demokraten immer noch vorwerfen, dass er bei seinem letzten Wahlkampf gegen Hillary Clinton so lange im Rennen verblieb. Die zweite Bemerkung war eine Spitze gegen Biden, den früheren Vizepräsidenten, der die nationalen Umfragen anführt, obwohl er bei seinen Auftritten selten überzeugt. Er genießt vor allem bei afroamerikanischen Wählern große Unterstützung. "Ich habe die breiteste Koalition hinter mir", sagte Biden.

Das Duell zwischen Sanders und Warren war auch dem Umstand geschuldet, dass der Wahlkampf der Demokraten nach einer gefühlten Ewigkeit bald in die heiße Phase geht. Die gestrige TV-Debatte war die letzte, bevor am 3. Februar die erste Vorwahl der Partei in Iowa stattfindet. Der Einsatz dort ist hoch: Wer es im landwirtschaftlich geprägten Hawkeye State nicht unter die ersten drei oder vier Bewerber schafft, muss seine Kampagne womöglich bereits einstellen, weil dann keine Spenden mehr hereinkommen. Die beiden Kandidaten des linken Flügels werden sich dabei gegenseitig Stimmen streitig machen, und ihre moderaten Konkurrenten - zu denen neben Biden der ehemalige Bürgermeister Pete Buttigieg zählt - hoffen, dass sie davon profitieren.

Milliardär Bloomberg tritt mit ungewöhnlicher Strategie an

Ansonsten war die Debatte, die mit noch sechs Bewerbern die bisher kleinste Runde war, geprägt von einer längeren Diskussion über die Rolle der USA in der Welt - ein Thema, das in früheren Debatten nur am Rande vorgekommen war. Dabei zeigte sich, dass sich alle Kandidaten auf der Bühne grundsätzlich einig waren, die Zahl der US-Truppen in Nahost zu reduzieren und im Fall von Afghanistan alle Soldaten abzuziehen. Mehrfach wurde zudem Kritik an der Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani durch die USA laut, die das Risiko eines Kriegs mit Iran erhöht habe. Alle Demokraten versprachen auch, im Fall eines Wahlsiegs die Zusammenarbeit mit den traditionellen Verbündeten Amerikas zu suchen, die unter Trump gelitten habe - gerade, wenn es um die Eindämmung Irans gehe.

Auf der Bühne fehlte allerdings jener Kandidat, der in den vergangenen Tagen am meisten zu reden hatte, obwohl er sich für die Debatte nicht qualifiziert hatte. Michael Bloomberg, der frühere Bürgermeister von New York, ist erst spät in den Präsidentschaftswahlkampf eingestiegen. Er tut das explizit, um einen Sieg von Sanders oder Warren zu verhindern, die er für zu links hält. Und er tut das mit einer ungewöhnlichen Strategie. Bloomberg tritt in den ersten vier Vorwahlstaaten gar nicht erst an, sondern stellt sich erst am "Super Tuesday" zur Wahl. An diesem Tag Anfang März halten mehr als ein Dutzend Bundesstaaten ihre Vorwahl ab. Mit klassischen Wahlkampfauftritten hielt er sich allerdings auch dort bisher eher zurück.

Den späten Einstieg ins Rennen kompensiert der schwerreiche Unternehmer (Vermögen: 51 Milliarden Dollar) dafür mit einer Geldschwemme, die selbst für amerikanische Verhältnisse beispiellos ist. Nach einer Zählung der Beratungsfirma Advertising Analytics hat Bloomberg in nur 54 Tagen mehr als 220 Millionen Dollar für politische Werbung aufgeworfen, mehr als zehnmal so viel wie Sanders, Buttigieg, Warren und Biden. Alleine beim kommenden Super-Bowl-Finale gibt Bloomberg zehn Millionen Dollar für einen Werbespot aus. Der New York Times deutete er an, dass er bereit sei, im Verlauf des gesamten Wahlkampfs bis zu einer Milliarde Dollar einzusetzen. Mit solchen Summen, das ist Bloombergs Wette, lassen sich die herkömmlichen Gesetze eines Wahlkampfs aushebeln.

Das Geld will er auch dann ausgeben, wenn er selbst letztlich gar nicht die Nominierung der Demokraten gewinnt. Um Trump zu schlagen, werde er jeden Herausforderer der Demokraten unterstützen, sagte Bloombergs Wahlkampfchef diese Woche - egal, um wen es sich am Schluss handle. Im Fernsehen war Bloomberg am Dienstag jedenfalls trotzdem zu sehen: Er ging als Gast zum Late-Night-Talker Stephen Colbert.

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